Den höchsten Profit aller Zeiten erzielte der US-Konzern ExxonMobil. Einen gigantischen Gewinn von knapp 40 Milliarden Dollar hat der Ölmulti im vergangenen Jahr erwirtschaftet, das entspricht dem Bruttosozialprodukt von Libyen.
Freuen über diesen Geldsegen dürfen sich auch die Aktionäre: 2006 flossen 35 Milliarden Dollar in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an sie zurück. ExxonMobil befindet sich in beneidenswerter Form – trotzdem ist die Aktie so günstig bewertet wie zuletzt 1989. Das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2007 liegt bei 11,3, verglichen mit einem Wert von 17,4 im Durchschnitt der letzten 20 Jahre.
Ein Grund für die tiefe Bewertung ist der starke Einbruch des Ölpreises in den letzten Monaten, der auch die Aktien im Energiesektor unter Druck setzte (siehe «Gestoppter Höhenflug» auf Seite 103). Tatsächlich aber wird ExxonMobil nur wenig von diesem Preisrückschlag tangiert, weil der Ölmulti die gesamte Wertschöpfungskette von der Förderung bis zum Verkauf an den Tankstellen abdeckt. Wird das Öl billiger, sinken zwar die Einnahmen aus dem Fördergeschäft, doch dafür steigen die Margen bei der Verarbeitung und dem Vertrieb.
«Die derzeitige Schwächephase bildet eine hervorragende Kaufgelegenheit», ist Brian Guck von Wellington Management überzeugt. Der von ihm verwaltete Energy Equity Fund der Bank Clariden Leu ist mit einem Plus von 162 Prozent über die letzten fünf Jahre Spitzenreiter in seiner Kategorie. Auch Robin Batchelor empfiehlt, sich von den starken Schwankungen des Ölpreises nicht verunsichern zu lassen: «Die steigende Ölnachfrage und das limitierte Angebot führen zu einer erneuten Verknappung und höheren Preisen.» Batchelor ist Co-Manager des World Energy Fund von BlackRock Merrill Lynch Investment Managers. Dieser weltweit grösste Energiefonds ziert ebenfalls regelmässig die Spitze der Performance-Rankings.
Experten führen den tieferen Ölpreis auf temporäre Sonderfaktoren zurück: Da ist zunächst der milde Winter in den USA und Europa. Zudem haben die Amerikaner den Benzinverbrauch bereits gedrosselt: 2006 legten sie erstmals seit 25 Jahren weniger Autokilometer zurück als im Vorjahr.
Hinzu kommt ein steigendes Angebot – ausgerechnet aus Nicht-Opec-Ländern, die derzeit eine Reihe neuer Ölquellen erschliessen. Batchelor spricht indes von einer Ausnahmesituation. Es handle sich dabei um alte Projekte, die nun nach langer Verzögerung realisiert würden.
Üblicherweise sinkt der Ausstoss der westlichen Ölfelder mit einer Rate von sechs bis acht Prozent im Jahr, was sich durch die Erschliessung neuer Quellen nicht kompensieren lässt. Brian Guck erwartet deshalb, dass der Ölpreis zwar zunächst in einem Band zwischen 50 und 65 Dollar pro Fass verharren, danach jedoch wieder nach oben ausbrechen wird.
Noch ruhen die Hoffnungen der Ölverbraucher auf den Reserven der Opec-Länder, insbesondere von Saudi-Arabien. Doch die Zweifler mehren sich. Am prominentesten unter ihnen ist der texanische Ölexperte und Investment Banker Matthew Simmons (siehe «Ein Fass Öl müsste rund 180 Dollar kosten» links). In seinem Aufsehen erregenden Buch «Twilight in the Desert» – seit Dezember ist die deutsche Übersetzung auf dem Markt – weist er nach, dass ein Fünftel des globalen Öls aus bloss 14 sogenannten Elefantenfeldern stammt, die alle ihren Zenit bereits überschritten haben. In Saudi-Arabien wurde das letzte dieser Felder 1968 entdeckt. Überdies leiten die Opec-Länder ihre Öleinnahmen primär in die Staatskasse, statt damit ihre oftmals maroden Förderanlagen zu erneuern.
Im Gegensatz zum knappen Angebot ist bei der Nachfrage mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Derzeit konsumieren drei Milliarden Asiaten die gleiche Menge Öl wie die knapp 300 Millionen Amerikaner. Dieses Ungleichgewicht wird sich verringern. Würde jeder Chinese und Inder nur schon so viel Energie verbrauchen wie die vergleichsweise bescheidenen Mexikaner, müsste die globale Ölförderung um die Hälfte höher liegen als heute. Entsprechend prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA) bis 2030 eine Zunahme der weltweiten Nachfrage um 53 Prozent.
Dem Anleger eröffnet diese Entwicklung interessante Gewinnchancen. Als Basisanlage empfiehlt sich der Kauf eines breit diversifizierten Energiefonds, der die starken Schwankungen des Ölpreises sehr gut auffangen kann. Konkret: Vor einem Jahr hatte der Energy Equity Fund von Clariden Leu erst ein Fünftel des Geldes in die grossen integrierten Multis wie ExxonMobil oder Total investiert. In Erwartung eines stagnierenden Ölpreises – den die Grosskonzerne leichter verkraften könnten – hat Fondsmanager Guck deren Anteil sukzessive auf 40 Prozent verdoppelt. Deshalb schaffte der Fonds auch letztes Jahr eine solide Performance von 15 Prozent.
