Jahrelang hat die Finanzpresse über den – angeblich – kurz bevorstehenden Börsengang von Glencore geschrieben. Als sich dann die Publikumsöffnung tatsächlich abzeichnete, beleuchteten die Medien den Baarer Rohstoffkonzern monatelang von allen Seiten. Trotz medialer Dauerberieselung ist der Börsenauftakt wenig überzeugend ausgefallen. In den ersten Handelstagen lagen die Kurse an der London Stock Exchange unter dem Ausgabepreis.

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Ich habe mit mehreren Analysten gesprochen, doch keiner konnte mir eine befriedigende Erklärung für die Zurückhaltung der Anleger liefern. Es sind wohl mehrere kleine Gründe. So hat Glencore zum IPO geladen, als die Rohstoffpreise ins Rutschen gerieten. Zudem ist manchem Investor erst jetzt so richtig bewusst geworden, wie volatil die Rohstoffmärkte sind. Gewinnprognosen in dieser Branche sind deshalb mit grösster Vorsicht zu geniessen. Für Verwirrung sorgt wohl auch die immense Menge an Glencore-Aktien. Aktuell sind 6,89 Milliarden Titel ausstehend. Autorisiert sind sogar 50 Milliarden! Bei Glencore heisst es, das sei vor allem eine technische Grösse. Neue Aktien für Akquisitionen dürften nur in einem bestimmten Ausmass abgegeben werden, sonst brauche es die Einwilligung der Aktionäre. Dennoch schreckt die Aussicht auf eine enorme Verwässerung viele Investoren ab.

Verstimmung ausgelöst haben wohl auch die fast unglaublichen Beteiligungen des Topmanagements: Die fünf reichsten Glencore-Manager halten 37,7 Prozent der Aktien, die einen Börsenwert von 22 Milliarden Dollar aufweisen. Bezahlen mussten die fünf dafür jedoch nur 42 Millionen Dollar, 0,19 Prozent des Wertes, wie BILANZ in der letzten Ausgabe geschrieben hat. Alleine CEO Ivan Glasenberg hat sich ein Paket im Wert von 9,3 Milliarden Dollar gesichert. Nach einigen weiteren Monaten mit holprigen Preisen traue ich Glencore unter dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Simon Murray deutlich höhere Aktienkurse zu. Die Valoren allerdings sind nur risikofreudigen Anlegern zu empfehlen.

Gute Mine. Einen starken Einfluss auf die Kursentwicklung von Glencore hat auch deren Hauptbeteiligung, das 34,5-Prozent-Paket am Bergbauunternehmen Xstrata. Alleine dieses Investment steuert zwei Fünftel an die Glencore-Börsenkapitalisierung bei. Gerade Xstrata hat den Investoren vor Augen geführt, wie risikoreich Anlagen in Rohstofffirmen sind: Zwischen 2003 und 2008 erhöhte sich der Aktienkurs um das 17fache, mit der Finanzkrise sackten die Papiere um 90 Prozent ab, seither haben sie wieder mehr als 300 Prozent zugelegt.

Das Xstrata-Management unter CEO Mick Davis demonstriert gegenüber der einstigen Mutter Glencore Unabhängigkeit, auch im Verwaltungsrat. Der langjährige Verwaltungsratspräsident Willy Strothotte, bis vor kurzem auch Präsident bei Glencore, musste Anfang Mai seinen Stuhl räumen. Ersetzt wurde er nicht durch einen Glencore-Mann, sondern durch den Briten John Bond. Doch die Abhängigkeit von Glencore bleibt bestehen. Falls Ivan Glasenberg die Beteiligung an Xstrata aufstocken will, wird sich Davis kaum gross dagegenstemmen.

Die Xstrata-Valoren sind aber aus anderen Gründen attraktiv. Langfristig zeigen die Rohstoffpreise nach oben, und das Unternehmen verfügt über ein attraktives Angebot. Mit einem für 2011 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,8 sind die Titel im Branchenvergleich zwar fair bewertet, bieten aber für langfristig denkende Anleger Raum nach oben.

Schlechte Verbindung. In Grossbritannien gehört der neue Xstrata-Präsident John Bond zum Wirtschaftsestablishment. Sir John hat 45 Jahre lang für die Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) gearbeitet. Seit 2006 ist er Präsident des britischen Telekomgiganten Vodafone. Am 26.  Juli wird der bald 70-Jährige dieses Amt abgeben. Bond wurde in den vergangenen Monaten heftig kritisiert, wonach seine Firmenstrategie wenig erfolgversprechend sei. Bereits an der letztjährigen Generalversammlung versuchte eine grössere Aktionärsgruppe, seine Wiederwahl zu verhindern, worauf er seinen Rückzug ankündigte.

Vodafone sieht sich zwar Schwierigkeiten ausgesetzt, wie hohen Goodwill-Abschreibungen, Problemen in Indien oder – absolut branchenüblich – erodierenden Preisen. Generell ist der weltgrösste Mobilfunkkonzern jedoch gut positioniert, die Firma weist mittelfristig ein ansprechendes Gewinnpotenzial auf. Dennoch gefallen mir zwei für den Anlageentscheid wichtige Aspekte nicht. Einmal sind die Papiere mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,7 im Branchenvergleich überdurchschnittlich teuer. Die Dividendenrendite ist mit 5,1 Prozent zwar nicht ohne, Konkurrenten allerdings bieten bis zu 8,4 Prozent. Vodafone sind nicht erste Wahl.

Abbuchen. Die Auflehnung der Völker gegen die Diktaturen in Nordafrika und im arabischen Raum wird im Westen mit Anteilnahme beobachtet; für die Reiseveranstalter sind die Unruhen dagegen Gift fürs Geschäft. So muss auch Kuoni, grösster Touristikkonzern der Schweiz, in diesem Jahr bislang tiefere Buchungseingänge registrieren. Bis Mitte März lag der Buchungsstand um sieben Prozent tiefer, seither hat sich das Geschäft in diesen Regionen nicht gross belebt. Das erste Halbjahr muss wohl abgebucht werden. Dennoch rechnet Chris Burger, Kuoni-Spezialist bei Helvea, für dieses Jahr mit einem Umsatzwachstum von gegen einem Drittel.

Der Zuwachs allerdings ist auf einen Sonderfaktor zurückzuführen. Das Reisegeschäft ist spürbaren Schwankungen unterworfen. Auch sind die Margen gedrückt, Wachstum aus eigener Kraft ist nur noch im tiefen einstelligen Prozentbereich möglich. Wer expandieren will, muss zukaufen. Genau das hat jüngst Kuoni gemacht. Für 720 Millionen Dollar wurde das Online-Reisebüro Gullivers Travel Associates (GTA) übernommen. Ein zwar happiger Kaufpreis; dafür hat sich Kuoni im Internetgeschäft eine starke Stellung erkauft. Peter Rothwell als oberster Reiseleiter erwartet, dass das neue Töchterlein rasch Synergien bringen wird. Die Kuoni-Aktien haben in diesem Jahr ein Fünftel an Wert verloren. Dennoch sind sie mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 immer noch satt bewertet. Doch die Aussichten sind rosig. Für 2012 rechnet Helvea mit einer Verdreifachung des Gewinns, was einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,8 entspricht. Zum aktuellen Preis sind Kuoni deshalb attraktiv.

 

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.

Schreiben Sie ihm an: 
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