7.45 Uhr Ausnahmsweise kommt Elizabeth von Werra, Senior-Analystin des Industriesektors und Managerin des DH Industrial Leaders Fund, bereits um diese Zeit ins Büro. Denn sie hat den Auftrag gefasst, an der wöchentlichen Sitzung der Research-Abteilung ein neues Anlagethema vorzustellen. Zuvor will sie unbedingt ihre Notizen durchgehen und einen Blick in die Zeitungen werfen. Prompt weckt ein Artikel auf der ersten Seite der «Financial Times» über die Old Economy ihr Interesse. Danach holt sie sich bei Bloomberg die letzten News und setzt sich über die Schlussnotierungen an den Börsen ins Bild. «Mein bevorzugtes Informations- und Finanzinstrument», bemerkt sie. Nachdem sie sich informiert hat, begibt sie sich in den Konferenzraum.

8.15 Uhr Die Sitzung kann beginnen. Es ist eine der wichtigsten der Woche, denn sie erlaubt den Privatkundenberatern und den Analysten, ihr Wissen zu vertiefen und sich über neue Anlagemöglichkeiten zu informieren. Fast vierzig Personen finden sich ein. Nachdem es sich alle in den Ledersesseln bequem gemacht haben, wird es dunkel im Saal, und Elizabeth von Werra beginnt über Windenergie, Mikroturbinen und Brennstoffzellen zu sprechen. Dies mutet aus dem Mund einer Frau im ersten Moment etwas seltsam an, doch wird man rasch gewahr, dass sie die Materie perfekt beherrscht. Die Industrie, genauer der Maschinenbau, ist nämlich die Welt der Diplom-Ingenieurin. Hier fühlt sich die gebürtige Brasilianerin zu Hause. Und hier begann ihre Karriere (siehe unten). Zehn Jahre war sie der Industrie treu geblieben, ehe sie ins Anlagegeschäft umgestiegen ist.
Der Tagesschwerpunkt lautet: neue Technologien zur Erzeugung von Elektrizität – ein Thema von brennender Aktualität angesichts der Stromkrise der letzten Monate in Kalifornien. Die Materie ist komplex, doch Elizabeth versucht, ihre Ansicht so klar wie möglich zu vertreten: «Mit einem erwarteten jährlichen Wachstum von 20 bis 25 Prozent in den nächsten 15 Jahren ist dies eine viel versprechende Anlage», versichert sie. Ihre Präsentation endet mit der Empfehlung der dänischen Vestas, der weltweit führenden Herstellerin von Windturbinen.

9.15 Uhr Im Anschluss an die Sitzung wollen einige Teilnehmer detailliertere Informationen. «Ich spreche gerne mit den Anlageberatern, denn so erfahre ich, was sie beschäftigt und was sie konkret wissen wollen», sagt von Werra. Zurück im Büro, schreibt sie eine Zusammenfassung für den «Weekly Report», die wöchentlich erscheinende Publikation für die Kunden der Bank und die Berater. Danach geht sie mit ihrem Kollegen, dem Junior-Analysten Michael Duss, das Wochenprogramm durch. «Damit wir unsere Arbeitszeit optimal nutzen können, sind wir perfekt organisiert», erklärt sie. Alles, bis hin zum Bereitstellen von Unterlagen, ist in den Arbeitsplan eingetragen, den die beiden auf dem PC verwalten. «Dadurch bin ich hundertprozentig mobil», begründet sie die Akribie. An entsprechenden Arbeitsinstrumenten fehlt es Elizabeth jedenfalls nicht, stehen doch auf ihrem Schreibtisch fünf Bildschirme plus ein Laptop für unterwegs. Und dank ihrem Triple-Band-Handy kann sie jederzeit und überall die Performance ihres Fonds abrufen und wenn nötig einen Börsenauftrag erteilen.

10.30 Uhr Kurze Ad-hoc-Sitzung mit Michael Duss. Auf die Evaluation der Fondsperformance, die heute überdurchschnittlich lange gedauert hat, folgt eine Diskussion über den Markt im Allgemeinen. Danach verbringt Elizabeth rund zwanzig Minuten mit dem Sortieren und Lesen ihrer E-Mails. Davon erhält sie nicht wenige: zwischen 80 und 100 jeden Tag. Meist erkennt sie auf den ersten Blick, welche echte Informationen enthalten, so dass sie sich nicht allzu lange aufhalten lässt. Um auf möglichst direktem Weg an Informationen zu kommen, hat sie verschiedene Newsletter abonniert, nicht nur von den Gesellschaften, die sie interessieren, sondern auch von etlichen Vereinigungen der Energieindustrie. Diese Lektüre ist für sie unerlässlich, denn sie will immer top informiert sein. Ein anderes ihrer Prinzipien: Nie setzt sie auf ein Unternehmen, das sie nicht gesehen hat. «Der Fonds investiert in 22 Gesellschaften, deren Führungskräfte ich systematisch besucht habe», führt sie aus. Ihre Wahl trifft sie auf Grund einer Evaluation des Managements und seiner Strategien. «Während einer Präsentation merke ich sofort, ob das, was gesagt wird, auch zutrifft, denn ich bin irgendwann mal dort gewesen.»

