Schade, dass die Älteren die Erfahrung haben, aber nicht mehr den Mut», sagt Gottfried Heller zu Beginn seines Vortrags. Er kann sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Es amüsiert ihn offensichtlich, dass das von André Kostolany geklaute Zitat eigentlich auf ihn selbst zutrifft. Heller ist gerade 70 geworden. 70 und kein bisschen leise. 40 Jahre lang organisierte der Deutsche für seinen Geschäftspartner Börsenvorträge. Dieser war kein Geringerer als besagter Kostolany, Showman, Selfmade-Millionär und Börsenguru in einem. Anfang der siebziger Jahre begannen die beiden damit, unbedarften Investoren das «Einmaleins der Börse» einzutrichtern. Und obwohl auch Heller Vorträge hielt, blieb er als Organisator und Portfoliomanager im Hintergrund. 1987 warnte er vor dem Börsencrash.
Heute tritt Heller aus dem Schatten seines 1999 verstorbenen Freundes heraus. Der Leistungsausweis mit seinem Fonds für Schwellenländer: 27,5 Prozent Rendite im vergangenen Jahr, 47,9 Prozent innert dreier Jahre. Den Benchmark schlägt er regelmässig. Also keine Anzeichen dafür, dass den Börsenveteranen mit zunehmendem Alter der Mut verlassen hätte. «Der Vorteil von jemandem meines Alters ist, dass man sich an Dinge erinnert, die in der Vergangenheit funktioniert haben», holt Heller aus. «Und ich habe weiss Gott schon vieles an der Börse gesehen.»
Heller gehört einer seltenen Spezies an, nämlich jener Gattung von Fondsmanagern, die den Mut haben, ihren eigenen Anlagestil durchzusetzen – und damit auch erfolgreich sind. Dagegen klammert sich die Mehrheit der überzahlten «Finanzprofis» an den Benchmark. Auch diese Strategie hat Methode: Fondsmanager, die mit ihren Aktien den Index abdecken, laufen nicht Gefahr, schlechter als besagter Index abzuschneiden. Doch weshalb braucht es dann noch Fondsmanager? Die Statistik spricht gegen die Branche: 80 Prozent aller europäischen Aktienfonds schnitten in den letzten fünf Jahren schlechter ab als die Aktienmärkte, in die sie investierten. Über zehn Jahre waren es sogar 89 Prozent. Ähnlich das Bild bei Aktienfonds, die sich auf den amerikanischen oder den globalen Aktienmarkt konzentrieren.
Der Fondsspezialist Christian Schreckeis von E-Fundresearch zieht daraus den Schluss: «Anleger sollen auf Indexfonds setzen. Wehalb für einen aktiv gemanagten Fonds bezahlen, wenn er schlechter und noch dazu teurer ist als ein Indexprodukt?» Dies ist eine Möglichkeit, zugegeben nicht die schlechteste. Die zweite wäre, sich auf die Suche nach jenen zehn Prozent der «Supermänner» zu machen, die besser als der Durchschnitt abschneiden – was jedoch die Frage aufwirft, ob nicht Fondsmanager in der Statistik auftauchen, nur weil sie per Zufall einmal in zehn Jahren den Index geschlagen haben. Oder gibt es diese herausragenden Könner, die auf Dauer gute Ergebnisse bringen, gar nicht? Doch, es gibt sie – zum Glück für die Anleger und zur Rehabilitierung der Branche. So etwa rangiert der von Gottfried Heller gemanagte Pro Fonds (Lux) Emerging Markets über fünf wie auch über zehn Jahre stets auf den vorderen Rängen. Das gleiche Bild ergibt sich beim UBAM US Equity Value, dem DWS Vermögensbildungsfonds I oder dem European Growth Fund von Fidelity.
Vier herausragende Fonds, geleitet von vier Fondsmanagern, die neben ihrer Fähigkeit, Geld zu vermehren, auch noch anderes verbindet. Etwa, dass alle beim Jungherrenclub definitiv keine Aufnahme mehr fänden und ein gehöriges Mass an Erfahrung mitbringen. Der Jüngste, Klaus Kaldemorgen, hat die 50er-Grenze überschritten, Marvin Schwartz könnte in drei Jahren in Rente gehen, und Gottfried Heller ist mit seinen 70 Lebensjahren noch immer jeden Tag im Büro. Zudem verrichten alle seit zig Jahren ihren Dienst beim gleichen Brötchengeber: Graham Clapp seit 21 Jahren für die weltgrösste Fondsgesellschaft, Fidelity, Klaus Kaldemorgen seit 23 Jahren für die DWS, der Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, und Marvin Schwartz seit 45 Jahren bei Neuberger Berman, einer US-Tochter von Lehman Brothers. Ausserdem verbindet sie auch, dass jeder der vier ins Schwärmen gerät, sobald er von seinem Job erzählt: «I don’t do it for money. I do it because I like it», so Marvin Schwartz stellvertretend für die anderen.
