Der dunkelhaarige Mann mit dem schelmischen Glitzern in den Augen tänzelt durch den Raum. In seiner Rechten hält er ein rundes, mit Ornamenten verziertes Kupfertablett, das mit Ketten an einem Griff befestigt ist – so eines, auf dem im Orient Tee und Kaffee dargeboten werden. In die Mitte des Tabletts hat er eine Tasse gestellt, nun wirbelt er das Ganze im Kreis durch die Luft.
Der Mann, der da mit Hilfe der Zentrifugalkraft so originell serviert, ist kein morgenländischer Kellner, kein touristisch-missbrauchter tanzender Derwisch. Die Szene spielt vielmehr in der österreichischen Bundeshauptstadt, im Aussenbezirk Wien-Simmering, wo der Zentralfriedhof mit seinen 330 000 Gräbern auf zweieinhalb Quadratkilometern noch die grösste Attraktion ist.
Es ist der 44-jährige Restaurantbesitzer, Airline-, Event- und Formel-1-Caterer Attila Dogudan, der da am Hauptsitz des Gastronomiekonzerns Do&Co AG trickreich serviert. Mit 20 hätte Dogudan mit seinem Feinkostladen Do&Co beinahe Pleite gemacht; heute setzt das börsennotierte Unternehmen 143 Millionen Franken um, beschäftigt tausend Mitarbeiter rund um den Erdball. 51 Prozent der Gesellschaft gehören Dogudans Privatstiftung und 25,1 Prozent dem österreichischen Raiffeisensektor. Mit seiner Tablettvorführung will der «detailversessene und qualitätsbesessene Perfektionist» (Harti Weirather, Hahnenkamm-Rennen-Vermarkter) seine Philosophie veranschaulichen: «So haben wir kürzlich in Monza beim Promotion-Fest für den ersten Grand Prix in Bahrain serviert. Wir sind ein Gourmet-Entertainment-Konzern, müssen uns ständig Neues einfallen lassen. Unsere Gäste essen nicht bei uns, weil sie Hunger haben, sondern weil sie etwas erleben wollen.»
Täglich wird für 30 000 Leute gekocht
Gekocht wird weltweit, täglich für 30 000 Personen, zur Erde und in der Luft. Der Profigastgeber hat Restaurants, beliefert internationale Sportturniere, catert 1700 Veranstaltungen im Jahr. Sein Grossauftrag für 2004: Die Fussball-EM in Portugal, wo der frühere Tischtennis-Jugendstaatsmeister 60 000 VIP-Gäste bewirten wird. Zudem laben seine Crews Passagiere von 15 Airlines, angefangen von der österreichischen Lauda-air (seit 1987) bis zu den First-Class- und Business-Passagieren von British Airways in Europa (seit Oktober).
Highlight der lukullischen Geschäfte: Dogudan richtet seit 1992 für Bernie Ecclestones Formel-1-Zirkus an. Der in Istanbul geborene Gastronomensohn schwärmt: «Die Formel 1 ist die perfekteste Show der Welt. Dort herrscht absoluter Leistungsdruck. Entsprechen wir nicht, fliegen wir sofort raus.» Der richtige Ansporn für einen mit dem Ziel, «nie einen Kunden zu verlieren».
Eine Tonne Rindsfilet aus Uruguay
15 von insgesamt 17 Grands Prix beliefert er im Jahr, lässt in der Rennsaison alle zwei Wochen für die VIP-Gäste des «Paddock Club» aufdecken. In den Logen über den Teamboxen sind Grössen aus Sport, Wirtschaft, Politik und Showbusiness anzutreffen. Leute, die sich alles leisten können. Oder, was genauso viel wert ist, die den Veranstaltern und Sponsoren wichtig genug sind, eingeladen zu werden. Ein Ticket für ein Rennwochenende im Club kostet 3900 Dollar. Der dreifache Formel-1-Weltmeister und Ex-Rennchef von Jaguar, Niki Lauda: «Das Do&Co-Essen beim Grand Prix ist oft die einzige Attraktion für die VIPs.»