12.00 Uhr Um sich zu entspannen, sucht Elizabeth die Abwechslung. Sie ist keine Anhängerin der Sandwichpause vor dem Bildschirm. Als aktive, engagierte Frau ist sie Mitglied mehrerer Vereinigungen, beispielsweise des Carrier Woman’s Forum, und nimmt daher regelmässig an Mittagessen teil, die diese Klubs organisieren. Heute geht es aber durch den Genfer Parc des Bastions in Richtung Zentrum. Um vom schönen Wetter zu profitieren, beschliesst sie, zusammen mit einer Freundin, der sie zufällig begegnet, in einem Gartenrestaurant zu Mittag zu essen.

14.00 Uhr Nach ihrer Rückkehr in die Bank orientiert sie sich einmal mehr bei Bloomberg über das Marktgeschehen. Gewöhnlich vertieft sie sich dann in Studien über ihren Sektor; heute Nachmittag ist dies ein Bericht über Brennstoffzellen. «Auch im Internet finde ich qualitativ hoch stehende Informationen über den Industriesektor», sagt sie. Deshalb hat sie sich ein Register mit den Seiten angelegt, die sie regelmässig abruft. Fachzeitschriften wie die «European Chemical News» erlauben ihr ebenfalls, gezielt an Informationen heranzukommen. Da der Beruf der Analystin zu einem grossen Teil aus Lektüre besteht, nutzt Elizabeth jeden erdenklichen Moment, vor allem auch auf ihren Geschäftsreisen, um zu lesen, etwa all die Studien, die sie vom Internet heruntergeladen und ausgedruckt hat. «Erst diese Vielzahl von Informationen gibt mir den nötigen Hintergrund, um bei meinen Besuchen in den Unternehmen kompetent auftreten zu können.»

15.30 Uhr Zusammenkunft mit Claude Morgenegg, dem Verantwortlichen der Finanzanalyse, der sich über den Stand der Dinge informieren will. Elizabeth trifft ihn in einem Salon-Zimmer, denn so kommunikationsfreundlich die Grossraumbüros sind, manchmal ist es angenehmer, in Ruhe zu diskutieren. Beide tun ihre Markteinschätzungen kund und wagen eine Prognose in Bezug auf die bevorstehende Zinssenkung in den USA. Danach wiederholt Elizabeth ihre Analyse vom Morgen, bleibt jedoch allgemeiner. Sie glaubt, dass alles vom wirtschaftlichen Aufschwung abhängt. «Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Beobachtung des Konsumentenverhaltens.» Wieder im Büro, beantwortet sie ihre Mails und ruft einen Broker in London an, der auf die Automobilbranche – einer ihrer Untersektoren – spezialisiert ist.

18.30 Uhr Der Arbeitstag ist zu Ende. Nach einem letzten Blick auf die Markttendenzen kehrt Elizabeth nach Hause zu ihrem Mann zurück. Angesichts des noch immer schönen Wetters beschliesst sie, mit ihm zusammen zu joggen; die sportliche Fondsmanagerin versucht, zweimal pro Woche ins Fitness-Studio zu gehen oder eine Runde zu laufen.



Elizabeth von Werra

1984 Diplom als Maschinenbau-Ingenieurin an der Uni von Rio de Janeiro und Einstieg als Projektingenieurin bei einem japanischen Cargo-Konstrukteur. 1988 wird sie von Sulzer mit der Entwicklung petrochemischer Anlagen in Brasilien betraut. 1991 macht sie an der Insead in Paris den MBA und beginnt für Sulzer im Bereich Finanzen und Strategie zu arbeiten. 1996 Wechsel zu Akzo Nobel. 1999 Rückkehr in die Schweiz und Auftrag von Darier & Hentsch, den DH Industrial Leaders zu entwickeln. Gegenwärtig ist sie Senior-Analystin und Verwalterin des Fonds.

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