Über die letzten Jahrzehnte wurden in den Industriestaaten auch noch die letzten Monopole und Oligopole zerschlagen. Na ja, fast alle, denn ein Oligopol besteht unverändert: Die drei grössten Eisenerzförderer, die australisch-britischen Firmen BHP Billiton und Rio Tinto sowie die brasilianische Vale, kontrollieren über 70 Prozent des Weltmarkts. Damit können sie die Preise beinahe so diktieren, wie es ihnen beliebt. Während vier Jahrzehnten legten sie für die weltgrössten Stahlkocher die Erzpreise für jeweils ein Jahr fest. Damit war Eisenerz der letzte Rohstoff, dessen Preis zwischen Förderern und Produzenten ausgehandelt wurde. Der Spotmarkt jedenfalls spielte nur eine Nebenrolle.
Jüngst hat das eiserne Trio wieder einmal seine Muskeln spielen lassen: Künftig werden die Preise vierteljährlich auf Basis der Spotmarktnotizen festgelegt. Zum Ärger der Stahlkonzerne. Sie befürchten, dass die Minenmultis nun noch mehr Möglichkeiten zu willkürlichen Preissteigerungen haben. Auf jeden Fall beschert der Systemwechsel den Erzförderern zusätzliche Milliardeneinnahmen. Angeblich hat Vale-Chef Roger Agnelli den Erzpreis jüngst um gut 110 Prozent über der Vorjahresnotiz festgelegt. Etwa in gleichem Rahmen dürften BHP-Billiton-CEO Marius Kloppers und Rio-Tinto-Lenker Tom Albanese ihre Preisvorstellungen durchgedrückt haben. Seit die Konjunktur wieder anzieht, schnellt auch der Eisenerzpreis nach oben. Vor allem der Erzhunger chinesischer Stahlschmelzer räumt die Weltmärkte leer; in diesem Jahr, so schätzen Marktexperten, dürfte die Nachfrage das Angebot um fünf Prozent übersteigen.
An den Börsen gehören die Minenaktien seit Ende 2008 zu den Highflyern: Rio Tinto und Vale haben sich in dieser Zeit im Wert verdreifacht, BHP Billiton legten um 160 Prozent zu. Dank den ebenfalls kräftig steigenden Gewinnen sind diese Valoren günstig bewertet, das für 2011 geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis für diesen Sektor stellt sich auf deutlich unter 8. Alle drei Aktien sind attraktiv zur Depotbeimischung.
Neu angesät. Im Dezember vergangenen Jahres empfahl ich Syngenta zum Kauf. Ein Leser hat es besonders eilig und fragt nach gerade mal vier Monaten, ob er die Aktien weiter halten solle, denn bisher «ist die Saat nicht aufgegangen». Stimmt, mit den Valoren des Produzenten von Saatgut und Pflanzenschutzchemikalien war seit meiner Empfehlung noch kein Rappen zu verdienen. Allerdings schrieb ich damals auch, dass die Saat erst mittel- bis langfristig aufgehen werde. Nach einem vergleichsweise guten Geschäftsjahr 2009 wurden im ersten Quartal 2010 rund acht Prozent weniger verkauft. Nur hat sich die Nachfrage gegen Ende März deutlich belebt, wie CEO Michael Mack jüngst ausführte. Das Basler Unternehmen verfügt über eine rosige Zukunft, das Agrogeschäft wird bald wieder tolle Wachstumszahlen liefern. Ich schätze das Kurs-Gewinn-Verhältnis pro Titel für 2011 auf 15,1 und für 2012 auf 13,9. Also, lieber Leser, der Sie es so eilig haben: Üben Sie sich mit Syngenta in Geduld, bis die Saat spriessen wird.
Kaufen oder abbauen? Für meine Zeilen in «Inside Bahnhofstrasse» spreche ich jeweils mit einem guten halben Dutzend Finanzanalysten und Börsenkennern. Manchmal kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen; dann nämlich, wenn ich die Meinung über ein bestimmtes Unternehmen oder ein Finanzprodukt einhole und von meinen Ansprechpartnern konträre Beurteilungen erhalte. Dies geschieht auch immer wieder bei Bankstudien, jüngst bei einer Analyse über EFG International. Am 12. April verfasste die Bank Sarasin ein Papier über die Schweizer Bank EFG International – Empfehlung: «Reduce.» Einen Tag später zog Helvea mit einer Studie nach – Empfehlung: «Buy.»
Das diametrale Urteil vermag zu erstaunen. Schliesslich haben beide Institute ungefähr dieselben Informationen, jedenfalls über die Vergangenheit. Und die ist durchzogen. Mit dem Geld der in Genf residierenden griechischen Familie Latsis, in der BILANZ seit Jahren unter den Top Ten der 300 Reichsten zu finden, trimmte das EFG-Managerduo Lawrence Howell als CEO und Jean Pierre Cuoni als Präsident – beide sind ebenfalls in der Reichstenliste aufgeführt – das Mitte der neunziger Jahre gegründete Geldhaus auf Expansionskurs. 2005 setzte die Jungbank zum Sprung an die Börse an. Doch einige Akquisitionen gingen nicht auf, andere Aktivitäten entpuppten sich als wenig gewinnträchtig. Dann brach die Finanzkrise über EFG herein. Innerhalb von zwei Jahren schmolz der Gewinn um 75 Prozent.
Inzwischen vermochte sich die Bank wieder aufzufangen, im zweiten Halbjahr 2009 resultierten etwas bessere Resultate. Das macht sich auch im Aktienkurs bemerkbar; dieser hat sich innert Jahresfrist mehr als verdoppelt. Doch ich traue der Erholung nicht so recht. Die Valoren haben für risikofreudige Investoren durchaus ihre Reize. Für konservative Anleger allerdings ist das Kursrisiko zu gross.
Gewinne mit Duty-free. Die Krise im Luftverkehr hat nicht nur die Fluggesellschaften, sondern auch andere Firmen getroffen. Beispielsweise Dufry, die in 42 Ländern rund 1100 Läden unterhält, hauptsächlich in Flughäfen, aber auch auf Kreuzfahrtschiffen oder in Seehäfen. Dass der Umsatz 2009 trotz um rund sechs Prozent gesunkenem Flugpassagieraufkommen stieg, ist eine Folge der erstmaligen Konsolidierung der Hudson Group. Der Gewinn dagegen ging stark zurück.
Gegen Ende 2009 registrierte Dufry-CEO Julian Diaz wieder eine Belebung der Besucherfrequenzen, die sich in diesem Jahr fortsetzte. Positiv zu werten ist auch die Fusion mit der bislang separat kotierten Dufry South America. Zwar wirkt sich dies in der Erfolgsrechnung nicht aus; Dufry hielt bis zur Fusion 51 Prozent der Aktien und konsolidierte die Tochter in der Konzernrechnung. Doch nun ist die Firmenstruktur übersichtlicher, und die Liquidität der Aktien hat sich verbessert. Die Börse hat von den wieder freundlicheren Aussichten viel vorweggenommen. Die Aktien der auf Duty-free-Läden spezialisierten Basler Firma stiegen innert Jahresfrist um rund das Vierfache. Mit einem für 2010 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 19 sind die Titel kein Schnäppchen.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch