Die Zahl der ICOs boomt, die Schweiz ist ein Hub des Trends. Doch es fehlt an einer gesicherten Rechtsgrundlage für diese neue Form der digitalen Kapitalbeschaffung – hierzulande und international. Die Branche blickte darum mit einiger Spannung auf die Finma, die für Anfang Februar Richtlinien in Aussicht gestellt hatte, die Klarheit schaffen sollten. Am Freitagmittag stellte die Finma diese Wegleitung vor – und enttäuscht.
«Die Themen der Finma-Wegleitung sind die richtigen. Doch ist sie zu wenig konkret», sagt Thomas Linder, Partner bei der Rechtsberatung MME, eine der führenden Kanzleien mit Blockchain-Expertise in der Schweiz. «Die Einordnung von dezentralen Blockchain-Projekten ist zu wenig definiert.»
Unterschiedliche ICOs
Im aktuellen Krypto-Hype war dies eine der Hoffnungen an die Guidance der Finma: dass sie die Ausgabe von Kryptowährungen von Projekten trennt, die technologischen Nutzen bringen. Jetzt ist immer noch ein Stück weit offen, welche Art von Projekten zum Beispiel unter das Geldwäschereigesetz fallen.
Zur Erinnerung: Bei einem ICO überweisen Investoren eine Summe an die Organisatoren des ICO. Üblicherweise in einer Kryptowährung, häufig Ether oder Bitcoin. Im Gegenzug erhalten sie ein sogenanntes Token, das auf Blockchain basiert. Dieses Token kann nun unterschiedliche Funktionen haben.
Finma unterscheidet drei Funktionen
Die Finma unterscheidet hier drei verschiedene Funktionen: Zahlungstoken, Nutzungstokenund Anlagetoken. Zahlungstoken, das wären Kryptowährungen wie Bitcoin. Anlagetoken wären das Blockchain-Äquivalent für Wertpapiere. Nutzungstoken dagegen eröffnen Zugang zu einem digitalen Nutzen oder einer Dienstleistung – was das bedeutet, wird nicht genauer ausgeführt.
Dabei ist gerade diese Frage für viele ernstgemeinte Projekte im Kryptovalley Zug relevant – weil so geklärt wäre, ob ICOs mit technischem Nutzen überhaupt unter das Geldwäschereigesetz fallen, das entsprechende Sorgfaltspflichten mit sich bringt. Nach Überzeugung von Rechtsexperten Thomas Linder wäre das nicht der Fall, doch die Wegweisung bleibt hier unklar. Sie hält fest: «Bei Nutzungstoken kann im Einzelfall eine Unterstellungspflicht ausser Betracht fallen». Das klingt eher nach Ausnahme denn als Regel.
Chance auf Rechtssicherheit verpasst
Linder hält fest: «Der Text spricht Nutzungs-Tokens tendenziell auch eine potentielle Zahlungs-Funktion zu. Das greift zu kurz und verfehlt den Zweck von dezentralen Blockchain-Projekten.» Eine verlässliche Grundlage haben Organisatoren von ICO so nach wie vor nicht, stattdessen müssen sie sich weiterhin an den Einzelfallentscheidungen der Finma orientieren. Linder sieht eine verpasste Chance: «Mit dieser Wegleitung hat sich die Rechtsunsicherheit eher verfestigt.»