Die bekommen für ihr Geld einiges geboten. Ein paar Zahlenhäppchen für ein Rennwochenende, bei dem 350 Köche, Servierkräfte und Organisatoren für 5000 bis 6000 VIPs schuften: Zehn bis zwölf Sattelschlepper karren aus München das Equipment herbei. Etwa eine Haupt- und sechs Satellitenküchen, in denen vor den Gästen gebraten, gebrutzelt und grilliert wird. 16 Kühlhäuser werden gebracht, je 25 000 Teller und Gläser, 40 000 Stück Besteck. Tischwäsche und Servietten füllen einem LKW. In Wien wird vor Abreise des Grand-Prix-Trosses probegekocht, die Vorbereitungen vor Ort laufen dann fast eine Woche; allein das Tischdecken dauert einen Tag. Verbraucht werden für die 10 000 Mahlzeiten, je nach Speiseplan, eine Tonne feines Rindsfilet aus Uruguay, zwei Tonnen frisches Gemüse, 350 Kilo Erdbeeren, 200 Kilo Feigen. 800 Kilo Meeresfisch und 10 000 Crevetten werden eingeflogen. Ausserdem: 500 Magnum-Flaschen Champagner, 1200 Flaschen Wein, 4000 Liter frisch gepresster Orangensaft, bis zu 20 Tonnen Eiswürfel. Die Chefin des «Paddock Club», Isabelle Kaufmann vom Genfer Formel-1-Generalunternehmer Allsport Management, streut ihrem Caterer eine Menge Rosen: «Dogudan ist sehr teuer. Aber er setzt sich zweihundertprozentig ein, ist absolut verlässlich. Wir können uns keine Fehler leisten, sein Essen ist top – warum sollten wir daran etwas ändern?»
Dogudan fordert Höchstleistungen
Dabei kann Dogudan selbst nicht die Bohne kochen. Aber er hat den richtigen Riecher dafür, was den Leuten schmeckt und in welcher Atmosphäre sie gern tratschen, tafeln und trinken. Bei wichtigen Veranstaltungen ist der Besitzer eines Hauses auf Ibiza und einer Jachthälfte (die zweite gehört seinem Freund Lauda) stets selbst dabei. Da quält der schmächtige Wirt seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen, zupft hier ein Salatblatt zurecht, hilft da aufdecken, bemängelt dort in allerletzter Sekunde die bis in die letzte Prise Salz geprobte Zubereitung. Ein Mitarbeiter: «Er kann motivieren, aber er ist auch schrecklich, weil ihm nichts gut genug ist.» Klappt etwas nicht hundertprozentig, rastet Dogudan aus. Sein Ausbruch gipfelt meist in den gleichen Fragen: «Seid ihr alle wahnsinnig? Wollt ihr mich ruinieren?»
Solche Adrenalinschübe sind es, die Dogudan auf Touren bringen und aus fast jeder Verlegenheit helfen. Lauda: «Im allerletzten Moment macht er das Unmögliche möglich.» 1000 Kilo Zitronen vergessen? Kein Problem, werden mitten in der Nacht in Barcelona organisiert. Ein Paddock-Kellner ist am Sonntag früh gestürzt und hat dabei einen Grossteil der gebackenen Marillen ruiniert? Crew und Boss schwärmen aus, wecken die Geschäftsleute der Umgebung und sammeln Zutaten fürs Dessert zusammen. Ein Gast im noblen Do&Co-Restaurant am Wiener Stephansplatz will, ausgerechnet, Würstchen essen? Das Personal (ausnahmslos hübsches, mit vorgeschriebenem Höchstgewicht) holt das Gewünschte vom Wurststand. Dogudan erklärt, warum: «Nichts bereitet mir mehr Magenschmerzen als Reklamationen. Schmeckt es einem Gast nicht, so möchte ich ihm am liebsten alles schenken, was er will. Nur, damit er wieder zufrieden ist.»
Der Erfolg scheint dem stets in Jeans, Hemd und Sakko gekleideten Medien- und Society-Liebling Recht zu geben. Für seinen Wiener Freund und Stammkunden, RTL-Chefredaktor Hans Mahr, ist Dogudan schlicht «der perfekte Gastgeber». Ja, nicht einmal die Mitbewerber mäkeln an Do&Co herum. Dogudans grösster Konkurrent, der Münchner Feinkostunternehmer und Event-Caterer Michael Käfer: «Ich bewundere Dogudans Leistung. Wenn er Veranstaltungen managt, sind sie perfekt.» Kurzum: Der Mann kocht alle ein.
