Zunehmend wollen Leser von mir wissen, was ich von Bergbahnaktien halte. Ich kann mir das frisch erwachte Interesse an diesen Valoren kaum erklären. Bergbahntitel waren einst en vogue, heute fristen sie ein Mauerblümchendasein. Das Gros der Betriebe fährt magere Renditen ein, verdient nur gerade während vier Wintermonaten gutes Geld. Bleibt der Schnee aus, sind Überlebensübungen angesagt. Und weil kaum finanzielle Polster vorhanden sind, hat sich vielerorts grosser Investitionsbedarf angestaut. Die meist ausserbörslich gehandelten Bergbahnaktien sind Liebhaberwerte, wechseln selten die Hand und sind höchstens mit Blick auf Naturaldividenden von Interesse.
Eine Ausnahme bilden zwei kotierte Valoren. Die Titlis-Bergbahnen sind übers ganze Jahr gut ausgelastet. Zwar brachte das im Oktober abgeschlossene Geschäftsjahr 2011/12 einen Ertragsrückgang um 20 Prozent, doch ist die Wintersaison gut angelaufen. Die vom Ex-Buchhalter veruntreuten 10,4 Millionen Franken sind verdaut. Mir gefällt das für dieses Jahr geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 8,4 – obwohl sich die Valoren über die letzten vier Jahre im Wert mehr als verdreifacht haben. Allerdings ist die Börsenkapitalisierung mit rund 100 Millionen minim, die Liquidität entsprechend gering.
Dagegen ist die Firmengruppe Jungfraubahnen mit diversen Betrieben im Berner Oberland – darunter das Aushängeschild, die Zahnradbahn auf das Jungfraujoch – umsatzmässig zweieinhalb Mal so gross wie Titlis-Bergbahnen, und der Börsenwert von gegen 400 Millionen lässt einen weitaus liquideren Handel zu. Das Unternehmen ist professionell geführt, das Marketing vor allem in Asien kann sich sehen lassen. Die Papiere haben über die letzten vier Jahre gut 80 Prozent zugelegt und sind mit einem KGV von 13,9 nicht übermässig teuer. Dennoch bleiben auch die Jungfraubahnen-Aktien Liebhaberwerte.
Kein Durchblick
Als vor der grossen Finanzkrise die Börsen boomten, waren die Anleger heiss auf alle nur denkbaren Formen von Derivaten. Kein Produkt war zu risikoreich, zu kompliziert, zu teuer. Mit dem Crash brachen auch die Derivatemärkte ein. Seither waren nur noch einfach gestaltete Produkte gefragt. Doch mit dem jüngsten Börsenaufschwung schneidern Banken und Finanzhäuser wieder fleissig hochkomplexe Finanzinstrumente. Wohlgemerkt, ich habe nichts gegen Derivate einzuwenden, solange sie der Absicherung dienen. Allerdings lässt die Mehrheit der strukturierten Produkte nur die Kassen der Banken klingeln. Hände weg, wenn ein Instrument derart kompliziert ist, dass man eine Gebrauchsanweisung nötig hätte. Handeln Sie nach dem Grundsatz des US-Anlegers Warren Buffett: «Ich kaufe nur, was ich auch verstehe.»
Gewinnende Aromen
«Die Aktien sind mit einem für 2013 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15,6 zwar nicht billig, bieten aber mittelfristig weiteres Potenzial», schrieb ich im September. Der Tipp ist schneller aufgegangen als erwartet; seither haben die Titel von Givaudan 22 Prozent zugelegt. Zwar notieren die Valoren knapp unter dem Allzeithöchst, doch auf längere Sicht sind sie noch nicht ausgereizt. Der Weltmarktführer bei Aroma- und Riechstoffen befindet sich nach einem schwierigen 2011 wieder in einer guten Verfassung; 2012 stieg der Umsatz um 8,7 Prozent, der Gewinn verbesserte sich um gegen zwei Drittel. CEO Gilles Andrier jedenfalls gibt sich zuversichtlich und stellt weiteres Wachstum in Aussicht.
Klar, ein Firmenchef muss Zuversicht versprühen. Dennoch ist Andriers Haltung nicht (nur) Zweckoptimismus. Sowohl der Bereich Aromen wie auch die Riechstoffe erfreuen sich einer guten Nachfrage. Die Erträge verbessern sich überdurchschnittlich, was steigende Margen bewirkt. Sehr gut läuft das Geschäft in den Schwellenländern. Viel Wachstum verspricht auch das speziell in den USA zunehmende Bewusstsein der Konsumenten gegenüber dem hohen Gehalt von Fett, Zucker und Salz in Lebensmitteln. Dank hoher Ausgaben für Forschung und Entwicklung ist Givaudan in der Lage, im noch jungen Geschäft mit alternativen Geschmackslösungen ganz vorne mitzumischen. Das verspricht weitere Kursgewinne. Und dank der kräftigen Dividendenerhöhung bieten die Titel mit 3,3 Prozent eine anständige Rendite.
Stilvolle Aktien
«Ein Blutegel am Hals von Boss». So habe ich vor fünf Jahren über Permira geschrieben. Die britische Finanzgesellschaft hatte damals als frischgebackener Mehrheitsaktionär von Hugo Boss gleich mal kräftig in die Kasse gelangt und eine Sonderausschüttung von 345 Millionen Euro durchgesetzt. Gegen den Willen des Managements, das darauf prompt ausgewechselt wurde. Meine schlimmsten Befürchtungen haben sich dennoch nicht bewahrheitet. Ja Permira hat seither über ihre Tochter Red & Black, die zwei Drittel der Boss-Aktien hält, kräftig beim schwäbischen Edelschneider investiert.
Als oberster Schneider führt CEO Claus-Dietrich Lahrs die Nadel. Und seine Stiche sind fein gesetzt; seit drei Jahren ist erneutes Umsatz- und Ertragswachstum angesagt, für 2012 wurden Rekordresultate vorgelegt. Vor allem das Schlussquartal brachte starke Zahlen. Die Analysten sind denn auch positiv gestimmt und bescheinigen der Modefirma ein gutes Wachstumspotenzial. Ich habe meine Vorbehalte gegenüber Permira noch nicht völlig abgelegt. Zudem finde ich es generell schlecht, wenn bei einer kotierten Firma ein Aktionär zwei Drittel der Titel kontrolliert. Dennoch haben die Aktien ihre Reize. Nach den starken Kurssteigerungen der letzten Monate sind sie jedoch mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 nur auf lange Sicht interessant.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
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