Schweizer Grossbankaktien erleben stürmische Zeiten. Zeigt die Börse nach oben, gehören UBS und Credit Suisse zu den Tagesgewinnern. Steht der Markt unter Druck, weisen beide Titel die heftigsten Verluste auf. Die Investoren sind verunsichert, was sich in einem Hüst und Hott der Kurse bemerkbar macht. Als die im Regelwerk Basel III festgelegten neuen Kapitalvorschriften veröffentlicht wurden, zogen UBS und CS an. Als etwas später die Royal Bank of Scotland eine wenig positive Studie über die beiden Grossbanken veröffentlichte, rauschten deren Titel in die Tiefe. Nach kurzem Höhenflug genügten Tage später Gerüchte, wonach Merrill Lynch ihre Gewinnschätzungen für US-Investmentbanken nach unten korrigieren würde, um auch die Schweizer Banktitel auf Talfahrt zu schicken. Und als jüngst die bundesrätliche «Too big to fail»-Expertenkommission für UBS und CS Eigenmittelanforderungen vorschlug, die über den Mindestanforderungen von Basel III liegen, vermochten die Grossbanktitel zuzulegen. Im Markt waren härtere Vorgaben erwartet worden.
Weltweit bleibt der Handel mit Bankaktien von heftigsten Stimmungsschwankungen geprägt. Mit ein paar Ausnahmen lasse ich meine Hände von amerikanischen, britischen und deutschen Banktiteln. Dagegen ist die Ausgangslage für Schweizer Grossinstitute besser. UBS-Chef Oswald Grübel und CS-Lenker Brady Dougan haben ihre Häuser umsichtig durch die Finanzkrise geführt. Für sie sind die härteren Kapitalvorschriften eine Chance, um das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen. Dennoch sind die Aktien risikofreudigen Investoren vorbehalten, die sich über Jahre engagieren wollen.
Sprudelnde Performance. Rund 130 000 Studierende aus zwölf Industrienationen haben jüngst die weltweit beliebtesten Arbeitgeber gewählt. Google schaffte es locker auf Platz eins. Unter den Top Ten, die von Wirtschaftsprüfern und anderen Dienstleistern dominiert werden, sind nur zwei Industriekonzerne zu finden: Procter & Gamble und Coca-Cola. Wenn westliche Investoren die beliebtesten Aktien wählen dürften, würde es Coca-Cola wohl ebenfalls in die ersten zehn schaffen. Der Brauseriese aus Atlanta ist grundsolid finanziert, kann aus eigener Kraft wachsen, hat aber auch massig Cash für Akquisitionen und schüttet an die Aktionäre mehr als die Hälfte des Gewinns aus, was zurzeit einer Dividendenrendite von drei Prozent entspricht. Und das Beste: Umsätze und Gewinne sprudeln. Für mich gehören Coca-Cola zu den wenigen US-Aktien, die ich trotz kraftloser Konjunktur und schwachem Dollar kaufe.
Solid wie ein Fels. In derselben Umfrage nach den beliebtesten Arbeitgebern liegt Nestlé als bestplatzierte Schweizer Firma auf Rang 21. Und wie bei Coca-Cola zählen auch die Aktien des weltgrössten Nahrungsmittelproduzenten zu den beliebtesten. Nestlé ist ein Fels in der Brandung: Die Wirtschaft stottert, doch das Unternehmen aus Vevey liefert dennoch gute Resultate. Die Aktien halten sich auch in stürmischen Börsenzeiten gut; über die letzten zwölf Monate legten die Papiere rund 20 Prozent an Wert zu, während der SMI stagnierte.
Nestlé ist ein Phänomen. Während sich andere Unternehmen die Wunden der letzten zwei Jahre lecken, strotzt der Nahrungsmittelmulti vor Gesundheit. Das Management unter CEO Paul Bulcke hat gar ein Luxusproblem: Die Gesellschaft schwimmt im Geld. Seit Jahren werden für zig Milliarden eigene Aktien zurückgekauft, jüngst endete ein 25 Milliarden Franken schweres Programm. Doch der Verkauf der Alcon-Beteiligung spülte weitere 28,3 Milliarden Dollar in die Nestlé-Kasse. Weshalb vor zwei Monaten neue Rückkäufe angekündigt wurden, diesmal für 10 Milliarden.
Nestlé zählen unter den defensiven Titeln zu den Paradewerten. Keine Pensionskasse, keine Versicherung, kein Grossanleger kann es sich leisten, die Valoren links liegen zu lassen. In Haussephasen sind Nestlé zwar im hinteren Feld der Gewinner zu finden. In schwierigen Börsenzeiten dagegen ist auf diese Aktien Verlass. Zumal sie mit gut drei Prozent auch eine anständige Dividendenrendite abwerfen.
Ewige Jammerer. Im Geschäft mit der beruflichen Vorsorge ist viel zu verdienen. So wundert es nicht, dass die Branche über die effizientesten Lobbyisten gebietet. Auch in Journalistenkreisen. Dieser Tage war in vielen Zeitungen zu lesen, dass ein BVG-Mindestzins von zwei Prozent im aktuellen Anlageumfeld absurd sei. Schliesslich würden Bundesobligationen gerade mal 1,3 Prozent Rendite abwerfen. Das tönt ganz danach, als ob seriöse Pensionskassen ihre Gelder ausschliesslich in Bundesoblis anlegten. Wäre dies so, bräuchten wir keine Verwalter und könnten Bankiers, Versicherer, Buchprüfer, Berater oder Broker, die sich im Vorsorgegeschäft eine goldene Nase verdienen, zum Teufel jagen.
Doch muss das Vorsorgekapital diversifiziert in Aktien, Obligationen, Anlagefonds und Immobilien angelegt werden. Und dies unter sehr langfristigen Aspekten, denn die Versicherten sparen über 40 und mehr Jahre an. Zwar bewegen wir uns seit geraumer Zeit in einer Tiefzinsphase, und das erschwert die Arbeit der Vermögensverwalter. Langfristig gleichen sich Phasen tiefer Zinsen oder abbröckelnder Aktienkurse aber aus. Eine Pictet-Studie zeigt auf, dass seit 1926 Aktien 9,77 Prozent und Obligationen 4,53 Prozent rentiert haben – jährlich. Zwar resultierten 1990 bis 2009 miese Renditen. Dafür waren über die letzten drei Dekaden – die zweite Säule ist seit 26 Jahren obligatorisch – mit Aktien jährlich 9,17 und mit Bonds 4,67 Prozent zu verdienen.
Der Bundesrat hat den BVG-Mindestzins für 2011 auf zwei Prozent belassen – zum Ärger der Kassenverwalter. Nicht wenige möchten den Mindestzins gleich ganz abschaffen. Dadurch würden neue Ideen freigesetzt, die Versicherten kämen in den Genuss der Nettoüberschüsse. Das tönt gut. Nur würden die Versicherten der Null-Prozent-Verzinsung nie zustimmen; sie misstrauen den Kassenverwaltern. Darüber sollte sich die Vorsorgebranche einmal Gedanken machen.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch