Die Bilder der Verwüstung und des Leids, die uns aus Japan erreichen, haben die Menschheit aufgeschreckt. Völlig von der Rolle waren auch viele Anleger; sie wussten tagelang nicht, wie sie auf das fast apokalyptische Szenario reagieren sollten. Nun neigt der Mensch dazu, schlimme und unversehens eingetretene Ereignisse überzubewerten. Nach wenigen Tagen kehrte an den Märkten denn auch wieder Besonnenheit ein. Die jüngsten Ereignisse an den Börsen haben eine alte Erfahrung bestätigt: Panik ist ein schlechter Ratgeber.

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Die langfristigen ökonomischen Auswirkungen lassen sich zwar noch nicht klar abschätzen. Doch sie dürften, so zeigen es die Erfahrungen aus anderen Naturkatastrophen, weitaus weniger drastisch ausfallen als erwartet. Immerhin gilt es für Japan, einen Gesamtschaden von – je nach Schätzung – 180 bis 235 Milliarden Dollar zu decken. Nun ist das fernöstliche Land bereits schwer verschuldet, also muss irgendwo zusätzliche Liquidität lockergemacht werden. In den Tresoren lagern amerikanische Staatsanleihen für einige hundert Milliarden. Ein Teil davon muss wohl versilbert werden. Auf jeden Fall fällt Japan als Käufer von Treasury Bonds auf lange Zeit aus. Doch auch China hat signalisiert, dass man künftig weniger amerikanische Staatstitel erwerben will.

Das sind Bad News für den US-NotenbankchefBen Bernanke. Noch pumpt er voll Rohr Geld in die Wirtschaft, hält die Zinsen tief – und macht damit den Dollar schwach. Doch wenn die beiden bisherigen Hauptfinanzierer der Staatsschulden in Kaufstreik treten, muss Bernanke die Zinsen kräftig erhöhen, ob er nun will oder nicht. Das ist Gift für die Aktienmärkte. Dazu gesellen sich weitere Stimmungsdämpfer wie die anhaltend schwelende Euroland-Schuldenkrise, der steigende Ölpreis oder die labile politische Lage in Nordafrika und im Nahen Osten. Uns stehen unruhige Börsenzeiten bevor. Ich halte mich vorderhand an defensive Schweizer Aktien wieNestlé, Novartis oderSwisscom. Interessant bleiben auch Titel mit hoher Dividendenrendite, beispielsweiseBâloise, Helvetia, Mobimo, Swiss Re oderVontobel.

Erhitzt. Die Zwischenfälle im japanischen Atomkraftwerk Fukushima haben die Diskussion um Atomstrom angeheizt. Beinahe panikartig warfen die Anleger alle Papiere auf den Markt, die etwas mit Atomkraft zu tun haben. So wurden die Titel der Betreiber sowie Hersteller von Atomkraftwerken zusammengestaucht. Doch auch die Minengesellschaften, die sich auf die Uranförderung spezialisiert haben, gerieten arg unter die Räder. Und derUranpreis, der über das letzte Halbjahr um etwa 80 Prozent gestiegen war, fiel innert kürzester Zeit um mehr als ein Drittel.

Ein erstaunlicher Absturz; der Handel dieses Rohstoffes findet im kleinen Kreis zwischen Förderern und Abnehmern statt. Die Anleger haben überreagiert. Denn in Ländern wie Russland oder China findet auch heute keine Debatte über den Ausstieg aus dem Atomstrom statt. Aktuell sind global 65 neue AKW im Bau. Kommt es in Japan nicht noch zum Super-GAU, wird die Atomdiskussion an Schärfe verlieren. Dennoch sind mir diese Aktien zu heiss.

Sonnige Tage. Während die Katastrophe in Japan zu einem weltweiten Börsenbeben führte und die meisten Aktien in die Tiefe riss, blühten die Valoren der Solarfirmen auf. Gerade deutsche Solarwerte schossen innert weniger Sitzungen um bis zu 100 Prozent in die Höhe. In der Schweiz gibt es nur zwei Vertreter dieser Branche. Die Titel vonMeyer Burger, einem Zulieferer für die Solarindustrie, gewannen vergleichsweise bescheidene 13 Prozent. Dafür haussierten die Valoren vonEdisun Power Europe – die Firma installiert und betreibt Solaranlagen – zeitweise bis zu 60 Prozent.

Nach den nuklearen Unfällen in Japan wird den erneuerbaren Energien erst recht viel Zukunftspotenzial bescheinigt. Nur ist die Stromproduktion aus Sonnenenergie und Windkraft, obwohl weltweit neue Anlagen nur so aus dem Boden schiessen, noch auf längere Zeit hinaus im Vergleich zu den traditionellen Stromherstellern wenig wettbewerbsfähig. Viele Länder halten deshalb mit Milliardenzuschüssen die Solarunternehmen am Leben. Doch es wird immer mehr gespart; Deutschland beispielsweise, wo Fördergelder höchst grosszügig flossen, hat bei den Zuschüssen ein Streichkonzert angestimmt.

Langfristig bin ich durchaus positiv eingestellt gegenüber Solaraktien. Kurzfristig dagegen verleiht die Sonnenkraft, so steht zu befürchten, den Solaraktien nur vorübergehend Schub. Die Hausse von Edisun Power Europe wurde denn auch von Aktionären zu Gewinnmitnahmen genutzt. Die Papiere des KMU stehen seit dem Börsengang im Herbst 2008 unter Druck. Ich glaube nicht, dass die Firma die Kraft hat, eigenständig zu bleiben. Besser gefallen mir Meyer Burger. Als Zulieferer trägt das Unternehmen weitaus geringere Risiken als die Betreiber von Solaranlagen. Die Firma hat jüngst imposante Umsatz- und Gewinnzuwächse veröffentlicht, die Auftragsbücher sind proppenvoll. Zwar sind die Valoren mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18,2 nicht günstig, auf mittelfristige Sicht jedoch vielversprechend.

Neue Energie. Nicht wenige Aktionäre vonGeneral Electric (GE) haben sich schonJack Welch zurückgewünscht. Die Managerlegende sorgte während 20 Jahren an der Spitze des Industriegiganten für gute Resultate und steigende Aktienkurse. Sein Führungsstil machte GE einst zum teuersten Unternehmen der Welt. Unter der Ägide vonJeffrey Immelt, Präsident und CEO in Personalunion sowie einer der Wirtschaftsberater von US-PräsidentBarack Obama, verschob der Mischkonzern sein Augenmerk zunehmend ins Finanzgeschäft. Die Finanzkrise wirkte sich denn auch beim US-Konzern verheerend aus; die wichtige SparteGE Capital trug Riesenverluste ein, der Staat musste mit Infusionen die Pleite abwenden.

Nach Jahren schlechter Zahlen präsentiert sich der Mischkonzern seit einigen Monaten in neuer Stärke. Für das Schlussquartal 2010 wurde ein Gewinnsprung gemeldet, seit vergangenem Herbst legen auch die Aktien wieder zu. Bis zur Katastrophe in Japan: GE hat den Reaktor Fukushima 1 mitentwickelt, die Aktien wurden heftig abgestraft. Nur glaube ich nicht, dass das Unternehmen im Atomgeschäft einen Imageschaden davonträgt. Zudem ist der Konzern im Strommarkt breit aufgestellt. Der Kursrückschlag ist eine Kaufgelegenheit: GE weisen für 2011 ein attraktives Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 auf.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch