Swissport, SR Technics, Gategroup: Die einstigen Swissair-Töchter gehören zum chinesischen Tourismus- und Airlinekonzern HNA. Das Sino-Konglomerat hat sich die Firmen in schneller Kadenz einverleibt, als Teil einer globalen und milliardenschweren Kauforgie. Wer den chinesischen Konzern genau kontrolliert, wie eng die Bande zu Peking ist und wie der Kaufrausch finanziert wird, war dabei lange unklar. HNA machte wiederholt widersprüchliche Aussagen zur Eigentümerstruktur und zur Finanzierung. Dafür kassierte der Konzern unlängst eine Rüge der Schweizer Übernahmekommission.

Mittlerweile ermittelt auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin gegen das chinesische Konglomerat, das in diesem Jahr zum grössten Aktionär der Deutschen Bank aufgestiegen ist. Und eine Klage aus New York zeigt, dass auch die US-Behörde CFIUS die Chinesen seit Monaten auszuleuchten versucht. Teilweise mit Erfolg: HNA hat gegenüber den US-Behörden erstmals eingeräumt, dass die oberste Konzernspitze zur Elite der kommunistischen Partei Chinas gehört. Und dass Peking die globale Einkaufstour mit mindestens 175 Millionen US-Dollar mitfinanziert hat.

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Falsche Infos über Eigentümerstruktur

Die brisanten Details stammen aus der juristischen Auseinandersetzung zwischen dem US-Software-Unternehmen Ness Technologies und der HNA Gruppe. Die US-Firma hat den Tourismuskonzern verklagt, weil sie die Chinesen für das Scheitern des Verkaufs einer Tochtergesellschaft verantwortlich machen. Der Deal hatte ein Volumen von 325 Millionen Dollar.

Die Klageschrift umfasst 29 Seiten. Eingereicht wurde sie beim New York State Supreme Court. Ness lässt sich von einer der berühmtesten Kanzleien vertreten: SheppardMullin. Zum Kundenstamm der US-Kanzlei zählen unter anderem MasterCard, DHL, Bank of America oder Samsung. Die amerikanischen Rechtsexperten waren von Samsung unter anderem damit betraut, den epischen Patentkrieg mit Apple auszutragen.

Scaramucci-Firma involviert

Laut der Klageschrift hat das US-Unternehmen im vergangenen März mit der HNA-Tochter Pactera vereinbart, dass eine Einheit der US-Firma an die Chinesen verkauft werden soll. Die Transaktion stand unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die US-Behörde CFIUS. Die Zustimmung hätte eine Formsache sein sollen. Die zum Verkauf stehende Firmeneinheit war in keinster Weise von nationaler Bedeutung. Nichts deutete auf ein Veto der amerikanischen Behörde hin.

Die HNA-Tochter lieferte laut Klageschrift allerdings wiederholt falsche und unvollständige Informationen nach Washington, wo nicht nur der Ness-HNA-Deal geprüft wurde, sondern auch der Verkauf der US-Investmentfirma Skybridge Capital an HNA. Die Firma gehört Anthony Scaramucci, der zehn Tage lang Kommunikationschef von US-Präsident Donald Trump war.

Monatelanger Hickhack

Den CFIUS-Mitarbeitern fiel auf, dass HNA bei den beiden Gesuchen unterschiedliche Angaben über die Eigentümerstruktur machte. Sie fingen an, nachzufragen und schickten einen Fragekatalog nach Peking. Während die Schweizer Übernahmekommission nur drei Fragen beantwortet haben wollte, forderten die Amerikaner Antworten auf dutzende Fragen.

Das Nachbohren der Behörde führte zu einem monatelangen Hickhack und förderte immer wieder neue Details ans Licht. Seit August ist demnach klar, dass die beiden Gründer Feng Cheng und Jian Wang die HNA Gruppe kontrollieren. Seit August ist auch klar, dass Feng Chen Mitglied der kommunistischen Partei Chinas ist und einen Posten in der chinesischen Regierung besetzt. Welchen Posten Feng Chen besetzen soll, führt die Klage nicht näher aus.

Millionenschwere Schadenersatzforderung

Die neuen Erkenntnisse führten dazu, dass CFIUS noch einen Fragekatalog nach Peking schickte. Diesmal 40 Fragen stark. Im September trafen die Antworten ein. Diese zeigen laut Klageschrift weitere Verbindungen zur kommunistischen Elite des Landes. Demnach soll die HNA Gruppe «diverse» Kreditvereinbarungen mit der Regierung getroffen haben. Darunter befinden sich offenbar ein Darlehen in Höhe von 150 Millionen Dollar und ein weiteres Darlehen in Höhe von 25 Millionen Dollar. Wofür HNA das Geld eingesetzt hat, steht nicht in der Klage.

Die amerikanische Genehmigungsbehörde reagierte, wie sie bereits zuvor reagiert hat: HNA musste erneut dutzende Fragen beantworten. Im November dann verkündete HNA einige Wechsel an der Spitze des Konzerns und eines wichtigen Aktionärs. Die CFIUS-Mitarbeitenden schickten noch mehr Fragen nach Osten. Die Konsequenz: Der Deal zwischen Ness Technologies und der HNA-Tochter Pactera ist noch lange nicht in trockenen Tüchern. Das Geschäft verzögert sich, die US-Taschen bleiben vorerst leer, die Tochterfirma soll an Wert eingebüsst haben. Ness beziffert die Schadenssumme auf mindestens 65 Millionen Dollar und fordert Ersatz dafür.

Schweizer Behörden ermitteln

Mit Argusaugen verfolgt wird der Streit auch hierzulande. Die Übernahmekommission hat nämlich den Wirtschaftsprüfer Ernst & Young damit beauftragt, ob in der Gategroup-Transaktion die Mindestpreisvorschriften und die sogenannte «Best Price Rule» eingehalten wurden.

Wichtiger aber: Die Übernahmekommission hat die Schweizer Strafverfolgungsbehörden über die «unwahren beziehungsweise unvollständigen» Angaben informiert, die HNA seinerzeit beim Gategroup-Kauf machte. In der Verfügung von Ende November spricht die Übernahmekommission von «einem oder mehreren Straftatbeständen», die «möglicherweise» erfüllt sind.