Er ist derzeit der grösste Exportschlager der Schweizer Literatur. Und in seiner Heimatstadt Genf, aber auch im Rest der Romandie ist Joël Dicker ein Star, ein beliebter Talkgast und gefragter Werbebotschafter. Schliesslich hat sich sein Thriller «Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert» weltweit rund drei Millionen Mal verkauft. Dennoch erkennt ihn in der Deutschschweiz kaum jemand auf der Strasse, auch im Restaurant des Zürcher Altstadthotels Kindli nicht, wo er zur Lancierung seines neuen Buchs «Die Geschichte der Baltimores» einen Pressetermin nach dem anderen absolviert – und einen Espresso nach dem anderen trinkt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

BILANZ: Herr Dicker, Sie sind der beste Beweis dafür, dass der Röstigraben existiert. Obwohl Sie der erfolgreichste Schweizer Schriftsteller sind, erkennt Sie in der Deutschschweiz kaum jemand. Wieso?
Joël Dicker: Ja, ich bin in Paris oder Madrid tatsächlich bekannter als in Zürich. In der Kultur gibt es einen Graben, der nur sehr schwierig zu überwinden ist. Ganz anders als etwa im Sport: Mit dem Basler Roger Federer, dem Waadtländer Stan Wawrinka und der Tessinerin Lara Gut sind die drei grossen Sprachregionen vertreten, welche die Schweiz ausmachen. Alle drei sind Botschafter des Schweizer Sports. Ich hingegen kann heute nicht die Rolle eines Botschafters der Schweizer Literatur übernehmen. Das ist schade. Ich bin nur ein Botschafter der Suisse romande. Aber das liegt auch an mir, ich spreche nicht sehr gut Deutsch. Die Deutschschweizer werden sich deshalb in mir nicht wiedererkennen.

Dafür sind Sie Markenbotschafter: für die Fluggesellschaft Swiss und für die Automarke DS, eine Abspaltung aus der Citroën-Gruppe. Ein Schriftsteller, der für ein Konsumgut wirbt: Geht das?
Ja, klar. Ich finde es wichtig, dass Schriftsteller aus ihrem Elfenbeinturm rauskommen. Sie müssen die Menschen ansprechen. Wenn Schriftsteller die Chance bekommen, auf das Spielfeld der Sportler zu treten, um den Jungen zu sagen, dass es nebst Fussball und Tennis auch die Kultur und die Literatur gibt, dann müssen sie diese ergreifen. Wenn die Kultur heute eine Mission hat, dann doch die, Menschen zusammenzubringen.

Und Sie glauben, dass Sie über die Werbung für ein Auto die Menschen zum Buch führen?
Ja. Wir Schriftsteller haben hier eine wichtige Rolle zu spielen. Wir sorgen uns um unseren Körper, passen auf, was wir essen, treiben Sport, versuchen, uns für den Sommer, für den Strand fit zu machen. Wieso machen wir das nicht auch für unseren Kopf? Wenn es wichtig ist, aufzupassen, was wir essen, dann ist es doch auch wichtig, aufzupassen, was wir mit unserem Kopf machen. Und hier gibt es wirklich ungute Entwicklungen, die ich sogar als gefährlich erachte.

Woran denken Sie?
Wenn ich zum Beispiel den Bus nehme und Leute sehe, die während der gesamten Fahrt auf ihrem Telefon «Candy Crush» spielen, dann macht mir das Sorgen. «Candy Crush» ist okay für fünf Minuten, aber sicherlich nicht für eine halbe Stunde. Wir müssen versuchen, die Menschen wieder für andere Sachen zu interessieren. Und hier habe ich als Schriftsteller mit einer gewissen medialen Sichtbarkeit eine Verantwortung.

Bekommen Sie eigentlich viele Angebote für Werbeverträge?
Ja. Sehr viele Angebote sogar, und ich lehne auch sehr viele ab. Ich muss mich mit einer Marke identifizieren können.

Das vollständige Interview mit dem Autor und Auflagen-Millionär Joël Dicker über Kunst und Kommerz, sowie alle Portraits der 100 Reichsten unter 40, lesen Sie in der aktuellen «Bilanz», seit Freitag am Kiosk oder mit Abo jeweils bequem im Briefkasten.

Wer zu den Reichsten unter 40 im Bereich Kultur zählt, sehen Sie in der Bildergalerie oben.