Sobald sich jedoch eine erneute Verteuerung des Öls abzeichnet, wird Brian Guck den Fokus wieder hin zu den Explorations- und Fördergesellschaften verlagern, die überdurchschnittlich von höheren Öl- und Gaspreisen profitieren. Dazu gehören etwa Unternehmen, die sich auf Tiefseebohrungen oder den Abbau von Ölsand spezialisiert haben.
Risikofähigen Anlegern, die auf ein erneutes Preisrally setzen, ist der Exchange Traded Fund (ETF) von iShares auf den Oil & Gas Exploration & Production Index zu empfehlen (siehe «Zehn Top-Investments» oben). Der Banker und Buchautor Simmons favorisiert in diesem Segment die Aktie von Chesapeake. Die Firma aus Oklahoma hat bereits vor dem Ölboom grosse Erdgasvorkommen akquiriert. Das erlaubt ihr nun, den Marktanteil von drei Prozent an der US-Gasproduktion innert weniger Jahre zu verdoppeln.
Während der Energiehunger der Weltbevölkerung ständig wächst, besteht für die Infrastruktur der Ölindustrie ein dringender Renovationsbedarf. Die sogenannten Ölservice-Gesellschaften profitieren nun davon, dass diese Investitionen in die Förderanlagen und Raffinerien jahrelang hinausgezögert wurden. Auch für diesen Sektor gibt es einen passenden ETF von iShares, auf den Oil Equipment & Services Index. Mit Sulzer und Burckhardt Compression mischen zwei Schweizer Firmen erfolgreich im Ölservice-Geschäft mit. Seit kurzem an der Schweizer Börse kotiert ist überdies die Aktie von Petroplus, einem der grössten Raffineriebetreiber in Europa.
Ein fulminantes Comeback erlebt derzeit auch die Kohleindustrie. Gemäss IEA wird der Brennstoff Kohle in den kommenden Jahrzehnten den grössten Teil der zusätzlichen Energienachfrage abdecken. Bis 2030 ist eine Verdoppelung des weltweiten Kohleverbrauchs zu erwarten. Schon heute wächst die Nachfrage um fünf Prozent jährlich. Doch im Gegensatz zum Öl ist der Kohlepreis erst wenig gestiegen – was die Gefahr eines Einbruchs limitiert. Die Fördergesellschaften profitieren ausserdem von den hohen Eintrittsbarrieren, die sie vor neuen Konkurrenten schützen. ABN Amro hat im November ein Zertifikat auf den World Coal Index lanciert. Es umfasst die Aktien der 15 grössten Kohleförderer.
Seit 2001 glatt versechsfacht hat sich der Preis von Uran. Trotzdem ist das Metall noch vergleichsweise billig, sein Anteil an den Gesamtkosten der Stromproduktion liegt bei wenigen Prozent. Nachdem viele schon das Ende der Kernenergie vorausgesagt haben, sind weltweit 90 neue Kraftwerke geplant oder im Bau, davon 18 in China. Seit dem Unfall in Tschernobyl haben die Uranförderer kaum noch Investitionen getätigt, und nun explodiert die Nachfrage plötzlich. Der Anleger kann mit dem Kernenergie-Basket der Zürcher Kantonalbank, der 14 Unternehmen aus dem Sektor umfasst, an dieser Entwicklung partizipieren.
Auch die alternativen Energien stehen vor einem gewaltigen Aufschwung. Zu den Pionieren in diesem Bereich gehört Robin Batchelor von BlackRock. Neben dem World Energy Fund betreut er den New Energy Fund, den grössten Fonds für alternative Energien. «Wegen des Klimawandels gewinnen die neuen Technologien enorm an Bedeutung», sagt Batchelor, «am meisten Potenzial sehen wir bei der Wind- und der Solarenergie, die allein dieses Jahr über 20 Prozent wachsen.»
Zu den «sauberen Energiequellen» gehört ebenso die Wasserkraft – sie spielt in der Schweiz ohnehin eine wichtige Rolle. International ist der Anteil der Wasserenergie allerdings eher gering. Ein erfolgreiches Zertifikat für den Schweizer Elektrizitätssektor hat Valartis (die ehemalige OZ Bank) bereits vor zwei Jahren lanciert: Zum Swiss Energy Basket gehören die sieben wichtigsten Elektrizitätskonzerne des Landes.
Auf ganz Europa ausgerichtet ist der im Dezember emittierte Strombasket II der Bank Vontobel, bestehend aus 16 Aktien, darunter drei schweizerischen. Mit ABB kommt auch der Weltmarktleader im Bereich Stromverteilung aus der Schweiz. Im letzten Jahr stieg die Aktie um stolze 71 Prozent. Dennoch ist der Kurs erst halb so hoch wie 2000, bei einer deutlich tieferen Bewertung. Es besteht also Raum für weitere Avancen.