Der Tod kam überraschend. Mit 47 Jahren verstarb Werner A. und hinterliess seiner Lebenspartnerin Nina D. und seinem Bruder Kurt A. nebst einer Eigentumswohnung, Hausrat und etwas Bargeld auch ein Wertschriftenkonto bei seiner Online-Bank und unzählige Accounts bei E-Mail-Diensten und Social-Media- sowie E-Commerce-Plattformen. Zum Glück hatte Werner A. nicht nur für sein physisches Erbe vorgesorgt, sondern auch für seinen digitalen Nachlass. In seinem handgeschriebenen Testament hatte er festgehalten, wer welchen Anteil erben sollte und seinen Bruder als Verwalter seines Online-Nachlasses eingesetzt. In einem separaten Verzeichnis hatte er fein säuberlich alle seine Zugangsdaten samt Mail-Adressen, Benutzernamen und Passwörter aufgelistet. 
 
So war es für Kurt A. leicht, auf die Konten zuzugreifen, sie zu löschen und Abos zu kündigen. Einzig auf das Konto bei Werners Online-Bank hatte er aus rechtlichen Gründen keinen Zugriff: Bankkonten und Schliessfächer – egal ob virtuell oder real – sind ab dem Todeszeitpunkt grundsätzlich gesperrt. Nur laufende Zahlungen dürfen noch getätigt werden. Die Auflösung und Aufteilung des Kontos erfolgen erst, wenn der amtliche Erbschein vorliegt.

Online-Banken, Paypal und Bitcoin

Werner A. ist allerdings eine Ausnahme. Über 90 Prozent der Internetbenutzer haben keinerlei Vorsorge zu ihrem digitalen Erbe getroffen, wie der Digitalverband Bitkom ermittelt hat. Doch was ist zu tun, wenn keine Zugangscodes vorliegen? Online-Konten bei Schweizer Banken funktionieren in diesem Fall wie herkömmliche Bankkonten: Liegt der Erbschein vor, können sie saldiert und die Wertschriften und Barbestände auf die Erben aufgeteilt werden. Auch Paypal überweist das Guthaben gegen Vorlage des Erbscheins. Die Zugangsdaten werden aber nicht herausgegeben. Das Konto wird anschliessend gelöscht. Bei Bitcoin oder sonstigen Kryptowährungen gestaltet sich der Zugriff komplizierter.
 
Sie liegen nicht auf einem Konto, sondern in einer virtuellen Brieftasche, der sogenannten Wallet. Ohne den privaten Schlüssel des Verstorbenen geht hier zunächst einmal gar nichts. Immerhin: Finden sich in Bank- oder Steuerunterlagen konkrete Hinweise auf die Wallet, so besteht doch noch eine Chance, an das Kryptovermögen zu gelangen. Andernfalls bleibt es noch viele Jahre liegen und verfällt dann irgendwann zugunsten des Staates wie andere kontaktlose Konten, deren Inhaber nicht mehr ausfindig gemacht werden können.

Virtuelle Bücher, Musik, Filme

Auch virtuelle Bücher-, Musik- und Filmsammlungen können einen erheblichen finanziellen Wert darstellen. In die Erbmasse fallen gekaufte Musik- und Filmtitel allerdings nur, wenn sie der Verstorbene auf seine Festplatte oder sonst einen Datenträger heruntergeladen hat. Lagern sie bloss in der Cloud (E-Book-Reader, iTunes), besteht dafür lediglich eine Nutzungslizenz, die mit dem Tod erlischt. Die Erben können die Dateien nicht auf sich übertragen lassen. In der Realität ist das weniger schlimm, solange der verstorbene Nutzer angemeldet bleibt. Üblicherweise wird ein Account nur auf Antrag der Erben gelöscht.
 
Streamingdienste wie Netflix, Amazon oder Spotify und auch Microsoft Office funktionieren normalerweise im Lastschriftverfahren mit monatlichen oder jährlichen Gebühren. Eine ausserordentliche Kündigung ist im Todesfall aber möglich. Wer dies allerdings verpasst, hat Pech gehabt, denn viele Abos verlängern sich automatisch. Die Dropbox wird nach zwölf Monaten Inaktivität gelöscht. Der Anwender wird vorher per E-Mail darüber informiert. Soll es schneller gehen, benötigen die Erben einen Gerichtsbeschluss, der die Löschung verlangt. Und der müsste in den USA eingereicht werden.

Berufliche Netzwerke, Internet- und Mail-Dienste

Xing und Linkedin setzen das Konto von Verstorbenen auf inaktiv, wenn eine entsprechende Meldung eingeht. Einen besonderen Nachweis braucht es dafür nicht. Der Account wird gelöscht, sobald eine Verwechslung oder Falschmeldung ausgeschlossen werden kann. Swisscom, Sunrise, Salt, Cablecom und GMX gewähren gegen Vorlage des Todesscheins und der Erbenbescheinigung mit Zustimmung aller Erben den Zugriff auf das E-Mail-Konto des Verstorbenen. Die Provider behalten sich zudem das Recht vor, Konten nach einer längeren Phase der Inaktivität (üblicherweise sechs Monate) zu löschen.
 
Wenig materiellen, dafür umso mehr emotionalen Wert haben persönliche Beiträge auf Social-Media-Plattformen. Nutzer von Facebook können in den Sicherheitseinstellungen einen «Nachlassverwalter» bestimmen, der beim Ableben des Kontoinhabers beispielsweise noch einen Nachruf hinzufügt. Angehörige können das Konto in einen nicht mehr veränderbaren «Gedenkzustand» versetzen oder es löschen lassen. Herunterladen lassen sich die Dateien nicht mehr, weil Facebook, Instagram, Snapchat, Flickr und Co. das Urheberrecht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wegbedingen. Der Zugriff auf den Account eines Verstorbenen ist gemäss dieser AGB verboten und theoretisch sogar strafbar.

Social Media: Fotos, Posts und Videos

Ob solche Bedingungen zulässig sind, bleibt offen. Gerichtsstand wäre in den USA, weshalb ein allfälliger Prozess sehr teuer würde. Doch auch nach Schweizer Recht hätten die Erben wohl schlechte Karten. Denn der Persönlichkeitsschutz endet nach aktueller Gesetzgebung mit dem Tod des Kontoinhabers. Bei Twitter wird der Account auf Antrag der Erben inaktiv geschaltet und nach dreissig Tagen gelöscht. Auf Wunsch stellt Twitter den Erben sogar ein komplettes Archiv der Meldungen zur Verfügung. Und mit dem Service Deadsocial kann jeder Nutzer eine letzte Meldung an seine Follower hinterlegen, die dann nach seinem Ableben verschickt wird. 
 
Google (Alphabet) zeigt sich da offener: Google bietet für seine Dienste wie Gmail, Youtube, Google Drive oder Picasa einen Inaktivitätsmanager, dank dem man schon zu Lebzeiten festlegen kann, was bei langer Inaktivität mit dem Account geschehen soll: automatisches Löschen oder Ermächtigung für eine Vertrauensperson, die Daten herunterzuladen. Ohne diese Ermächtigung braucht es bei Google die Anordnung eines US-Gerichts, um Zugriff zu erhalten.

Gesetzesänderung soll Klarheit schaffen

Insgesamt ist die Rechtslage vor allem im Umgang mit Social-Media-Plattformen unklar und oft vom Goodwill oder der Willkür der entsprechenden Betreiber abhängig. Das hat auch der Nationalrat erkannt und Ende 2014 ein Postulat von Jean Christophe Schwaab angenommen, das Anpassungen des Erbrechts an den digitalen Nachlass verlangt.
Partner-Inhalte