Und doch sind alle grundsätzlich verschieden. Sei es in Fragen der Anlagephilosophie, beim Verteilen von Anlagetipps oder beim Auftritt in der Öffentlichkeit. Clapp beispielsweise scheut die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Anfragen der Presse werden schriftlich behandelt. Von wem, weiss man nicht so genau. Sicher ist nur: nicht vom Meister persönlich. Solange die Performance stimmt, kann er sich dieses Primadonnengehabe leisten. Eine Berechnung der Fondsanalysten von E-Fundresearch hat gezeigt, dass der Fidelity European Growth Fund von 10 378 in der Schweiz, Deutschland und Österreich zugelassenen Fonds letztes Jahr am meisten Vermögen geschaffen hat.
Mit einer Performance von 14,5 Prozent im Jahr 2004 vermehrte Clapp das Investorenkapital um 2,6 Milliarden bei einem Fondsvolumen von 18 Milliarden Franken. Gegenwärtig ist der Fonds 24,7 Milliarden Franken schwer und damit der grösste Fonds in Europa. Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass Manager grosser Fonds in der Regel mehr Mühe haben, eine herausragende Performance zu erzielen, als solche mit kleinem Fondsvolumen.
Weitaus weniger unterkühlt als der Brite gibt sich der Deutsche Klaus Kaldemorgen. Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Fondsmanager bezieht zu allen Fragen Stellung. Er antwortet klar, pointiert und ohne Maulkorb. Und weil es ihm so viel Spass macht, über Aktien zu diskutieren, dauert das Gespräch schon mal doppelt so lange wie angedroht. «ABB ist unterbewertet …, Syngenta hat Potenzial …, die Rohstofffrage wird uns noch lange beschäftigen», sprudelt es aus ihm heraus. Sogar einen deftigen Seitenhieb lässt er sich nicht nehmen: «Die Übernahme von Hexal und Eon Labs durch Novartis war zu teuer. Aber immerhin ist man mittlerweile auch bei Novartis der Ansicht und damit meiner Meinung, dass Generika das Geschäft der Zukunft sind. So etwas ehrt mich dann doch.» Dass er mit solchen Statements den Unmut eines Daniel Vasella auf sich ziehen könnte, nimmt er gelassen hin.
Auch Selbstkritik ist dem mit vielen Awards überschütteten Westfalen nicht fremd. Darauf angesprochen, dass sein Fonds über die letzten zehn Jahre zwar eine dreistellige Rendite ausweist (293 Prozent), nicht jedoch über den Zeitraum der letzten fünf Jahre, holt Kaldemorgen tief Luft und antwortet entwaffnend ehrlich: «Das hätte ich den Anlegern gerne erspart. Ich könnte jetzt sagen, dass ich den Benchmark jedes Jahr geschlagen habe und die Anleger mit einem passiven Fonds viel mehr Geld verloren hätten. Aber dafür gibt es keine Entschuldigung. Auch wenn man vom Tiefpunkt wieder 100 Prozent aufgeholt hat.»
Solche Entschuldigungen muss Marvin Schwartz vom UBAM US Equity Value erst gar nicht hervorkramen. Selbst in den Jahren 2000/2001, als es mit dem US-Aktienmarkt abwärts ging, zauberte er eine Rendite von 16,5 Prozent herbei, auch zwischen 2002 und 2003 eine von 37,1 Prozent. Lediglich in den Jahren dazwischen gab es einen Taucher mit minus 19 Prozent, was die Gesamtrendite von 106 Prozent seit 1999 jedoch nicht gross schmälert.
Schwartz und sein Anlagestil lassen sich kurz und bündig beschreiben: Er ist USA-Fan und bullish auf den US-Aktienmarkt. George Bush könnte keine erhebendere Laudatio auf die amerikanische Wirtschaft und den US-Aktienmarkt halten als der New Yorker. Daneben beherrscht das schwarze Gold den Inhalt seiner Ansprachen. Was bedeutet, dass 27 Prozent des Fondsvermögens in amerikanischen Öltiteln stecken. «Wir werden niemals mehr einen Ölpreis unter 40 Dollar sehen, glauben Sie mir», verteidigt er seine Investments.
Ob das aufgesetzter Zweckoptimismus ist wie so oft bei Fondsmanagern oder einfach das Denken eines klassischen Contrarians, bleibt dabei offen. «Amerikanische Firmen verdienen immer mehr Geld und zahlen damit ihre Schulden zurück. Im Jahr 2000 lagen die Schulden der S&P-500-Unternehmen bei 29 Prozent der gesamten Assets. Heute liegen diese bei 20 Prozent.» Auch über die amerikanische Bankenlandschaft bricht Schwartz in Euphorie aus: «Diese ist so gesund wie noch nie.» Am Ende des Jahres wird man sehen, dass der S&P Index zwischen 15 und 20 Prozent gestiegen ist.» Welche Renditen die Aktienmärkte und vor allem die vier Goldjungs bis Ende des Jahres eingefahren haben, wird sich weisen. Immerhin spricht die Vergangenheit für die vier, im Gegensatz zu den anderen vielen tausend Möchtegern-Supermännern dieser Welt.