Wie er das macht, beschreibt Dogudan so: «Unsere Gäste wollen nach einem Fest etwas zu erzählen haben. Wir liefern ihnen die Story.» Die Geschichte, am Beispiel des Bahrain-Festes: Feinste arabische Speisen und Spezereien, ganze gebratene Lämmer, süsse Leckereien, aufgetischt in Beduinenzelten mit dicken Teppichen, seidenen Polstern, brennenden Fackeln. Speisen wie in Tausend- undeiner Nacht – aber in Monza.
Auch die privaten Catering-Gäste – ab 75 Franken pro Gast kommt Do&Co ins Haus – können viel erzählen. Köchen und Patissiers ist kein Wunsch zu ausgefallen, vielen Kunden nichts zu teuer. Da gab es die Torte in der Form eines Salzbergwerkes mitsamt Grubenhund, die für Österreichs Ex-Finanzminister und heutigen Salinenbesitzer Hannes Androsch gebacken wurde und acht Träger brauchte. Oder die Torte für einen deutschen Millionär und Polo-Fan: ein Meter im Durchmesser, obenauf aus Marzipan gefertigt Pferd und Polospieler. Kostenpunkt: fast 2000 Franken.
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Zu Studienzwecken in der Luft
Im Wiener Stammhaus von Do&Co geht es bodenständiger zu. Von Dogudans vollgeräumtem Wohnbüro aus (Frau und zwei Söhne leben in Barcelona) führt der Studienabbrecher Regie über das vor zwanzig Jahren gegründete Unternehmen. Mit Geld seines ostanatolischen Vaters Ibrahim (der Besitzer von Touristenrestaurants in Istanbul kam 1970 mit Wiener Frau und Sohn an die Donau und etablierte ein florierendes Luxusrestaurant) eröffnet Dogudan einen Feinkostladen. Kurz vor der Pleite beginnt er mit dem Partyservice. Endlich gewinnt der Junior, der bis dahin «immer nur der Sohn des Ibrahim war» (Dogudan), an Profil. 1987 lernt er Airliner Lauda kennen, drei Wochen später liefert er ihm das erste Bordmenü. Tagelang war Dogudan mitgeflogen, um die Arbeitsbedingungen zu studieren, Bordöfen zu entwerfen, die Wünsche der Passagiere zu erkunden. Seither beweist er, dass gute Küche auch über den Wolken funktioniert: Bis heute hat die Lauda-air 50 internationale Auszeichnungen für ihre Menüs eingeheimst.
Do&Co soll eine Weltmarke werden
Unten auf dem Boden kamen im Laufe der Zeit etliche Restaurants in Wien dazu. Im Vorjahr hat Dogudan dem Raiffeisen-Konzern eine (verlustreiche) Wiener Institution abgekauft: die 1786 gegründete Hofzuckerbäckerei «Demel», die einzige denkmalgeschützte Konditorei der Welt. Die Melange (Kaffee mit Milch) kostet dort saftige 5 Franken 70, dafür werden ausnahmslos alle 80 Keks- und 50 Tortensorten, Strudel, Bonbons, Pralinen und Patisserien von Hand gefertigt. Die «Demelinerinnen» in ihrer schwarz-weissen Tracht sprechen ihre Kundschaft noch immer in der dritten Person an. Ihr jahrhundertalter Begrüssungssatz: «Haben schon gewählt?»
Kaum vorstellbar, dass der legere Dogudan, den toute Vienne zu duzen pflegt, sich dort sehr wohlfühlt. Doch ihm geht es um anderes. Mit seinem kapitalkräftigen Partner Raiffeisen will er weiter expandieren und seinen Traum wahrmachen: «Do&Co will der Cartier der Caterer sein und soll zur Weltmarke werden.» Ein ambitiöses Ziel, das Konkurrent Käfer knapp kommentiert: «Cartier beliefern immer noch wir.
Renate Graber ist Journalistin in Wien.