Hinterher ist man bekanntlich immer klüger. Das gilt auch für den Autor dieser Zeilen. Im Oktober 2000 weckte ein Angebot der UBS mein berufliches und privates Interesse: Versprochen wurde ein detaillierter Finanzplan samt Analyse der aktuellen Situation und möglicher Optionen für später. Ein Berater kam ins Haus. Meine Frau und ich leisteten den Eid der finanziellen Offenbarung.
Drei Wochen später präsentierte man uns das Werk – ein dickes Buch mit 101 Seiten, vielen Tabellen, bunten Grafiken, einer Vorsorgeanalyse und der Beschreibung diverser Szenarien wie des Renten- oder des Kapitalbezugs aus der zweiten Säule und des Abschlusses einer Einmaleinlage in eine fondsgebundene Versicherung inklusive Anlagestrategie für die freien Mittel. Diesen Beratungsdienst liess sich die UBS mit genau 2024.60 Franken vergüten.
Was ist aus dem Finanzplan geworden? Wie vorgeschlagen habe ich Geld in meine Pensionskasse (PK) nachgezahlt. Dies über mehrere Jahre verteilt, um mehrfach vom Steuervorteil der PK-Einzahlungen zu profitieren. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Statt 5 Prozent Zinsen aufs Sparkapital meiner zweiten Säule wie im Jahr 2000 gab es letztes Jahr noch 2,5 Prozent, und das nur auf den obligatorischen Teil. Der grössere Rest meiner Nachzahlungen blieb unverzinst, um eine drohende Unterdeckung der PK abzuwenden.
Für gebeutelte Pensionskassen kann der Berater nichts, aber der Worst Case war in seinem Finanzplan schlicht nicht vorgesehen. Der Hinweis «Diese Berechnungen bieten keine Gewähr einer künftigen identischen Entwicklung» ist zu wenig. Ebenfalls nicht vorgesehen war der Börsentaucher 2001 und 2002. Ende 2005 haben sich Aktien und Fonds zwar vom Crash wieder weitgehend erholt. Bis das Portfolio aber den Stand gemäss Finanzplan erreicht, braucht es noch etliche Jahre mit überdurchschnittlicher Performance. Für die prognostizierte Rente aus der zweiten Säule hilft wohl nur das Prinzip Hoffnung. Vom damaligen Finanzplaner haben wir übrigens nichts mehr gehört.
Glaubt man den Angaben der zwölf Finanzdienstleister in der BILANZ-Umfrage (siehe PDF unten), ist heute alles anders und viel besser. Die Beratung erfolge «klar strukturiert, mit konsistentem Ansatz nach den Bedürfnissen der Kunden. Die Ziele und Strategien werden in regelmässigen Kontakten zwischen dem Berater und dem Kunden fortwährend beurteilt und bei Bedarf angepasst», heisst es nun etwa bei der UBS. Die Credit Suisse verspricht eine «ganzheitliche Beratung» in fünf Schritten. Der Kunde werde ständig betreut, also «während der Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen und auch danach». Das Angebot der Migrosbank wiederum «basiert auf modernen Softwarelösungen, welche die persönliche Beratung ideal ergänzen und so zu einem professionellen und kompetenten Beratungsresultat führen». Die Finanzplaner für Private rühren also nicht sachte die Werbetrommel, sondern schlagen die Pauke.
BILANZ wollte wissen, was hinter den schönen Worten steckt, und fragte bei einem Dutzend Anbieter konkret nach.
Die Ausgangslage für den Vergleich: Ein kinderloses Paar wünscht einen Finanzplan; beide sind berufstätig und Anfang 50, mit den üblichen Sozialversicherungen, zweiter und dritter Säule sowie Wohneigentum und Vermögen. Als Variante soll eine Frühpensionierung ab 60 durchgerechnet werden. Alle angefragten Finanzdienstleister antworteten (die «Winterthur» aber mit der Einschränkung auf reine Vorsorgeberatung – wer Vermögensverwaltung will, wird an die Mutter, die CS, verwiesen).
Das Erstgespräch ist überall gratis, bringt aber für durchschnittlich informierte Kunden meist nicht viel mehr als eine grobe Auslegeordnung. Hier werden die Daten erfasst zum privaten Budget, zum Versicherungs- und Anlageportfolio, zur zweiten und dritten Säule, zu Steuern und Hypothekarzinsen. Konkreter wird es erst, wenn Soll-Situationen und Lösungsvarianten definiert sind: Wie viel Geld lässt sich auf die Seite legen? Bestehen Deckungslücken bei Versicherungen, AHV und der zweiten Säule? Soll das Kapital oder eine Rente bezogen werden? Kann mit zusätzlichen Einkäufen eine Rentenkürzung bei Frühpensonierung vermieden werden? Lässt sich das Ganze überhaupt finanzieren? Was ist, wenn Unvorhergesehenes geschieht? Wie risikobereit ist man? Wo will man später seinen Ruhestand geniessen? Ist der Partner gut abgesichert? Das sind die wichtigsten Fragen, die geklärt werden müssen.
Die Tabelle auf Seite 119 bietet eine Übersicht über die wichtigsten Anbieter.
Die Gesamtberatung ist bei Migrosbank, Helvetia, «Winterthur» und «Zürich» gratis. Wobei sich die Versicherer mit ihrer Provision schadlos halten, wenn es zum Vertragsabschluss kommt. Die CS berät ihre Kunden ebenfalls gratis, verlangt aber bei reinen Beratungskunden eine «Schutzgebühr» von 1500 Franken. Die Bâloise, der Finanzplaner Jürg M.Lattmann und Raiffeisen lassen mit sich über das Honorar reden, wenn ein Mandat zur Vermögensverwaltung erteilt oder eine «Hauptbankbeziehung» (Raiffeisen) eröffnet wird. Die UBS macht zu dieser Frage keine Angaben.
Bei Swiss Life, dem VZ VermögensZentrum und der Zürcher Kantonalbank (ZKB) sind Beratungskosten nicht verhandelbar. Warum? «Beratung und Umsetzung sind bei uns strikte getrennt», heisst es beim VZ. Die ZKB will die «objektive Betrachtungsweise» nicht untergraben, Swiss Life möchte «produkteunabhängig» beraten, sprich ihrer Klientel nicht nur hauseigene Fonds und Versicherungen andienen. Man fühle sich dem Best-in-Class-Ansatz verpflichtet – was selbstverständlich auch alle Gratisberater für sich reklamieren.
Wer sich für eine Gesamtberatung entscheidet, muss in unserem Beispiel bei den kostenpflichtigen Anbietern mit Stundenansätzen zwischen 180 und 220 Franken und einem Total von 1500 bis 6500 Franken rechnen. Werden nachträglich zusätzliche Szenarien gewünscht, etwa zu Steueroptimierungen, Erbschaftsfragen oder zu Liegenschaften, dann steigt entsprechend auch das Honorar. Bei den meisten dieser Anbieter kann der Kunde zwischen Kostenpauschale oder Rechnung nach Aufwand wählen. Einen schriftlichen Kostenvoranschlag liefern nicht alle. Wer insistiert, bekommt ihn jedoch.
Alle bieten eine Betreuung für die Umsetzungsphase an, entweder standardisiert oder auf Wunsch des Kunden. Womit sich die Frage stellt, ob sich die Klientel auch an die vorgeschlagenen Finanzpläne hält. Doch entweder gibt es dazu keine Daten, sie bleiben Betriebsgeheimnis, oder die Antworten fallen beliebig aus: Die Kunden hielten sich «gut» an die Empfehlungen, heisst es etwa bei der UBS. Etwas konkreter wird man beim VZ: Zwei von drei Klienten setzten die Pensionsplanung um.
Den Finanzexperten an den Universitäten in Basel und St. Gallen sind keine wissenschaftlichen Studien zum Thema bekannt. Laut Klaus Spremann, Professor am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen an der Universität St. Gallen, gibt es indes «eine grosse Evidenz der Banken». Sie zeige, dass die «meisten Personen einen persönlichen Finanzplan nicht so ernst nehmen». Mitschuldig daran seien Finanzplaner, die meistens nur ein Szenario zeigten und finanziell detailliert aufschlüsselten. Die meisten «wollen aber kein finanzielles Gefängnis und legen deshalb die Pläne schnell zur Seite», so Spremann.
Finanzdienstleister profitieren vor allem, wenn ein Auftrag zur Vermögensverwaltung erteilt wird. Da geht es ums grosse Geld, denn in den Depots sowie der zweiten und der dritten Säule der Eidgenossen liegen Hunderte von Milliarden. Hier lohnt es sich für die Kunden, die Konditionen genau miteinander zu vergleichen – nicht nur die Verwaltungsgebühren, sondern ebenso die Höhe der Courtagen und der Gebühren für Währungswechsel oder die Ausgabeaufschläge und Rücknahmekommisionen für Anlagefonds.
Die Palette reicht von Preismodellen mit oder ohne Erfolgsbeteiligung (Bâloise) über All-in-Fee-Lösungen je nach Vermögen und Anlagekategorie (Migrosbank) bis zu fondsbasierten Portfolios ohne Ausgabenaufschläge (VZ). Allein ob jemand für eine Million 0,6 oder 1,4 Prozent Verwaltungsgebühr zahlt, macht bereits eine Differenz von 8000 Franken aus. Pro Jahr. Und meist unabhängig davon, wie erfolgreich das Portfolio betreut wird. Übrigens sind auch Gebühren längst nicht mehr in Stein gemeisselt, sondern oft Verhandlungssache.
Sind Finanzpläne für Private ihr Geld wert? Manuel Ammann, Professor am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen in St. Gallen: «Eine gute Finanzplanung und eine seriös durchgeführte strategische Asset Allocation sind robust gegenüber der Volatilität der Börse. Strategien, die bei der nächsten Drehung des ‹Börsenwindes› in sich zusammenfallen, erfüllen dieses Kriterium nicht.»
Beratung: Zwischen 0 und 6500 Franken: Grafik als PDF herunterladen (PDF 63 kb)