Eltern ist es wichtig, ihren Kindern einen guten Umgang mit Geld zu vermitteln. Was sollten Kinder darüber lernen?
Lena Gugenberger: Kinder sollten so früh wie möglich mit Geld in Berührung kommen. Zunächst ist wichtig, dass sie lernen, dass Geld eine begrenzte Ressource ist. Daraus leitet sich ab, dass sie ein Gefühl dafür bekommen, ihr Budget zu verwalten und ihre Ausgaben zu priorisieren.
Wie üben Kinder das in der Praxis?
Indem sie selbst über ihr Geld entscheiden können. Wenn zum Beispiel ein Sechsjähriger 1 Franken Sackgeld pro Woche bekommt, verfügt er über ein Budget. Er kann dann entscheiden, ob er lieber Schoggi oder Glace davon kauft. Oder doch auf eine Zeitschrift spart. Auch kleine Kinder können schon darüber nachdenken, was ihnen wichtig ist und ihre Kaufentscheidungen bewusst reflektieren. Sie verstehen den Unterschied zwischen Wert und Preis. Sie wissen genau: Glace kostet, Zeit mit der Familie nicht – trotzdem ist diese ihnen sehr wertvoll.
Sackgeld zahlen viele Eltern. Was können sie darüber hinaus tun?
Vor allem ist es hilfreich, mit den Kindern regelmässig über Geld und finanzielle Entscheidungen zu sprechen und die Kinder lebensnah in den Umgang mit Geld einzubeziehen. Zum Beispiel, indem man laut mitdenkt beim Einkaufen, warum man eine Kaufentscheidung trifft. Die Familie ist der wichtigste Ort für finanzielle Bildung. Kinder beobachten früh, wie ihre Eltern mit Geld umgehen. Studien zeigen, dass Finanzkompetenz «vererbt» wird. Wenn die Eltern kompetent mit ihren Finanzen umgehen, vermitteln sie das meistens auch ihren Kindern. Wenn sie oft Finanzsorgen haben oder in Schulden schlittern, kann das ebenfalls das Geldverhalten der Kinder prägen.
«In den ersten Jahren führt kein Weg am Bargeld vorbei.»
Sollten Eltern finanzielle Anreize setzen?
Das kommt darauf an. Ämtli in der Familie zu entlohnen, kann zum Beispiel ein falsches Signal senden. Der Nachwuchs sollte nicht lernen, in der Familie nur gegen Geld seinen Teil beizutragen. Etwas anderes ist es, wenn Eltern zum Beispiel Sparziele attraktiver machen wollen, indem sie zum Beispiel sagen: ,Wenn du die Hälfte gespart hast, gebe ich die zweite Hälfte dazu.` Wichtig ist hier aber, klar im Vorhinein zu kommunizieren, wann es den finanziellen Zuschuss gibt. Damit der Anreiz vorhanden ist, das Sparziel zu erreichen.
Was ist noch wichtig?
Dass Kinder beginnen, die Mechanismen von Werbung zu verstehen, damit sie reflektieren, was sie kaufen. Und beim Konsum nicht ständig dem Gruppendruck nachgeben. Auch da hilft es, wenn Eltern mit ihren Kindern regelmässig über diese Dinge reden. So gewinnen die Kinder ein gutes Verständnis und Sicherheit über ihre eigenen Prioritäten und Werte. Sie lernen frühzeitig, selbstbestimmte finanzielle Entscheidungen zu treffen.
Aufgrund von Corona hat sich der Trend verstärkt, bargeldlos zu zahlen. Ab wann können Kinder das verstehen?
In den ersten Jahren führt kein Weg am Bargeld vorbei. Kinder brauchen die haptische Erfahrung und die Scheine und Münzen, um einen Überblick zu bekommen. Ab einem Alter von zehn Jahren ungefähr können Kinder auch an bargeldloses Zahlen herangeführt werden. Zum Beispiel mit einem Konto, das digital per App verwaltet wird, gemeinsam mit den Eltern.
