Jahrzehntelang dümpelte der österreichische Aktienmarkt vor sich hin; unterbewertet, gleichsam links liegen gelassen von institutionellen wie privaten Investoren. Dann passierte das, woran keiner mehr glaubte: Der Bulle wurde auf einmal losgelassen! Und mit ihm kletterte der österreichische Leitindex ATX im Jahr 2003 um 34 Prozent, 2004 um 57 Prozent, 2005 um 50 Prozent und 2006 um 21 Prozent. Und liess damit sowohl den deutschen DAX als auch den Schweizer SMI hinter sich.
Die Finanz-Lokalmatadoren haben für dieses Wunder jede Menge Begründungen parat. Stefan Zapotocky, Vorstand der Wiener Börse, lobt die Wachstumsdynamik österreichischer Unternehmen wegen deren Geschäftsbeziehungen mit den benachbarten Ländern: «Vier von fünf Unternehmen aus dem ATX haben intensive Geschäftskontakte mit den rasch wachsenden Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas.» In der Tat erzielen österreichische Grossunternehmen wie der Baukonzern Wienerberger oder die Telekom Austria rund 20 Prozent ihrer Umsätze in den Ostländern. Der
Ölmulti OMV mittlerweile sogar die Hälfte, die Raiffeisen International ihren gesamten Umsatz.
Peter Stenz, Fondsmanager des Swisscanto-Austria-Fonds, ortet selbst für mittelgrosse und kleine österreichische Unternehmen gute Chancen: «Diese sind gut positioniert. Sie arbeiten häufig in Nischen und sind dadurch weniger von Zyklen abhängig.» Zu diesen Firmen gehören etwa der Kran- und Hebegerätehersteller Palfinger, der Bürohersteller Bene oder das Biotechnologieunternehmen Intercell. Am Letztgenannten beteiligte sich jüngst der Basler Pharmakonzern Novartis mit rund 30 Prozent.
Doch Fundamentaldaten allein sind nicht der Grund für das jahrelange Österreich-Rally. Die Initialzündung erfolgte 2003, als in Österreich, ähnlich dem schweizerischen System, die dritte Säule zur Altersvorsorge eingeführt wurde. Diese Säule basiert auf einem Ansparsystem, das erlaubt, bis zu 40 Prozent des Vermögens in Aktien zu parkieren. Dadurch fliessen dem österreichischen Aktienmarkt jedes Jahr geschätzte 120 Millionen Euro zu. In der Folge wies der ATX in den letzten zwei Jahren eine Prämie von 15 bis 20 Prozent gegenüber den europäischen Märkten aus.
Gebremst wurde die Feierstimmung allerdings letzten Juli. Nachdem der ATX zum ersten Mal in seiner Geschichte die magische Marke von 5000 Punkten übersprungen hatte, ging es gleich danach steil bergab. Die Krise im US-Hypothekarmarkt und die damit einhergehende Verunsicherung zogen den gesamten Markt hinunter. Am stärksten betroffen waren Immobilientitel, mit Kursverlusten von bis zu 40 Prozent.
Ungeachtet dessen läuft Österreichs Konjunktur nach wie vor rund. So rund, dass die Österreichische Nationalbank sich letzten Sommer gezwungen sah, ihre Wachstumsprognose für das Jahr 2007 von 3,2 auf 3,4 Prozent zu erhöhen. Für dieses Jahr rechnen die Volkswirte zwar nur noch mit einem Wachstum von 2,7 Prozent. Doch damit liegt Österreich noch immer über dem langjährigen Durchschnitt und über dem Wachstum der Eurozone von prognostizierten 2,1 Prozent.