Wenn Eric Bernhardt am Morgen ins Büro kommt, hat er zu Hause am Computer die Kurse der Biotechaktien schon abgerufen. «In derart volatilen Märkten muss man immer auf dem Laufenden bleiben», sagt der Fondsmanager des Clariden Biotechnology Equity Fund. Und weil 95 Prozent des Fondsvermögens in den USA investiert sind, startet er im Wissen um die Schlusskurse des Vortages mit einem besseren Gefühl in den neuen Tag. Biotechnologie, die Herstellung von Medikamenten, die Analyse der Erbsubstanz sowie die Entwicklung von neuen Technologieplattformen, ist nach wie vor ein USA-lastiges Business. Deshalb liest der kanadisch-schweizerische Doppelbürger am Morgen im Büro als Erstes die internationalen Zeitungen und bringt seinen Terminkalender à jour. Von den Unternehmen, die er im Fonds hält, kennt er die Eckdaten für die Publikation der wichtigen Zahlen. Doch das reicht nicht: Wichtigen Aufschluss darüber, ob die Produkte einer Biotechfirma gefragt sind, geben auch die grossen Gesundheits- und Ärztekongresse. «Wenn eine Firma an einem wichtigen Kongress nicht eingeladen ist, muss ich mir sehr genau überlegen, ob das negativ zu werten ist», sagt der Fondsmanager.

Seit die Biotechfirmen an den Börsen wieder zu den gefragten Titeln gehören, haben sich zahlreiche Unternehmen für einen schnellen Börsengang entschieden. Bernhardt kennt sich zwar in der Venture-Capital-Szene aus und hat derzeit rund drei Prozent seines Fondsvermögens in noch nicht börsenkotierte Unternehmen investiert. Doch jeder Börsenneuling verlangt nach einer eingehenden Prüfung, die sich teilweise über Wochen hinzieht. Längst nicht alle Firmen, die jetzt vom Boom profitieren, sind eigentlich schon reif für den Gang an die Börse. «In den letzten Wochen habe ich manchmal pro Woche bis zu zwölf Gespräche mit Managern von Biotechfirmen geführt», sagt Bernhardt. Der Qualität des Managements misst der Fondsmanager grosse Bedeutung zu. Nicht nur «weil nicht alle genialen Forscher auch gute Manager sind», sondern auch weil die Entwicklungszyklen im Biotechbereich je nach Produkt bis zu zehn Jahre betragen und letztlich im Durchschnitt nur zwei von 10 000 entwickelten Substanzen Marktreife erlangen. «Da muss man als Investor in das Management volles Vertrauen haben und sicher sein, dass die Zielvorgaben, die sich die Manager setzen, auch einigermassen zeitgerecht erreicht werden», sagt Bernhardt. Und dieses Vertrauen gewinnt er in den rund 300 Gesprächen, die er Jahr für Jahr mit den Exponenten der Firmen führt.

Von einem regelrechten Flop ist Bernhardt bislang verschont geblieben. «Einige Firmen hinken allerdings hinter den gesteckten Zielvorgaben her.» Doch der Fondsmanager, der schon seit 16 Jahren Pharmafirmen analysiert und sukzessive in die Biotechnologie hineingewachsen ist, geht ohnehin gern auf Nummer sicher. Rund 65 Prozent des Fondsvermögens sind in Firmen investiert, die bereits Produkte verkaufen. Bei allen anderen besteht Bernhardts grösste Herausforderung darin, abzuschätzen, ob das Produkt zum Erfolg wird. «Ich muss sehr langfristig vorausschauen können», sagt der studierte Forstingenieur. Seine Kenntnisse in Biologie, Pharmazie, Botanik und Chemie aus dem Studium helfen ihm dabei noch heute. Die Technologiesprünge, die auch in der Biotechnologie Einzug gehalten haben, werden seinen Job allerdings nicht einfacher machen. Immer mehr Anwendungsbereiche und Analysemethoden wird Bernhardt verfolgen müssen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen auf die falsche Technologie setzt, steigt mit der Vielzahl der Firmen.

Doch der Hobbyornithologe lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. «Geduld ist in meinem Geschäft eine Tugend.» Rückschläge, so Bernhardt, müsse man in diesem schwankungsanfälligen Markt hinnehmen. Eine Absicherung sind für ihn auch die zahlreichen Gespräche mit Biotechanalysten, mit Ärzten, Kunden sowie Konkurrenten jener 30 bis 40 Firmen, die er im Fonds hat. Bernhardt ist davon überzeugt, dass Anleger mit einem Zeithorizont von rund drei Jahren mit Biotechfonds gutes Geld verdienen können.

Den Kursaufschwung über die letzten Monate erachtet er nicht als Blase. «Sicher hat die Tatsache, dass die Technologietitel so hoch bewertet sind, zu Umschichtungen in den Biotechbereich geführt.» Doch der Fondsmanager sieht den Aufschwung breit abgestützt. «Die technologische Revolution wird auch die Biotechnologie in neue Dimensionen bringen», sagt Bernhardt. Insbesondere in der Erforschung des Erbgutes ortet er grosse Chancen. «Bislang haben wir mit Medikamenten die Symptome von Krankheiten bekämpft. Jetzt können wir uns an die Ursachenbeseitigung machen», meint er. Die Bedenken der Gegner dieser Forschung teilt Bernhardt nicht. «Zu viele Krankheiten sind noch schlecht behandelbar», sagt er. Neue Therapieformen könnten hier Abhilfe schaffen.

Dass weltweit rund 200 Produkte kurz vor der Zulassung durch die Behörden stehen, wertet Bernhardt als Indiz für die Dynamik in der Branche. «Nicht zuletzt dank dem Kursaufschwung sind zudem viele Biotechfirmen heute besser finanziert als früher und arbeiten mit Gewinn.» Ein wichtiges Kriterium, wenn es um die Finanzierung von teuren Forschungen und deren Vermarktung geht. Zudem habe sich die Abhängigkeit von den grossen Pharmafirmen, die früher bei der teuren Vermarktung von entwickelten Medikamenten gerne eingesprungen sind, reduziert. «Heute brauchen die Pharmafirmen die Produkte der kleinen innovativen Labors dringend für ihre Produktepipeline», sagt Bernhardt, der für die Clariden Bank auch den Pharmafonds managt. Um die Margen macht er sich wenig Sorgen. Dies unter anderem, weil auch in der Biotechbranche eine Konsolidierung stattfinde. Und Übernahmen durch Pharmafirmen sind immer noch ein Thema. Doch der Spiess könnte sich bald umdrehen. Gemessen an der Börsenkapitalisierung holen die grössten Biotechfirmen mächtig auf. Gut möglich also, dass schon bald eine Biotechgesellschaft einen Pharmariesen schluckt. Denn im Kampf zwischen der neuen und der alten Ökonomie ist die Börsenkapitalisierung zum alles entscheidenden Kriterium geworden.
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