Es gibt in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte nicht wenige unrühmliche Beispiele dafür, wie eine verfehlte Expansionspolitik ganze Unternehmen ins Unglück gestürzt hat. Dazu zählt Thurella, ein in der Ostschweiz verwurzelter Obst- und Gemüsesaftproduzent. Anfang dieses Jahrtausends wurde die 1900 gegründete Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt – und der Verwaltungsrat vom Grössenwahn gepackt: Zig Millionen flossen in den Kauf neuer Firmen und in die Auslandexpansion.

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Die Träume vom marktbeherrschenden Saftkonzern endeten im Desaster. Im vergangenen Jahr fiel ein Verlust von 57 Millionen Franken an, und dies bei einem Umsatz von 169 Millionen. Um das schwer überschuldete Unternehmen vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren, mussten die Aktionäre frisches Geld einschiessen, der Nennwert der Aktien wurde um die Hälfte geschnitten. Das Debakel zeigt sich im Niedergang der an der Berner Börse gehandelten Aktien: Die Titel schmierten seit 2007 um über 90 Prozent ab. Für viele Anteilseigner eine Katastrophe, denn Hunderte von Obstbauern haben ihre Ersparnisse in Thurella investiert. An der diesjährigen Generalversammlung platzte ihnen der Kragen: Sie verweigerten dem Verwaltungsrat die Décharge und schmissen zwei Verwaltungsräte hinaus. Hut ab vor so viel Courage!

Nach Verkäufen, Betriebsschliessungen und weiteren Redimensionierungen bleiben von den einst gegen 300 Mitarbeitern noch knapp 100. Künftig will sich Thurella auf die Produktion von Obstsaftkonzentraten und auf die Biotta-Säfte konzentrieren. Nächsten Februar räumt CEO Benedikt Scheideck sein Büro für seinen Nachfolger Clemens Rüttimann. Bei Thurella ist das Gröbste wohl ausgestanden. Die Konzentration auf die Kernkompetenz wird sich über kurz oder lang auszahlen, die Firma ist damit ein interessanter Turn-around-Kandidat. Allerdings sind die Aktien risikofreudigen Investoren vorbehalten.

Enger und enger. Mit neuen Besen ertragreicher kehren will auch der Zahnimplantatekonzern Nobel Biocare. So wurden jüngst – wieder einmal – Personalwechsel im Regionenmanagement bekanntgegeben. Bill Ryan wird ab Anfang 2011 als Berater für CEO Domenico Scala tätig sein. Das war er bereits früher, bis er im Oktober 2009 das Amt des General Manager für Nordamerika übernahm. «Mit Bill Ryan gewinnen wir eine starke Persönlichkeit mit einem beeindruckenden Leistungsausweis und profunden Kenntnissen des nordamerikanischen Markts», stiess Scala damals ins PR-Horn. Ryan durfte nur ein Jahr Implantate verkaufen. Sein Nachfolger als Regionalchef Nordamerika ist Melker Nilsson, bislang COO. Auch im Gebiet Asien/Pazifik gab es einen Wechsel.

Das Personalkarussell bei Nobel Biocare will nicht aufhören, sich zu drehen. Zwar werden die Auswechslungen jeweils als Good News verkauft. Doch in einer Branche, in der jeder jeden kennt, sind hohe Fluktuationsraten Gift fürs Image des Arbeitgebers. Für den bislang glücklos agierenden Scala wird es zunehmend enger. Wenn er die Aktionäre nicht bald mit positiven Nachrichten beruhigen kann, ist es um ihn geschehen. Die Aktien sind vorderhand mit zu hohen Risiken behaftet.

Schokoladenseite. Zu den wenigen Börsenhighlights dieses Jahres gehören Barry Callebaut; die Aktien gewannen seit Anfang 2010 gut 20 Prozent. Kein Wunder, denn der Kakao- und Schokoladeproduzent ist sehr gut durch die Krise gekommen; 2008/09 wuchs der Umsatz immerhin um 1,3 Prozent, im Ende August abgeschlossenen Geschäftsjahr 2009/10 wurde ein Plus von 6,8 Prozent erzielt. Das ist beachtlich, denn weltweit hat der Markt volumenmässig lediglich um 0,3 Prozent zugelegt. Noch erfreulicher entwickelt hat sich die Ertragslage. Die Aktionäre profitieren davon über eine höhere Dividende.

Das Wachstum wird sich fortsetzen. Der oberste Chocolatier des Konzerns, Jürgen Steinemann, prognostiziert für die nächsten drei Jahre ein Wachstum der Verkaufsmenge um je sechs bis acht Prozent, das Ebit soll sich in demselben Ausmass entwickeln. Dabei setzt der weltgrösste Hersteller von Industrieschokolade darauf, dass immer mehr Süsswarenunternehmen die Produktion des braunen Zwischenprodukts auslagern. So wie dies Kraft Foods kürzlich getan hat; Barry Callebaut wird künftig den Lebensmittelriesen als Hauptlieferant mit Industrieschokolade und Kakaoprodukten versorgen. Das Management des Schweizer Konzerns ist überzeugt, dass auch andere Branchengrössen wie Mars, Nestlé oder Hershey’s zunehmend diesen Produktionsschritt auslagern.

Die Aktien von Barry Callebaut sind nach den Wertsteigerungen der letzten Monate kein Schnäppchen mehr. Mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,6 für das laufende und 13,0 fürs kommende Geschäftsjahr jedoch bieten die Titel mittelfristig ein ansprechendes Kurspotenzial.

Glitschige Ölspur. «Was meinen Sie? Sollte man sich jetzt bei Petroplus engagieren?», wollte F.B. aus Lenk per E-Mail Ende November wissen. Bevor ich antworten konnte, schossen die Aktien innert Tagen um gut 30 Prozent in die Höhe. Initialzünder der Hausse war der Analystentag; CEO Jean-Paul Vettier entwarf ein positives Zukunftsszenario. So würde die Nachfrage nach Raffinerieprodukten wieder steigen, was zu einer Verbesserung der Margen führe. Die meisten Finanzanalysten allerdings zeigen sich weiterhin zurückhaltend. Kein Wunder, denn das Zuger Unternehmen, grösster unabhängiger Raffineriebetreiber Europas, machte in diesem Jahr vor allem mit saftigen Verlusten von sich reden. Die Krise hat im Raffineriegeschäft tiefe Dellen hinterlassen. Die Branche leidet unter Überkapazitäten. Petroplus wird zusätzlich belastet durch die aus einer verfehlten Expansionspolitik herrührende Schuldenlast.

An der Konzernspitze kommt es im nächsten Jahr zu einem Wechsel. Thomas O’Malley zieht sich vom Präsidium zurück. Doch der profilierte Ölmann, der auf eine lange Karriere im Energiegeschäft zurückblickt und dank cleveren Beteiligungen zu einem von BILANZ geschätzten Vermögen von 700 bis 800 Millionen Franken gekommen ist, bleibt Petroplus als grösster Einzelaktionär erhalten. Ich jedoch kann mich für diese Papiere nicht begeistern. Die Risiken sind mir einfach zu gross.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm: bahnhofstrasse@bilanz.ch