Wenn sich Regula Schaub Atukeren am Telefon meldet, dann kann es vorkommen, dass der Anrufer sie bittet, zum Leiter des Portfoliomanagements durchgestellt zu werden. Sie weist dann höflich darauf hin, dass dies nicht nötig sei – die Leiterin sei nämlich bereits am Apparat. Seit 1997 leitet sie das Portfoliomanagement-Team der Zürcher Kantonalbank (ZKB) und managt überdies die Obligationenfonds der ZKB.
Wie Regula Schaub Atukeren geht es in der Schweiz vielen Frauen im Fondsmanagement. Fast jede hat schon einmal die Situation erlebt, für eine Assistentin oder Sekretärin gehalten zu werden. «Es gibt Berufe wie Autorennfahrer oder Astronaut, in denen jeder einen Mann erwarten würde. Fondsmanager zählt eben auch zu dieser Kategorie.» So bringt Lucia Würmli, Fondsmanagerin bei Julius Bär, die Situation auf den Punkt. Gerade einmal 14 Prozent der in der Schweiz gemanagten Fonds liegen in der Verantwortung einer Frau, ermittelten die Betreiber des Fondsportals Fundlife. Kein Wunder, dass da mancher Kunde erst mal verwirrt ist, wenn er am Telefon auf eine der wenigen Fondsmanagerinnen trifft. Leider bleibt es oft nicht bei der kurzen Verwirrung. Immer wieder treten Kunden, Arbeitskollegen oder externe Partner diesen Frauen mit Skepsis gegenüber. Das Vorurteil, Frauen wären in Finanzangelegenheiten weniger kompetent als Männer, scheint sich weiter zu halten. Und so müssen viele Frauen im Fondsmanagement am Anfang ihrer Karriere sehr viel Energie dafür aufbringen, überhaupt ernst genommen zu werden.
Isabelle Armanville, Fondsmanagerin bei der Bâloise, hatte nie den Eindruck, dass ihre fachliche Kompetenz bezweifelt wurde. Dennoch musste sie sich erst daran gewöhnen, in einem von Männern dominierten Umfeld zu arbeiten. «Bei meinem jetzigen Arbeitgeber finde ich die männlichen Kollegen alle sehr nett. Bei anderen Häusern konnte es schon gelegentlich vorkommen, dass ein für Damenohren ungewohnt grober Umgangston herrschte. In solchen Situationen kann man sich als einzige Frau weit und breit durchaus mal isoliert fühlen», sagt die gebürtige Französin.
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Aber nicht nur die lieben Kollegen können ihren weiblichen Mitstreitern das Leben schwer machen, sondern auch externe Parteien, so wie es Silvia Marengo von der Clariden Bank erlebt hat. Die aus Argentinien stammende Fondsmanagerin erinnert sich an ihre erste Zeit im Fondsgeschäft: «Am Anfang hatte ich es schwerer. Da musste ich zum Beispiel einige Konflikte mit den Tradern durchstehen, die mir falsche Preise geben wollten. Bis ich geschätzt und respektiert wurde, musste ich viel kämpfen. Männer haben es in dieser Beziehung wohl etwas einfacher.»
Und schliesslich sind da die Kunden, die ihr Geld lieber einem Mann anvertrauen wollen als einer Frau. Eine aktuelle Studie der Universität Bern belegt, dass dies immer noch der Fall ist. Grundsätzlich würden sich zwar 95,1 Prozent der Befragten von einer Frau in Geldangelegenheiten beraten lassen. Tatsächlich haben aber nicht einmal zwölf Prozent eine Frau als Finanzberaterin oder Vermögensverwalterin (siehe «Guter Rat ist männlich» auf Seite 20). Durchgeführt wurde diese Untersuchung von Petra Joerg, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Finanzmanagement in Bern. «Ich habe schon selbst die Erfahrung gemacht, dass mir Inkompetenz in Geldangelegenheiten unterstellt wurde, nur weil ich eine Frau bin», berichtet Joerg, die zurzeit an ihrer Doktorarbeit über das Anlageverhalten von Männern und Frauen arbeitet.
Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Wissenschaftlerin aus Bern kamen drei Forscher des Betriebswirtschaftlichen Seminars der Universität Florida in den USA. Sie fanden heraus, dass sich Fondsanleger stark davon beeinflussen lassen, ob der Fonds von einem Mann oder von einer Frau gemanagt wird. Sie entscheiden sich dann lieber für Anlagefonds, für die ein Mann die Verantwortung trägt. Was zur Folge hat, dass die Nettozuflüsse zu Fonds mit weiblichem Management auffallend geringer sind als bei ihren männlichen Kollegen. Besonders gross sind die Unterschiede im ersten Berufsjahr. Von ähnlichen Anlaufschwierigkeiten berichten auch Fondsmanagerinnen in der Schweiz. Erst nach der Präsentation der ersten Ergebnisse nimmt die Skepsis dann ab. «Das ist der Vorteil im Fondsmanagement. Unsere Leistungen werden ganz objektiv beurteilt, da gibt es wenig Raum für Diskriminierungen», sagt Fondsmanagerin Würmli.
