Lange Zeit wollten Europas Anleger von US-Aktien nichts mehr wissen. Zu sehr sass ihnen der Schreck in den Knochen, weil die sich durch die globalen Finanzmärkte fressende Feuersbrunst in Amerika entzündet wurde. Doch seit Anfang März 2009 sind die weltweiten Aktienmärkte wieder auf Hausse gestimmt, zu den Hauptgewinnern zählt Wall Street. Und je bessere Konjunkturdaten aus den USA gemeldet werden, desto kräftiger langen auch europäische Anleger zu und kaufen Aktien aus Amerika.
Darob geht schnell vergessen, dass sich zu den üblichen Risiken bei Aktienengagements in den USA noch das Währungsrisiko gesellt. Und dieses ist weitaus grösser, als sich dies die meisten Investoren eingestehen wollen. Zwei Beispiele: Der Dow Jones Industrial (DJI) schoss über die letzten sieben Monate um 46,6 Prozent in die Höhe. In derselben Periode ging der Dollar von 1.171 auf 1.035 Franken zurück. Aus Sicht des Schweizer Anlegers gewann der DJI währungsbereinigt noch 29,6 Prozent, ein Drittel weniger. Noch krasser fällt die Rechnung über zehn Jahre aus; über eine Dekade betrachtet, verlor das Blue-Chip-Barometer 8,2 Prozent – währungsbereinigt resultierte ein Minus von 36,2 Prozent, also viermal mehr.
Einige Devisenexperten prognostizieren einen wieder erstarkenden Dollar. Allerdings wird US-Notenbankchef Ben Bernanke alles unternehmen, um ein Erstarken der eigenen Währung zu verhindern. Somit bleibt das Währungsrisiko bestehen. Nicht dass ich aus diesem Grund von US-Aktien abrate. An Blue Chips wie IBM, Microsoft, Procter & Gamble, Johnson & Johnson, Coca-Cola, McDonald’s und anderen kommt auch der Schweizer Anleger, der ein international diversifiziertes Portfolio führt, nicht vorbei. Doch weil bei Anlagen in Übersee der Währungsaspekt eine derart dominante Rolle spielt, ist bei der Aktienauswahl erst recht höchste Sorgfalt angesagt. Setzen Sie primär auf Titel von Unternehmen, die über eine gesunde Finanzbasis und gute Aussichten verfügen. Gerade an Amerikas Börsen würde ich von heissen Spekulationen Abstand nehmen.
Gewinne realisieren. Die Hausse an den Aktienmärkten scheint etwas ins Stocken geraten. Die Pause bietet Gelegenheit, in aller Ruhe das Portefeuille durchzukämmen. Bei Aktien mit einer Superperformance sollte man sich einen Verkauf überlegen. Denn Kursgewinne machen erst dann Freude, wenn sie nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch echt sind, also realisiert – auch bei Valoren von Unternehmen, die über gute Aussichten verfügen. Beispielsweise Orascom Development Holding. Die Firma des ägyptischen Investors Samih Sawiris verwirklicht in Andermatt ein Riesenprojekt, eines unter mehreren. Im Februar habe ich die an der Schweizer Börse kotierten Papiere zum Kauf empfohlen. Seither hat sich der Kurs mehr als verdreifacht! Solche Gewinne müssen angebunden werden – auch wenn die Zukunft von Orascom in einem rosigen Licht erscheint.
Drogen fürs Depot. Die Verschnaufpause an den Börsen lässt sich auch dazu nutzen, die Struktur des Aktiendepots unter die Lupe zu nehmen. Positionen in Marktsegmenten, die sich seit März kursmässig gut erholt haben, können etwas zurückgefahren werden. Im Gegenzug ist die Verstärkung von Sektoren angezeigt, die der Börse bisher hinterhergehinkt sind. Ich denke da vor allem an Pharma. Mit den Papieren der Schweizer Paradekonzerne Roche und Novartis jedenfalls war 2009 bislang kein Geld zu verdienen. Doch auch andere europäische Pharmaaktien haben enttäuscht.
Investments in Pharmaaktien setzen starke Nerven voraus; verzögert sich die Einführung eines neuen Medikaments oder decken Tests Schwächen respektive geringe Wirksamkeit von Präparaten auf, rauschen die Aktien des entsprechenden Unternehmens nach unten. Wird dagegen ein neues, wirksames Medikament lanciert, stellen sich mit Sicherheit hohe Kursgewinne ein. Wer das Risiko nicht scheut, ist mit Pharmaaktien gut beraten. Diese Valoren bieten einiges an Aufholpotenzial.
Ich habe die wichtigsten europäischen Pharmaaktien näher angeschaut (siehe «Medikamenten-Cocktail» im Anhang). Meine zwei Favoriten: Roche und Novartis. Bei Roche sind auch über die nächsten Jahre neue, vielversprechende Heilmittel zu erwarten. Novartis hat sich diesbezüglich etwas weniger hervorgetan. Dennoch verspreche ich mir auch von diesem Konzern einiges an Innovationen. Die Titel bieten zudem eine attraktive Dividendenrendite von 3,9 Prozent. Interessant sind auch die Valoren der beiden deutschen Pharmakonzerne Bayer und Merck.
Stetiger Ertragsfluss. Ebenfalls im Pharmageschäft aktiv ist Galenica. Dennoch lässt sich die Firma nicht mit üblichen Pharmakonzernen vergleichen. Die Berner Firma hat eine beeindruckende Transformation durchlaufen; einst als Einkaufsorganisation der Apotheken gegründet, mauserte sich Galenica zum führenden Pharmagrossisten der Schweiz. Heute ist das Unternehmen auch in der Forschung, Entwicklung und Produktion von Medikamenten aktiv.
Vor wenigen Wochen wurde für geschätzte 200 Millionen Franken die Genfer OM Pharma übernommen. Das Biotechnologie- und Pharmaunternehmen ist in über 90 Ländern tätig und erwirtschaftet mit 350 Mitarbeitern einen Umsatz von 100 Millionen. Die Akquisition ist ein geschickter Schachzug von Galenica-Chef Etienne Jornod. Einmal kann er die angestrebte Internationalisierung weiter ausbauen. Zudem lässt sich der Pharmabereich von Galenica verstärken; dieser steuerte 2008 zwar nur ein Viertel an den Gruppenumsatz bei, dafür 85 Prozent an den Betriebsgewinn. Auch die Ebit-Marge im Pharmasektor ist mit 30 Prozent beachtlich.
Die Diversifizierung von Galenica macht sich in einem stetigen Ertragsfluss bemerkbar. Über die letzten vier Jahre ist der Gewinn um 25 bis 40 Prozent angeschwollen. Sogar im ersten Semester 2009, als bei anderen Schweizer Firmen die Minuszeichen vorherrschten, erwirtschafteten die Berner 10,5 Prozent mehr Gewinn. Auch wenn sich mittelfristig das Ertragswachstum etwas abschwächen dürfte, sind weitere erfreuliche Resultate zu erwarten. Mit einem für 2010 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,6 sind die Aktien ein Kauf.
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