Der Aktienmarkt preist bereits im Voraus sämtliche viel diskutierten Informationen und Meinungen effizient ein. Für eine gute Prognose muss man also die entscheidenden Faktoren kennen, die andere übersehen. Rechnen Sie mit einem besseren Jahr 2025 als befürchtet, mit einem Markt, den Europa anführen wird.
Mit Beginn des Jahres 2025 trübte sich meine Sicht. Zum Jahresende schienen gleich drei mögliche Ergebnisse ähnlich wahrscheinlich: Die Aktienmärkte in den USA und weltweit könnten erneut einen grossen Boom erleben. Oder leicht nachgeben. Oder lediglich einstellige Gewinne erzielen. Klarheit kam Anfang Januar, als ich feststellen konnte, dass sich die Stimmung der europäischen Anlegerinnen und Anleger deutlich verschlechtert hatte – weitaus mehr als realistischerweise gerechtfertigt. Dieser Hintergrund ist optimistisch und begünstigt positive Überraschungen.
Der Gastautor
Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 299 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.
Erstens würden grosse Gewinne die meisten Anlegenden schockieren. Der amerikanische S&P 500 hat seit Ende der 1990er-Jahre keine drei Jahre in Folge ein Plus von 20 Prozent und mehr verzeichnet – kurz nach dem Zusammenschluss der Börsen von Genf, Basel und Zürich! Von den 58 Renditeaussichten für die USA von professionellen Marktbeobachtern liegt lediglich eine über 20 Prozent. Überraschungseffekte machen hohe Renditen wahrscheinlicher.
Zudem haben US-Aktien seit 1926 in 60 Prozent der Jahre, in denen ein neuer Präsident sein Amt antrat, wie 2025, zugelegt. Wenn sie steigen, sind solche Jahre in der Regel herausragend. Solide Geschäftsgrundlagen führen zu steigenden Gewinnen. Hohe Korrelationen und die enorme Präsenz Amerikas sorgen weltweit für positive Ergebnisse. Da ist die Schweiz keine Ausnahme. Die Korrelation zwischen dem S&P 500 und dem SPI liegt bei 0,73. Das ist hoch, denn 1,00 bedeutet Gleichschritt und minus 1,00 das genaue Gegenteil.
Der wichtigste Grund für meinen Optimismus? Übertriebener Pessimismus in Europa. Während der Sieg der «unternehmensfreundlichen» Republikaner im Weissen Haus und im Kongress von den meisten Anlegenden in den USA bejubelt wird, leiden die Europäer unter dem Trump-Terror – insbesondere unter den Zöllen, die angeblich den Handel zum Erliegen bringen. Solche Ängste beherrschten auch Davos. Präsident Donald Trump droht mit Zöllen für alle, die nicht in Amerika investieren. SNB-Präsident Martin Schlegel warnt davor, dass Zölle die exportorientierte Wirtschaft der Schweiz in Mitleidenschaft ziehen würden.
Verstärkt wird die schlechte Stimmung in Europa durch politisches Chaos in der EU und stockendes Wachstum in Deutschland und Frankreich. Finanzministerin Karin Keller-Sutter argumentiert, dass dies den Schweizer Handel derzeit unter Druck setzt. Dieser düstere Pessimismus vergrössert die «Mauer der Angst», an der die Bullenmärkte so gerne hochklettern. Dadurch wird es einfacher, positive Überraschungen – Erleichterung – zu erreichen.
Nehmen wir die Zölle. Eventuell kommt es nie dazu! Erinnern Sie sich an die Drohungen von Donald Trump in seiner ersten Amtszeit, die Autoexporte der EU mit Zöllen zu belegen? Wie seine vielen Drohungen waren auch diese Verhandlungsmasse, die darauf abzielte, Deals abzuschliessen. Selbst wenn es zu Zöllen kommt, gelangen nur 15 Prozent der Schweizer Warenexporte nach Amerika, was den 16 Prozent der EU-Exporte entspricht. Davon nicht betroffen wäre der Handel mit Dienstleistungen. Und wenn sie nicht flächendeckend sind, beweisen Trumps frühere Zölle, dass sie leicht umgangen werden können, indem man sie über ein anderes Land vermittelt. Es gibt also viel Spielraum für Erleichterungen.
Europa sieht sich selbst als wachstumslosen Moloch, der vom «kranken Mann» Deutschland geplagt wird. Daher wird selbst ein geringes Wachstum positiv überraschen – wie schon im Jahr 2024.
Im Vorfeld der deutschen Wahlen und angesichts der angeschlagenen französischen Regierung ist die politische Unsicherheit gross. Aber das ist ein Blick in die Vergangenheit. Ich gehe davon aus, dass die Wahlen und der Kuhhandel zu noch mehr Stillstand führen und die politische Unsicherheit in eine optimistische Untätigkeit der Regierung münden wird.
Ich rechne also mit einer Reihe bisher unbekannter Aufwinde für Europa und Aktien weltweit. Deshalb haben der SPI und Europa Amerika im Januar angeführt. Und aus dem gleichen Grund haben deutsche und britische Aktien gerade in Landeswährung Allzeithochs erreicht.
Verstehen Sie mich nicht falsch: US-Aktien dürften sich gut entwickeln. Aber die düstere, gedrückte Marktstimmung sorgt bei europäischen Aktien im Jahr 2025 für einen strahlenden Auftritt.