Machen Sie einen Selbstversuch. Fragen Sie in Ihrem Bekanntenkreis, wer sich über die letzten Monate breit in Aktien engagiert hat. Sie werden ziemlich sicher feststellen: Kaum ein Privatanleger ist bei der laufenden Hausse dabei. Erst langsam, so haben mir mehrere Finanzanalysten bestätigt, trauen auch Kleinanleger wieder den Dividendenpapieren. Gross eingestiegen sind sie aber noch nicht. Für das Kursfeuerwerk sorgen vielmehr Finanzhäuser, Pensionskassen, Versicherer, also ein relativ kleiner Club von Investoren. Global pumpen die Notenbanken riesige Geldmengen in die Märkte, alleine aus der Pipeline des US Federal Reserve stammen 85 Milliarden Dollar – monatlich, notabene. Die daraus resultierenden Tiefstzinsen nutzen Institutionelle für Aktienkäufe riesigen Ausmasses. Auch Umlagerungen aus anderen Segmenten, vor allem aus dem Obligationenmarkt, treiben die Aktienkurse.

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Die Märkte haben sich von der realen Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt. Immer mehr Beobachter fragen sich, wie lange die Börsenparty noch andauern wird. Die Luft wird zunehmend dünner. Bei den üblicherweise kursbestimmenden Faktoren jedenfalls sieht es nicht allzu rosig aus. Das Gewinnwachstum vor allem der europäischen Unternehmen bleibt schwach, die Konjunkturperspektiven haben sich nur unmerklich aufgehellt, die Finanzkrise ist noch nicht überwunden, siehe Zypern. Die Anleger greifen nur mangels Alternativen zu Aktien; keine gute Basis für dauerhaft höhere Bewertungen. Lassen Sie die Gewinne vorderhand laufen. Doch bleiben Sie wachsam; wenn die Notenbanken eines Tages damit beginnen, die Geldschleusen zu schliessen, ist es Zeit für Gewinnrealisationen.

Gefährliche Optionen

«Sie wollen also wirklich nicht lernen, wie Sie ganz ohne Stress und von zu Hause aus bis zu 4575 Euro in nur einer Woche verdienen können? ... Es ist Ihre Entscheidung – Ihnen bleiben 24 Stunden Bedenkzeit. Reagieren Sie dann nicht, lösen wir Ihr Konto auf.» Ich habe nicht reagiert; nach mehrmals 24 Stunden erhielt ich dieselbe Mail erneut. Das hat mich neugierig gemacht. Wenig überraschend dreht es sich dabei um Optionen. Denn boomen die Börsen, treten sofort unzählige Anbieter auf den Markt – darunter kaum seriöse.

In einem der Mail angehängten Video sagt eine gequetschte Stimme aus dem Off: «Okay, lassen Sie uns Geld verdienen.» Dann folgen banale Erläuterungen. Ein Muster: «Es gibt drei Arten von Trends, den Aufwärtstrend, den Abwärtstrend und den gleichbleibenden Trend.» Oder: «Das Prinzip dieser Methode ist es, bei mehr Positionen zu gewinnen als zu verlieren.» Wer danach immer noch mittun will, kann unter drei Handelsplattformen wählen, eine namens «Banc de Swiss». Wer auf den Firmennamen (samt Schweizerkreuz) klickt, dem wird beschieden: «In Ihrer Region ist unsere Plattform zurzeit nicht verfügbar.» Doch auch unter der Internetadresse sind keine Informationen abrufbar, und im Handelsamtsblatt ist die Firma nicht registriert. Anmelden kann man sich dafür auf «AnyOption», der laut Originalton «weltweit bekanntesten Binärhandels-Umgebung». Es ist nicht klar, wer hinter AnyOption steckt. Auch der Hauptsitz, Nikosia auf Zypern, ist wenig vertrauensfördernd. Hände weg bei solchen Angeboten.

Dicke Schatztruhe

«Wer von Biotech-Aktien noch nicht genug hat, soll sich an Basilea versuchen», schrieb ich im November 2011. Seither haben die Titel um mehr als 60 Prozent zugelegt. Damals wies ich auch auf den hohen Cashbestand des Unternehmens hin. Und obwohl im vergangenen Geschäftsjahr ein erneuter Verlust von 53 Millionen Franken resultierte, klimperten dank mehreren Teilverkäufen Anfang 2012 gut 340 Millionen in der Firmenkasse. Solche Schätze wecken Begehrlichkeiten. Ausgerechnet die Basilea-Hauptaktionärin HBM Healthcare, die seit ihrer Gründung als Beteiligungsgesellschaft in Sachen Performance eine schlechte Figur macht, fordert eine Rückzahlung von fünf Franken pro Aktie.

Total wären das 48 Millionen Franken, also lediglich 14 Prozent des Cashbestands. Dennoch will der Basilea-Verwaltungsrat davon nichts wissen; das Biopharmaunternehmen stehe vor wichtigen Schritten und benötige dazu finanziellen Spielraum. So wurde für Ceftobiprol, ein Medikament gegen schwere Lungenentzündungen, in Europa ein Zulassungsantrag eingereicht. Daneben wird die Entwicklung von Isavuconazol, einem Wirkstoff gegen Pilzinfektionen, vorangetrieben. Das verschlingt viel Geld; in diesem Jahr kalkuliert der frisch eingewechselte CEO Ronald Scott mit einem monatlichen Betriebsverlust von vier bis fünf Millionen. Die Aktien bleiben für wagemutige Investoren interessant. Helvea rechnet per 2015 erstmals mit einem Gewinn von 29 Millionen und empfiehlt Basilea zum Kauf. Mir scheint das Kursziel mit 105 Franken aber etwas gar hoch angesetzt.

Fleischwolf

Spektakuläre Wachstumsraten sind nicht das Ding des Fleischverarbeiters Bell. So ist 2012 der Umsatz um minime 0,4 Prozent gestiegen, während der Gewinn schon fast berauschende 5,9 Prozent zugelegt hat.

Das Basler Unternehmen bewegt sich in der Schweiz seit langem in einem gesättigten Markt. Stabilität ins Geschäft trägt Coop; der Detailhändler ist Mehrheitsaktionär und sorgt als grösster Abnehmer für drei Viertel des Schweizer Umsatzes. Vor fünf Jahren expandierte Bell ins Ausland und kaufte sich für 280 Millionen Franken mehrere Betriebe. Doch der heftige Preiskampf in Europa dreht die Margen durch den Fleischwolf. 2012 wurden die internationalen Aktivitäten reorganisiert. Nun erwartet CEO Lorenz Wyss bereits für dieses Jahr den Turnaround.

So solide wie das Geschäft sind auch die Aktien. Bei der Kursentwicklung zeigen sie mit fast schon beruhigender Stetigkeit nach oben: Über die letzten viereinhalb Jahre haben sich die Valoren im Wert verdoppelt. Mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,4 weisen die Titel mittelfristig noch etwas Potenzial auf. Sie eignen sich vor allem für Anleger mit geringer Risikoneigung. Coop kassiert jährlich 16 Millionen Franken an Dividenden, hat also weiterhin grösstes Interesse an einer prosperierenden Tochter.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch.