Mit Erleichterung reagieren Anleger auf das Einlenken von US-Präsident Donald Trump im Streit über die Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Joe Biden. Der US-Standardwerteindex Dow Jones übersprang am Dienstag erstmals die psychologisch wichtige 30'000er-Marke und ging mit einem Plus von 1,5 Prozent bei einem Rekordhoch von 30'046,24 Punkten aus dem Handel.
Der breit gefasste S&P 500 gewann 1,6 Prozent und beendete den Handel mit 3635,41 Punkten ebenfalls so hoch wie nie zuvor. Der technologielastige Nasdaq rückte um 1,3 Prozent vor auf 12'036,79 Zähler.
Grosse Hoffnungen in Janet Yellen
Drei Wochen nach der Wahl machte Trump den Weg für eine geordnete Machtübergabe an Biden frei. Damit sei die Gefahr einer Verfassungskrise in den USA gebannt, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Positiv sei ausserdem sei Bidens Nominierung der früheren US-Notenbankchefin Janet Yellen als künftige Finanzministerin. Sie gelte als wirtschaftsfreundlich. «Ein faszinierendes Comeback für die sehr kompetente Fed-Chefin, die von Trump gefeuert wurde.»
Zusätzlichen Rückenwind erhalte die Börse von den Fortschritten bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus, sagte Robert Pavlik, Chef-Anlagestratege beim Vermögensverwalter SlateStone. Zwar sei unklar, wie stark die Pandemie die Wirtschaft noch beeinträchtigen werde, bis die Bevölkerung umfassend geimpft werden könne. Investoren interessierten sich aber wieder für Industrie- und Finanzwerte, die gemäss Lehrbuch von einer Erholung der Wirtschaft am besonders profitieren.
Auch an den Rohstoffmärkten waren die Optimisten in der Überzahl. Der Preis für die US-Sorte WTI stieg um 4,3 Prozent auf ein Neun-Monats-Hoch von 44,91 Dollar je Barrel (159 Liter). Das Industriemetall Kupfer gewann in der Spitze gut zwei Prozent und war mit 7331 Dollar je Tonne zeitweise so teuer wie zuletzt vor zweieinhalb Jahren.
Gold fällt auf Viereinhalb-Monats-Tief
Aus «sicheren Häfen» wie der Weltleitwährung zogen sich Investoren dagegen zurück. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, fiel um 0,4 Prozent. Auch US-Staatsanleihen mussten Federn lassen. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen T-Bonds auf 0,880 Prozent.
Gleichzeitig sank der Preis für die "Antikrisen-Währung" Gold zeitweise um fast zwei Prozent auf ein Viereinhalb-Monats-Tief von 1801,36 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Langfristig werde es aber wieder aufwärtsgehen, prognostizierte Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. «Die wegen der Corona-Krise kräftig gestiegene Verschuldung ist nicht plötzlich verschwunden. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Regierungen und Zentralbanken ihre Unterstützung für die Wirtschaft vorschnell zurückfahren werden.» Goldminen-Betreiber gerieten unter Verkaufsdruck. Die Aktien von Newmont, Barrick, AngloGold Ashanti und Harmony büssten bis zu 3,7 Prozent ein.
Ungebrochen war der Hunger der Anleger auf Bitcoin. Die älteste und wichtigste Cyber-Devise stieg zeitweise um 5,5 Prozent auf 19.441,51 Dollar und lag damit nur noch knapp drei Prozent unter ihrem Rekordhoch von Ende 2017. «Die Anleger befinden sich im Gipfelfieber und streben blind gen Norden», sagte Analyst Timo Emden von Emden Research. Selbst kleinste Rücksetzer würden für einen Einstieg genutzt.
Boeing legt zu
Bei den Aktienwerten gehörte Boeing mit einem Kursplus von 3,3 Prozent zu den Favoriten. Nach den USA rückt auch in Europa eine Wiederzulassung der Maschinen vom Typ 737 MAX für den Flugbetrieb näher. Die Baureihe waren nach zwei Abstürzen mit einem weltweiten Startverbot belegt worden.
(reuters/gku)