Steigende Zinsen sind bekanntlich Gift für Technologie- und Wachstumsunternehmen, aber ein Segen für Banken. Weltweit haben Notenbanken begonnen, mit restriktiven geldpolitischen Massnahmen gegen die galoppierende Inflation anzukämpfen. Die Aussicht auf höhere Zinsen könnte Banken bald wieder Rückenwind bescheren. Ist nun der Zeitpunkt gekommen, in Bankwerte zu investieren – oder ist es noch zu früh?    

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Bereits im vergangenen Jahr performten Banktitel besser als Aktienindizes wie zum Beispiel der deutsche DAX. Zum einen kam das Investmentbanking durch einen florierenden Aktienhandel und zahlreiche Unternehmensfusionen wieder in Schwung. Zum anderen zeichnete sich aufgrund der stark anziehenden Inflationsraten eine nachhaltige Zinswende ab, sodass sich die Gewinnaussichten der Kreditinstitute erheblich verbesserten.

Denn mit steigenden Zinsen steigen auch die Zinsmargen der Banken. Anfang 2022 wurde der zwischenzeitliche Höhenflug der Bankaktien durch den einsetzenden Bärenmarkt vorerst gestoppt.   

Rezession könnte den Banken einen Strich durch die Rechnung machen  

Die immer stärker anziehende Inflationsrate und die Gegenmassnahmen der Notenbanken nähren die Befürchtungen einer Rezession, die insbesondere die Bankbranche treffen würde. Doch bislang halten sich zumindest die konjunkturbedingten Zahlungsausfälle noch in Grenzen.
 

Über den Autor

Salah-Eddine Bouhmidi ist Head of Markets und für das Marktresearch in Deutschland, Österreich und den Niederlanden bei IG verantwortlich. In seiner Rolle ist er zudem als Experte bei Daily FX tätig, dem Nachrichten- und Researchportal von IG.

Bouhmidi beschäftigt sich seit über 15 Jahren professionell mit dem aktuellen Börsengeschehen und ist seit drei Jahren für Unternehmen der IG Group tätig. Im Zuge dessen entwickelte er die sogenannten Bouhmidi-Bänder, einen innovativen und auf verschiedene Assetklassen übertragbaren Volatilitätsindikator.    

Eine Rezession würde den Banken zusetzen und könnte den seit Jahresbeginn eingeleiteten Abwärtstrend fortsetzen. In einer Rezession schrumpft die Wirtschaftsaktivität und bei gleichzeitig steigenden Zinsen kann es zu Pleiten von Unternehmen kommen, die dann ihre Kredite bei den Banken nicht bedienen können, was wiederum zu einem erheblichen Abschreibungsbedarf bei den Banken führen kann.    

Banken und Versicherungen sind derzeit trotzdem im Trend  

Die deutlich aggressivere restriktive Geldpolitik insbesondere der US-Notenbank Fed hat seit Juli ein neues Momentum in den Bank- und Versicherungssektor gebracht. Seither sehen wir eine leichte Erholung bei Bank- und Versicherungstitel.

Bei einem Blick auf den breiten europäischen Aktienindex Stoxx 600 erkennen wir zurzeit, dass Bank- und Versicherungsaktien auf Basis der Kursentwicklung in den vergangenen vier Wochen und in den vergangenen drei Monaten wieder an Attraktivität hinzugewonnen haben. In der unten aufgeführten Performancematrix können wir eindeutig sehen, dass Banken und Versicherungen aktuell den breiten Stoxx 600 outperformen. Anlegerinnen und Anleger rotieren und verkaufen zum Beispiel Immobilienwerte und kaufen Bank und Versicherungswerte, die vom steigenden Zinsumfeld profitieren.  

Doch welche Banken könnten in Zukunft interessant sein? Europäische, schweizerische oder doch US-Banken?            

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Auffallend gut entwickeln sich aktuell insbesondere europäische Bankentitel, die der Euro Stoxx 50 listet. So hat die Aktie der niederländischen Bank ING Groep allein seit Juli 14 Prozent an Wert zugelegt und notiert aktuell bei 9.76 Euro.

Auswertungen von Fundamentalanalysten und -analystinnen führender Finanzhäuser für das Papier fallen durchweg positiv aus. So hält die US-Investmentbank Goldman Sachs an ihrer Kaufempfehlung fest. Wer aktuell in die Aktie der ING investiert, könnte gute Chancen auf Gewinne haben.

Charttechnisch hat seit Anfang September ein neuer Aufwärtstrend eingesetzt. Ausbrüche über 10.35 Euro würden das mittelfristige Kursziel bei 15 Euro aktivieren. Mit Privatkundeneinlagen in der Höhe von 1 Billion Euro könnte die ING eine der grössten Profiteurinnen steigender Zinsen im Euro-Raum werden. Auch andere europäische Finanzinstitute wie die Deutsche Bank, die Société Générale oder die Commerzbank bleiben weiterhin interessant.  

Grosse Kursunterschiede bei den Schweizer Banken  

Unterschiedlicher könnte die Aktienkursentwicklung der drei grössten Schweizer Banken seit Jahresbeginn kaum sein. Das Schlusslicht bildet die Credit Suisse. Mit knapp über 20 Prozent hat Julius Bär seit Januar nur etwa halb so viel an Börsenwert eingebüsst.

Urs Rohner und die Schuld am CS-Desaster
Urs Rohner, Verwaltungsratspraesident der Bank Credit Suisse, aufgenommen am 1. Oktober 2019 in Zuerich. (KEYSTONE/René Ruis)
Quelle: Keystone

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Mit einem blauen Auge kommt bislang die UBS-Aktie davon. Anders als in Europa und den USA befindet sich die Schweizer Nationalbank (SNB) noch nicht in einem restriktiven geldpolitischen Zinsumfeld und bietet daher im Vergleich zu EU- oder US-Banken noch nicht so viel Potenzial.  

US-Banken: Noch ist Vorsicht geboten

Seit Juli können wir auch in den USA eine bullische Tendenz bei Bankaktien beobachten. Von Anfang Juli bis Ende September stieg der Subindex S&P 500 Banken um rund 12 Prozent, wohingegen der breit gefasste S&P 500 im selben Zeitraum auf eine Rendite von nur 3 Prozent kam.

Der Aufwärtstrend bei den US-Banken wurde vom zunehmenden Optimismus vieler Marktteilnehmenden unterstützt. Sie gehen davon aus, dass der US-Notenbank trotz der Straffung ihrer Geldpolitik eine «weiche Landung» gelingen wird. Im Fokus stehen dabei besonders die Platzhirsche: Citi Group, Bank of America, Wells Fargo und JPMorgan Chase & Co.    

Das Fazit unterm Strich: Nach vielen Jahren, in denen Bankaktien ein Schattendasein geführt hatten, feierten Finanztitel 2021 ein eindrucksvolles Comeback. Die Chancen, dass Banken nach ausgestandener Börsenkorrektur an diese Outperformance anknüpfen können, stehen sehr gut.

Die Ära der Niedrigzinsen dürfte vorbei sein, sodass mit höheren Zinsen auch die Gewinne der Banken wieder erheblich zulegen dürften. Aktuelle Kursrücksetzer können bei Bankaktien für längerfristige Einstiege genutzt werden. Finanztitel dürften in Zukunft eine positive Kursentwicklung zeigen.  

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