Einige Frauen bekommen trotz guten Ergebnissen weiterhin harte Kritik. So berichtet eine Fondsmanagerin, dass in diesem Fall die so genannten weichen Faktoren von ihren Kritikern ins Visier genommen wurden. Frauen seien grundsätzlich emotional und schwierig, wurde ihr zu verstehen gegeben. Dabei habe ihr auch nicht geholfen, in ihrem Auftreten männlicher zu werden und sich besser zu verkaufen. Denn dann habe man sie sogar als böse und schwierig bezeichnet. Nach Ansicht von Lucia Würmli rühren solche Reaktionen daher, dass es keine Rollenbeispiele für Frauen in Führungspositionen gebe und die Gesellschaft Frauen nicht dabei helfe, eine Männerkarriere zu machen. «Wenn man beispielsweise seine Kinder in eine Krippe gibt, um weiter arbeiten zu können, dann gilt man in der Schweiz ja gleich als schlechte Mutter», fügt Würmli hinzu.
Das ist vielleicht ein wichtiger Grund dafür, dass es im Fondsmanagement nur so wenige Frauen gibt. Denn genau wie in jedem anderen Job lässt sich der Beruf des Fondsmanagers nur unter erheblichem Aufwand mit Kindern verbinden. Vor allem weil die Infrastruktur dafür in der Schweiz nach wie vor ungenügend ist. «Zum einen ist die Kinderbetreuung sehr teuer. Hinzu kommt, dass man sich nach fixen Zeiten richten muss. Wenn die Kinderkrippe um sechs Uhr schliesst, hat man Pech, wenn man einmal länger arbeiten muss», sagt Monica Mastroberardino, die bei Vontobel Asset Management einen Obligationenfonds managt und selber zweifache Mutter ist. Im Fondsmanagement sind aber noch weitere Hürden vorhanden, denn die Möglichkeiten, in der Fondsbranche von zu Hause aus oder Teilzeit zu arbeiten sind immer noch sehr begrenzt. «Frauen müssen mit ihrem Arbeitgeber verhandeln, wenn es darum geht, etwas Unterstützung zu erhalten wie etwa durch einen Bloomberg-Terminal zu Hause oder flexiblere Arbeitszeiten», sagt Mastroberardino, «aber grundsätzlich steigt die Bereitschaft der Arbeitgeber dazu.»
Ein positives Beispiel gibt die Clariden Bank Gruppe. Hier arbeiten viele Frauen im Fonds- und Portfoliomanagement zu 80 Prozent. Zudem stellt die Bank die nötige Infrastruktur für einen Heimarbeitsplatz zur Verfügung. Auch Isabelle Armanville von der Bâloise hält es für möglich, dass der Beruf der Fondsmanagerin auch mit einer Familie zu vereinbaren ist: «Meine quantitative Strategie sieht eine monatliche Umschichtung des Portfolios vor. Natürlich beobachte ich auch täglich die Märkte, aber eine Halbzeitstelle wäre wohl trotzdem möglich, auch wenn ich dergleichen nicht anvisiere.» Doch abhängig vom Investmentansatz ist es sehr oft erforderlich, jeden Tag Umschichtungen im Fonds vorzunehmen oder zumindest die internationalen Bond- oder Aktienmärkte täglich zu beobachten. Hinzu kommen viele Firmenbesuche und Geschäftsreisen für Fondspräsentationen und Kongressbesuche. «Insgesamt bin ich ein bis zwei Monate im Jahr nicht zu Hause. Der Beruf des Fondsmanagers verlangt einem sehr viel Zeit und Engagement ab. Daran liegt es wohl, dass es in dieser Branche so wenige Frauen gibt», vermutet Aylin Suntay, Managerin des Pictet Telecom Fund.
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Dass sie bei ihrem Job fast nur von Männern umgeben ist, macht der gebürtigen Türkin nichts aus. «Ich meine, dass Männer sich inzwischen daran gewöhnt haben, dass Frauen den gleichen Job machen wie sie selbst. Zudem kann es mitunter auch Vorteile haben, mit weiblichem Instinkt in einer Männerdomäne zu arbeiten», sagt Suntay. Lucia Würmli von Julius Bär sieht das ähnlich: «Als Frau unterliege ich nicht den Regeln und Rahmenbedingungen, denen Männer unterworfen sind. So muss ich auch nicht ihre orthodoxe Denkweise annehmen.» Auch Martina Honegger-Romahn, Fondsmanagerin bei der Bank Vontobel, empfindet es als angenehm, in ihrem Bereich eine der wenigen Frauen zu sein: «Ich habe den Eindruck, dass man als Vorzeigefrau bis zu einem gewissen Grad besonders gehegt und gepflegt wird.»
Doch so empfindet das nicht jede Frau im Fondsmanagement. Isabelle Armanville kann sich vorstellen, dass es schön wäre, mehr weibliche Kollegen zu haben. Schon allein deswegen, weil Frauen grundsätzlich etwas andere Interessen haben. So interessiert sie sich wenig für Fussball, und das ist beim Mittagessen immer wieder ein viel diskutiertes Thema. Regina Reinert, die bei der Bank Hofmann für zwei Obligationenfonds verantwortlich ist, hat ihren eigenen Weg gefunden, sich in der Männerdomäne wohl zu fühlen: «Es ist schon etwas Spezielles, in einem Männerberuf zu arbeiten, aber man kann lernen, damit umzugehen. Da man als Frau in der Minderheit ist, unterstützt man sich eben ganz besonders.» Die Fondsmanagerin trifft sich regelmässig mit einem Kreis von Freundinnen, die alle Führungspositionen innehaben. Zusammen werden dann die Probleme beim Job besprochen und gemeinsam nach Lösungen gesucht. «Das ist sehr wichtig für mich, da ich bei der Bank für so spezifische Fragestellungen nur wenige Ansprechpartnerinnen habe», ergänzt Reinert.
Dabei täten die Banken gut daran, mehr Frauen im Portfolio- oder Fondsmanagement einzustellen. Denn immer wieder belegen Studien und Tests, dass Frauen bei der Geldanlage Männern in nichts nachstehen. Ganz im Gegenteil, sie gehen bei ihren Anlageentscheidungen umsichtiger und fundierter vor und lassen sich auch von kurzfristigen Marktbewegungen weniger leicht aus der Ruhe bringen. Die Obligationenspezialistin Mastroberardino hat das schon selbst beobachtet: «Nachrichten, die für die nächsten zwei Stunden von Bedeutung sind, bewegen Männer oft schon zum Handeln. Ich überlege da eher zweimal und wäge ab, wie relevant diese Nachricht tatsächlich ist. Am Ende des Tages stellt sich dann oft heraus, dass sich die Märkte wieder in den alten Bahnen bewegen, und die Männer haben sich mit ihren Umschichtungen im Depot einfach unnötige Arbeit gemacht.» Terrance Odean, Professor an der Universität von Kalifornien in Davis untersucht das Verhalten von Investoren an den Aktienmärkten. Dabei hat er herausgefunden, dass Männer ihre Depots erheblich öfter umschichten als Frauen und dass sie daher weniger Gewinn erzielen. Des Weiteren ergaben die Studien des Börsenpsychologen, dass Männer sich in viel höherem Masse selbst überschätzen als Frauen. Auch wenn beide Fehlentscheidungen treffen, glauben Männer immer noch, mehr zu wissen, als es tatsächlich der Fall ist.
Auch die deutsche DAB Bank überprüfte in einer umfassenden Studie das Anlageverhalten ihrer Kundinnen und Kunden. Das Fazit: Frauen handeln anders und besser. Im besonders schwierigen Börsenjahr 2001 erzielten sie eine deutlich bessere Performance als die Männer. Auch die DAB-Studie ergab, dass Männer an der Börse viel aktiver sind als Frauen. Im Börsenjahr 2001 führten die DAB-Kunden doppelt so viele Transaktionen durch wie ihre weiblichen Mitstreiterinnen. Schliesslich war die durchschnittliche Performance der Anlegerinnen um fast zehn Prozent höher als bei den männlichen Anlegern. Dabei konnten die Frauen sogar besser abschneiden als die Vergleichsindizes DAX (Deutscher Aktienindex) und der Nemax 50 (Neuer Markt).
Dennoch hält sich das Vorurteil, Männer seien Frauen in Geldangelegenheiten überlegen. Ein Grund dafür ist sicher, dass Männer sich besser verkaufen können als Frauen. «Männer können Leute besser überzeugen. Auch wenn sie vielleicht gerade einen Fehler gemacht haben, können sie sich positiv darstellen», sagt die Bâloise-Fondsmanagerin Armanville. Catrina Vaterlaus, Managerin eines Nachhaltigkeitsfonds bei der Bank Sarasin, hat den Eindruck, dass Männer die besseren Verkäufer sind: «Frauen sind einfach ehrlicher und geben auch mal einen Fehler zu. Da scheint es dann manchmal so, als würden Männer einen besseren Job machen.» Doch schliesslich werden sowohl Fondsmanager als auch Fondsmanagerinnen an ihrer Performance gemessen, und daran gibt es nichts zu beschönigen. Daher zahlt es sich aus, ehrlich zu sein. «Ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass sich Kunden nach einer Präsentation von mir explizit für meine Ehrlichkeit bedankt haben», erinnert sich Vaterlaus von der Bank Sarasin.
Diese Offenheit, die Umsicht bei Anlageentscheidungen und die hohe Motivation, die Frauen im Fondsgeschäft mitbringen, werden vielleicht dazu führen, dass sie ihren Status als Minderheit endlich loswerden. «Ich bin seit neun Jahren in der Schweiz. Seither hat die Zahl der Fondsmanagerinnen zwar zugenommen, aber das ist ein sehr langsamer Prozess», sagt Monica Mastroberardino von Vontobel Asset Management. Vielleicht wird sich dann in Zukunft auch niemand mehr darüber wundern, dass Frauen in der Fondsbranche nicht immer Sekretärinnen sind, sondern eben die Managerinnen. Und dann haben sicher auch die Verwechslungen am Telefon ein Ende.
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