Beim Fussball gehört Italien als Weltmeister auch zu den Favoriten für die Euro 08. Wirtschaftlich hat das Land aber keine vergleichbare Führungsrolle. 2008 wird Italiens Volkswirtschaft laut OECD bloss um 1,3 Prozent wachsen. In jedem Jahr dieses Jahrzehnts schrieb unser südlicher Nachbar ein Aussenhandelsdefizit, das inzwischen sogar noch zugenommen hat. Mit einer Staatsschuld, die 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts beträgt, dürfte Italien gar nicht zum Euro-Raum gehören, liegt doch der erlaubte Maximalwert bei 60 Prozent. Weil es Italiens Wirtschaft an Produktivität mangelt, gehören die Lohnstückkosten zu den höchsten unter den OECD-Mitgliedsländern.
All dies spricht aber nicht generell gegen Investitionen in italienische Firmen. Der Leitindex des italienischen Aktienmarkts, der Mailänder MIB 30 der grössten Unternehmen, hat in den letzten zwölf Monaten 20 Prozent verloren. Das trifft aber auch auf andere Börsen zu wie etwa jene in der Schweiz. Ein tiefer Fall kann daher auch zu günstigen Kaufgelegenheiten führen. Tatsächlich ist der italienische Markt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,5 im Quervergleich günstig bewertet. Beachtenswert ist schliesslich auch die hohe durchschnittliche Dividendenrendite von 4,8 Prozent.
Laut Aldo Visani, Leiter Investment Research der Banca del Gottardo, ist Italiens Aktienmarkt einerseits wegen seiner Branchenstruktur tief bewertet, andererseits auch, weil die Anleger eine grössere Risikoprämie fordern. Deshalb liegt das KGV in Italien schon seit längerem unterdurchschnittlich tief. Gründe für diesen Abschlag auf den Kursen italienischer Unternehmen ortet Visani in der grossen Regulierungsdichte in Italien, im gewaltigen Einfluss von Staat und Politik sowie in den von aussen kaum durchschaubaren Kreuzbeteiligungen zwischen den Firmen: «Um die Corporate Governance ist es in Italien schlecht bestellt», fasst er zusammen. Die besten Unternehmen ortet Visani ohnehin nicht an der Börse. So befinden sich bekannte Weltmarktführer wie der Schokoladenhersteller Ferrero oder das Modehaus Prada in Privatbesitz.
Der italienische Aktienmarkt wird wie jener der Schweiz vor allem von den Banken dominiert. Zusammen mit den Schwergewichten Telecom Italia und Eni machen sie mehr als die Hälfte des MIB 30 aus. Anders als bei uns ist der Geschäftsgang der Banken aber vom Inlandgeschäft abhängig, sie sind nicht von der Subprime-Krise betroffen und finanzieren sich noch hauptsächlich durch die Einlagen ihrer Kunden. Eine Ausnahme bildet aber UniCredito: Die Grossbank ist international präsent. Weil sie im Vergleich zu ihrer europäischen Konkurrenz gut dasteht, sieht Aldo Visani hier eine Kaufgelegenheit.
Zuweilen kann sich selbst die starke Einmischung des Staates in die Wirtschaft für Investoren auszahlen. So ist der Autobahnbetreiber Atlantia laut Visani «eine Cashflow-Maschine». Der De-facto-Monopolist braucht sich dank staatlicher Preisregulierung keine Sorgen um die künftigen Erträge zu machen. Als ausgesprochen starke börsenkotierte Firma sieht Visani ausserdem Luxottica, eine Weltmarktführerin im Brillengeschäft, den Luxusgüteranbieter Bulgari oder die Autobahnrestaurants Autogrill.
Dem gesamten italienischen Markt gegenüber ausgesprochen positiv eingestellt ist Nicolò Foscari von der Credit Suisse. Insbesondere im momentan unsicheren Umfeld betont er dessen defensiven Charakter. Defensiv ist allein das konservative Bankgeschäft, und ausserdem wird die Börse durch Energieversorger wie Eni und Enel dominiert. Problematischer sind die Aussichten wegen Unsicherheiten auf den Weltmärkten dagegen für die Industrie und damit für so bekannte Grössen wie Fiat oder Finmeccanica.