Lena Gugenberger zählt zum Kernteam von «Three Coins». Das österreichische Startup kümmert sich um Finanzbildung, unterstützt zum Beispiel auch Banken in der Kommunikation zu zentralen Themen.
Sobald die Kinder digital mit Geld umgehen, wächst auch die Angst vieler Eltern vor unbemerkten Ausgaben. Wo ist die Grenze zur übermässigen Kontrolle?
Eltern sollten Kinder ihre eigenen Fehler machen lassen. Das bedeutet aber, um das ganz deutlich zu sagen, dass der Rahmen so klar gesteckt ist, dass nichts Schlimmeres passieren kann. Will sagen: Das Konto darf selbstverständlich keinen Dispo haben und Kreditkarten wie Handyguthaben sollten Prepaid funktionieren.
Mit Bargeld zahlen, Sparziele anvisieren, das sind die Klassiker. In den Zeiten von Niedrigzinsen reicht das eigentlich nicht mehr. Wo lernen Kinder, zu investieren?
Es wäre essenziell, dass Kinder und Jugendliche früh an Alternativen zum Sparbuch herangeführt werden. Es wäre ideal, würde die nächste Generation einen Fonds irgendwann selbstverständlich als eine Option des Sparens ansehen und nicht nur als etwas Mysteriöses, das nur «die Reichen» haben. Dass nur ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung auf Aktien setzt, ist ein grosser Quell von Ungleichheit. Leider haben die Schulen hier ein Riesenmanko in der Finanzbildung, vielen Eltern ist das Thema ebenfalls fremd.
Wenn Eltern das Thema neu ist, was können sie tun?
Eltern können nur weitergeben, was sie selbst verstehen. Das bedeutet, wenn sie die Themen ihren Kindern vermitteln wollen, ist es wichtig, dass sie sich selbst um ihren Notgroschen und eine Altersvorsorge jenseits der ersten und zweiten Säule kümmern. Ich sehe allerdings auch die Schulen in der Pflicht bei diesem Thema.
Welche Rolle spielen Banken?
Banken sollten ihre soziale Verantwortung als Unternehmen ernst nehmen und auf finanzielle Bildung für ihre Kunden setzen, damit diese auch eigenständig die richtige Entscheidung treffen können. Sie sind wichtige Ansprechpartner für Familien, sie sind die Experten in punkto Geldanlage. Geldinstitute, die ihr Angebot für Kinder und Jugendliche als reines Marketingtool einsetzen, leben diese Verantwortung nicht.
Wo sollten sie ansetzen?
Finanzbildung beginnt weit vor dem Erwerb von Bankprodukten. Es geht oft um Einstellungen und Verhaltensweisen, um ein grundsätzliches Verständnis in Bezug zum Beispiel auf Budgetieren, Prioritäten, Sparen, Vorsorge, Brauchen und Wollen. Dort zu beginnen, liegt unserer Ansicht nach sowohl in der Verantwortung als auch im Interesse der Banken. Nur finanzgebildete Kunden können informierte und reflektierte Entscheidungen treffen.
Eine gute Bank bringt Eltern also das Investieren bei?
In vielen Fällen, ja. Denn das Problem vieler Eltern ist ja, dass sie nicht in der gleichen Welt aufwachsen wie ihre Kinder. Für die Elterngeneration war es gut und richtig, auf ein Sparkonto zu setzen, heute verliert das Geld dort an Wert. Wünschenswert wäre von Seiten der Banken ein möglichst neutrales, multidimensionales Bildungsangebot, das aufbauend und an Lebensphasen orientiert grundlegende Themen behandelt und diese attraktiv aufbereitet – für Erwachsene und Kinder.
Geld ist nicht wichtig, solange man welches hat. Die allermeisten Familien müssen mit ihrem Budget haushalten. Worauf es sich bei den Familienfinanzen zu achten lohnt, erläutern wir in dieser Serie.
► Teil 1: So viel kostet ein Kind
► Teil 2: Als Paar sein Geld verwalten
► Teil 3: Als Familie sparen und vorsorgen
► Teil 4: Geldanlage fürs Kind: Wie Eltern es richtig machen