Aus heiterem Himmel hat Nationalbank-Präsident Thomas Jordan den Mindestkurs des Frankens gegenüber dem Euro fallen gelassen. Die Anleger gerieten in Panik und verkauften ihre Aktien en masse. Innert zwei Tagen stürzte der SMI um 15 Prozent ab, 150 Milliarden Franken lösten sich in Rauch auf. Kaum ein Unternehmen, das nicht direkt oder indirekt von der neusten Frankenstärke betroffen ist.

Doch Panik ist fehl am Platz. Schweizer Aktien haben zwar etwas an Attraktivität eingebüsst. Auch wird sich die Börse vom Aufwertungsschock nicht so schnell erholen. Dennoch bin ich für die nächsten Jahre positiv gestimmt. Die Unternehmen haben bewiesen, dass sie auch mit einem starken Franken gute Erträge zu erwirtschaften wissen. Die überbewertete Währung hat die Wirtschaft ja gerade dazu angestachelt, ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeiten weiter zu verbessern. Zudem können Schweizer Firmen nun im Ausland günstiger auf Akquisitionstour gehen. Auch Rohstoffe, Öl und andere Materialien können sie billiger einkaufen.

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Ohnehin gibt es weiterhin keine echte Anlagealternative zu Dividendenpapieren, und die neuen Währungsrelationen sind in den Aktienkursen eingepreist. Ausserdem haben sich frische Einstiegsmöglichkeiten eröffnet für Investoren, die über die letzten Monate wegen zu hoher Kurse mit Käufen zugewartet haben. Nicht zuletzt haben die tieferen Aktienpreise die Dividendenrenditen angehoben.

Top-Qualität

Ich halte mich auch unter den neuen Rahmenbedingungen in erster Linie an heimische Blue Chips. Attraktiv bleiben Swiss Re und Zurich; die hohen Dividendenausschüttungen und damit die saftigen Renditen sollen bestehen bleiben, wie beide Unternehmen verlauten lassen. Stabilität ins Wertschriftendepot bringen Nestlé, SGS, Schindler oder Givaudan. Zu stark nach unten geprügelt wurden die Titel von Holcim; das Unternehmen ist geografisch breit aufgestellt und produziert vor Ort, ist also von der Frankenstärke gar nicht so schmerzhaft betroffen.

Die exportorientierten Uhren- und Luxusgüterkonzerne Swatch Group sowie Richemont dagegen gehören zu den Hauptverlierern der Frankenstärke. Swatch-Chef Nick Hayek (60) hat die Nationalbank denn auch lautstark kritisiert und von einem «Tsunami für die Exportindustrie» gesprochen. Kurzfristig kommen die Erträge zwar unter Druck, doch mittel- bis langfristig bleiben die Aussichten rosig. Beide Valoren eignen sich besonders für Anleger, die viel Zeit mitbringen. Zu den grossen Exporteuren gehören die Basler Pharmakonzerne, wobei Novartis – die Bücher werden in US-Dollars geführt – vom Frankencrash etwas weniger tangiert ist als Roche. Dennoch gehören beide Aktien in ein diversifiziertes Portfolio.

Unter der neuen Währungssituation erst recht ein No-Go sind die Grossbankentitel UBS und CS wie auch andere Bankenpapiere. Bei Aktien der Maschinenindustrie bin ich vorderhand ebenfalls zurückhaltend, denn diese Branche wird stark leiden.

Billiger einkaufen

Eines jener Unternehmen, bei denen die negativen Auswirkungen der Frankenaufwertung durch günstigere Rohstoffeinkäufe im Ausland grösstenteils wettgemacht werden, ist Clariant. Zudem produziert der Spezialchemiekonzern weitgehend im Währungsgebiet der jeweiligen Absatzmärkte. Laut Berechnungen der Zürcher Kantonalbank stellt sich der Kostenanteil in Franken lediglich auf fünf Prozent. Mir gefällt das Unternehmen aus Muttenz noch aus anderen Gründen. Während des jahrelangen Umbaus wurde rund ein Drittel der Aktivitäten mit schwachen Margen abgestossen und durch ertragskräftigere Geschäfte ersetzt. Diese Restrukturierung hat Clariant auch gegenüber Währungsschwankungen widerstandsfähiger gemacht.

Nun kann die Firma mit der Ernte beginnen. Die Zahlen für die ersten neun Monate jedenfalls sind vielversprechend: In Landeswährung stieg der Umsatz um acht, in Franken um vier Prozent. Der Nettogewinn dagegen schrumpfte um über die Hälfte, eine Folge von Sondereffekten. Werden diese ausgeklammert, dann verbesserte sich der Gewinn pro Aktie um ein Fünftel. Die von CEO Hariolf Kottmann (59) einst in Aussicht gestellte Ebit-Marge von 16 bis 19 Prozent ist nach den jüngsten Ereignissen in diesem Jahr aber kaum mehr zu bewerkstelligen. Mittelfristig jedoch dürften spürbare Verbesserungen beim Ertrag zu erwarten sein. Die Aktien sind mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12,1 vergleichsweise tief bewertet – für mich ein klarer Kauf.

Blick in die USA

Die Aufgabe des Mindestkurses hat auch etwas Gutes: Die Verzerrungen gegenüber den wichtigsten Währungen sind weg, nun spielen wieder die Marktkräfte. Die anziehende Konjunktur in den USA verspricht ausser Kurs- auch Währungsgewinne. Neben Blue Chips wie Coca-Cola, DuPont, Intel, Merck, Apple oder Microsoft gehören zwei Titel zu meinen Favoriten, die in den letzten Monaten viel Haue bezogen haben. General Electric leidet unter dem sinkenden Ölpreis, der im Energiegeschäft schadet. Auch die von Konzernchef Jeff Immelt (58) eingeleiteten Bereinigungen in den Geschäftsfeldern sind an der Börse noch nicht angekommen. Sie sollen die Abhängigkeit von der Finanzierungssparte reduzieren. Die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft ist zu begrüssen. Die GE-Aktien werden mit einem KGV von 12,2 unterschätzt. Auch die Dividendenrendite von 3,8 Prozent ist nicht ohne.

Eine nicht minder interessante Spekulation ist IBM. Ich habe die Valoren im August hinsichtlich eines möglichen Turnarounds risikofreudigen Anlegern mit langfristigem Blickwinkel empfohlen. Ein Tipp, der – bis jetzt – in die Binsen ging; seither sind Big Blue um 17 Prozent abgeschmiert. Mein Glaube an den weltgrössten IT-Dienstleister ist ungebrochen. Der Konzern hat zwar wichtige Technologietrends verschlafen. Aber Konzernchefin Virginia (Ginni) Rometty (57) gibt Gas, hat über die letzten Jahre 24 Milliarden Dollar in die Strukturbereinigung investiert und legt den Fokus auf junge, vielversprechende Technologien und Dienstleistungen. Mit einem KGV von 9,5 sind die Aktien unterbewertet, doch verlangt der Einstieg eine Portion Mut.

*Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch.