«Welch ein Jahrgang», schrieb ich an dieser Stelle vor Jahresfrist, als ich auf 2012 zurückblickte. Nun ist das Börsenjahr 2013 noch weitaus besser ausgefallen: Der Dow Jones und der deutsche DAX schossen um rund ein Viertel in die Höhe, der japanische Leitindex Nikkei legte gar um über 50 Prozent zu. Da nimmt sich das Plus des Schweizer Blue-Chip-Indikators SMI von 20 Prozent fast bescheiden aus.
Angesichts der globalen Hausse war es keine grossartige Leistung, erfolgreiche Börsentipps abzugeben. Ich habe im vergangenen Jahr 45 Kaufempfehlungen gemacht, wovon deren 40 Kursgewinne aufweisen. Ein professioneller Performancecheck jedoch misst nicht nur die Gewinne, sondern richtet sich am jeweiligen Vergleichsindex aus. Und da brauche ich mich bei der Bilanzierung meiner Tipps nicht zu verstecken: Zwischen Oktober 2012 und September 2013 – eine spätere Bilanzierung macht keinen Sinn, da der Zeitraum der Messung zu kurz ist – schlug ich die Benchmark mit 69 Prozent all meiner Empfehlungen.
Mit meinen fünf gewinnträchtigsten Empfehlungen waren im Durchschnitt 79 Prozent zu verdienen, während die entsprechenden Benchmarks 17 Prozent zulegten (siehe «Performance-Check» rechts). Gleich um 105 Prozent legte der Top-Tipp Newron zu: Das von Stefan Weber geleitete italienische Biotech-Unternehmen hat erstmals in der Firmengeschichte für ein Produkt eine Marktbewilligung beantragt. Meine Empfehlung Basilea trug einen Profit von 85 Prozent ein. Unter dem Regime von CEO Ronald Scott ist die Biotech-Firma auf dem besten Weg zu schwarzen Zahlen.
Perfekte Turnarounds. Am meisten freute mich der Kursgewinn von 84 Prozent bei Hewlett-Packard (HP). Lange Zeit hatte ich vor HP gewarnt. Dann empfahl ich im Oktober 2012 die Titel für eine heisse Spekulation und schrieb: «Falls Konzernchefin Meg Whitman erfolgreich ist, wird sich der Kurs vervielfachen.» Nun sieht es danach aus, als ob der Turnaround tatsächlich gelingt.
Als weiteren Kandidaten für die Wende, ebenfalls mit hohem Risikogehalt, strich ich im Februar Kodak heraus. Der ehemalige Fotopionier hat im Herbst das Insolvenzverfahren verlassen. Ein Performancevergleich seit meiner Empfehlung ist nicht möglich; die Aktien wurden eingestampft, im September lud Kodak zum neuen IPO. Seither haben die Papiere der Amerikaner um nicht weniger als 80 Prozent zugelegt.
Ebenfalls eine Turnaround-Empfehlung war Kuoni; seit meinem Kauftipp vor Jahresfrist resultierte ein Plus von 45 Prozent. Der Reisekonzern hat in den ersten neun Monaten 2013 wieder zu schwarzen Zahlen zurückgefunden.
Hausseblind. Im Frühling, als die Börsen wochenlang unter Druck standen, riet ich zu defensiven Aktien, die Stabilität ins Depot tragen. Die von mir empfohlenen Nestlé tendierten seither seitwärts, Danone verloren sogar zehn Prozent. Nicht dass Nestlé-CEO Paul Bulcke oder Danone-Chef Franck Riboud plötzlich einen schlechten Job machten. Doch defensive Titel werden von Börsianern gemieden, wenn die Märkte wieder anziehen – was ab Mitte 2013 der Fall war.
Mein Hinweis auf stark überbewertete Aktien wie Ems-Chemie, Valora oder Twitter fruchtete im Haussefieber ebenfalls nichts. Erfolgreich dafür die Warnung vor Engagements in Silber und Gold oder Aktien wie Therametrics, Sony, Transocean sowie Kühne + Nagel. Sonst aber sieht die Bilanz bei meinen Verkaufsempfehlungen respektive -warnungen nicht allzu rosig aus. Alle 65 Kauf- und Verkaufstipps respektive -warnungen zusammengenommen, übertraf ich die Benchmark dennoch in zwei Dritteln aller Fälle. Das ist im Vergleich mit den Leistungen von Fondsmanagern – man möge mir die Selbst-Lobhudelei verzeihen – immer noch überdurchschnittlich.
Tour d’Horizon. Genug des Eigenruhms. Wie geht es in diesem Jahr weiter? Ich will Ihnen nun nicht einen detaillierten Börsenausblick liefern – den finden Sie in dieser BILANZ-Ausgabe (siehe «Hype statt Crash»). Dennoch möchte ich meine Sicht der Dinge kurz darlegen. Für die Börsen bin ich inzwischen einiges zuversichtlicher als noch vor Wochen. Die amerikanische Notenbank hat bewiesen, dass sie den schrittweisen Ausstieg aus der Politik des Billiggeldes schafft, ohne die Märkte gleich in Panik zu versetzen. Auch die Konjunktur hellt sich zunehmend auf, vor allem in den Vereinigten Staaten.
Dennoch bin ich gegenüber US-Aktien zurückhaltend. Die Bewertungen sind doch schon sehr hoch, viele Blue Chips weisen ein für 2014 geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von deutlich über 20 auf. Gerade in Amerika basierte die Börsenhausse weitgehend auf der Liquiditätsschwemme. Die Erwartungen auf höhere Unternehmensgewinne spielten dagegen kaum eine Rolle. Die Gewinnprognosen der Analysten für dieses Jahr sind verhalten – kein gutes Zeichen.
Für vorderhand wenig attraktiv erachte ich die Emerging Markets. Denn diese Länder werden am stärksten unter auch nur schon leicht steigenden Zinsen leiden. In Europa ist die Krise noch nicht vollständig überwunden, doch lassen sich Anzeichen ausmachen, dass es wirtschaftlich wieder aufwärtsgeht. Allerdings sind auch hier viele Aktien hoch bewertet.
Bis sich ein klarer Börsentrend herauskristallisiert, halte ich mich in erster Linie an heimische Aktien. In diesem Jahr dürften wieder vermehrt Blue Chips und Valoren von konjunktursensitiven Unternehmen im Mittelpunkt stehen. Mir gefallen Papiere wie Schindler, Holcim, SGS, Nestlé, Roche, Novartis, Givaudan, Richemont oder Swatch. Und dann natürlich die Dividendenkracher Banque Cantonale Vaudoise, Zurich, Swiss Re, Intershop oder Swisscom. Bankaktien fasse ich auch in diesem Jahr (noch) nicht an; aus diesem Sektor dürften weitere unangenehme Meldungen die Investoren verschrecken. Vor allem auf die Schweizer Grossbanken Credit Suisse und UBS wird noch einiges niederprasseln, denn der Druck aus den USA, der EU und der OECD nimmt zu.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch.