Ich staune immer wieder, wie schnell sich Privatanleger von schnelllebigen Börsentrends ins Bockshorn jagen lassen. Seit es an den Aktienmärkten nicht mehr steil bergauf geht, werde ich von spürbar nervösen Lesern angefragt, ob das nun die grosse Korrektur sei und was sie bloss tun sollten. Aber was ist schon gross passiert? Sicher, die Volatilität ist enorm – unter dem Strich jedoch steht das Blue-Chips-Barometer SMI wieder dort, wo es vor vier Wochen notierte.
Wie geht es weiter an den Börsen? Ich will Sie nicht langweilen mit Wirtschaftsszenarien, Konjunkturdaten, Gewinnschätzungen; das kennen Sie zur Genüge. Nur so viel: Die Hausse der letzten Monate ist nicht nur konjunktur-, sondern hauptsächlich liquiditätsgetrieben. Vorläufig werden die zwei wichtigsten Geldhüter, US-Notenbankchef Ben Bernanke und sein europäisches Pendant, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, die Märkte weiterhin mit Neugeld fluten. Doch wenn sich die Liquiditätsspritzen auszudünnen beginnen – und das wird in einigen Monaten der Fall sein –, dann steigt die Gefahr starker Rückschläge.
Kein Grund für flatternde Nerven. Zumal Kurseinbrüche immer auch Chancen für Zukäufe bieten. Und wer langfristig investiert, den können vorübergehende Schwankungen an den Aktienmärkten sowieso kalt lassen. Konzentrieren Sie sich dabei auf Blue-Chips-Unternehmen, die von einem Konjunkturaufschwung profitieren werden oder die sich als relativ krisenresistent erwiesen haben. Ich denke da an Swiss Life, Swisscom, Holcim, Novartis, Roche, Nestlé, aber auch an etwas volatilere Papiere wie Sika, Swatch, Actelion oder Richemont. Mit solch erstklassigen Valoren lässt es sich sogar in unruhigen Börsenzeiten tief schlafen.
Feines Gehör. «Die Aktien sind etwas für hellhörige Anleger. Zwar erachte ich die Titel mit einem für 2009 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 nicht gerade als überaus billig. Doch wer Geduld hat, ist mit Sonova gut beraten», habe ich Anfang Juni geschrieben. Viel Geduld war gar nicht nötig, haben die Titel des Hörgeräteherstellers doch seit meiner Empfehlung gut 50 Prozent an Wert zugelegt. Die Fantasie der Anleger beflügelt haben einmal die überraschend guten Zahlen fürs erste Semester des Geschäftsjahres 2009/10: Der Umsatz stieg um 18, das Ebit um 21 Prozent. Gemäss Firmenchef Valentin Chapero hat die Branche in derselben Periode drei Prozent mehr verkauft; Sonova gewann also Marktanteile. Der Börse nicht weniger gefallen hat Sonovas geplanter gut 500 Millionen Franken teurer Einkauf von Advanced Bionics, der globalen Nummer zwei unter den Innenohrimplantat-Herstellern. Nach den jüngsten Kurssteigerungen sind die Sonova-Aktien satt bewertet, langfristig dagegen bieten die Titel weiteres Potenzial.
Gipfel(i)stürmer. So richtig gewöhnt habe ich mich immer noch nicht an den Namen Aryzta. Dabei sind die Aktien seit gut einem Jahr kotiert. Zur Erinnerung: Aryzta ist das Fusionsprodukt der Schweizer Hiestand mit der irischen IAWS zum Backwarengiganten, «der Gipfel einer langjährigen Zusammenarbeit», wie der damalige Hiestand-Präsident Wolfgang Werlé schwärmte. Die Anleger dagegen lassen sich von der Euphorie nicht anstecken. Die Aktien wurden im August 2008 erstmals zu 64 Franken gehandelt, danach gerieten sie auf die schiefe Bahn und verkehren heute knapp 40 Prozent unter ihrer Erstnotiz.
Der vor wenigen Wochen veröffentlichte erste Rechnungsabschluss des jungen, von Zürich aus geleiteten Konzerns liefert denn auch wenig Anlass zu Frohsinn; für das Geschäftsjahr 2008/09 meldete Aryztas oberster Bäcker, Owen Killian, einen um 2,5 Prozent höheren Umsatz von 3,2 Milliarden Euro. Dagegen sackte der Gewinn wegen Fusionskosten und Wertberichtigungen um 60 Prozent auf 54 Millionen Euro ab. Ohne Sonderbelastungen hätte er um 16 Prozent zugelegt. Die Finanzanalysten mögen den Feinbäcker mehr als die Anleger. So hat die ZKB Aryzta erstmals bewertet und gleich auf «kaufen» gesetzt, Helvea empfiehlt «akkumulieren». Mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13,4 für dieses und 11,9 für das kommende Geschäftsjahr bieten diese Aktien gerade für konservative Investoren eine gute Einstiegschance.
Properes Image. Kaum ein Geldhaus hat im nahen Ausland ein derart gutes Image wie die Bank Sarasin. Das Institut vom Basler Rheinknie heimst laufend Auszeichnungen ein, beispielsweise in diesem Jahr die Awards «Outstanding Private Bank – Europe», «Best Private Bank for Portfolio Management», «Best Private Bank for Innovation» oder den «Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2009». Die Sarasin-Banker sind keine bonusgetriebenen Umsatzbolzer, sondern gewiefte Vermögensverwalter mit guten Ideen im Geschäft mit nachhaltigen Anlagen. Viel zum Ruf beigetragen hat CEO Joachim Strähle; seit seinem Einstieg vor drei Jahren hat er Sarasin noch konsequenter aufs Private Banking ausgerichtet.
Die von der niederländischen Rabobank kontrollierte Bank Sarasin leidet zwar ebenfalls unter der Finanzkrise und musste fürs vergangene wie für das laufende Jahr Gewinnrückgänge melden. Doch die Basler schlagen sich besser als die meisten Konkurrenten. Das haben auch die Anleger gemerkt: Über die letzten acht Monate hat sich der Aktienkurs verdoppelt. Vorderhand ist der Höhenflug wohl vorbei. Langfristig jedoch sind die Sarasin-Papiere attraktiv; für 2011 schätze ich das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf lediglich 10. Der einzige Klecks im Reinheft ist die geplante Übernahme der Mehrheit an der Neuen Zürcher Bank (NZB). Dieses Institut hat mehrmals für negative Schlagzeilen gesorgt und ist dem Ansehen der Bank Sarasin wenig zuträglich. Zu hoffen bleibt, dass die NZB nicht noch weitere Leichen im Tresor verborgen hat.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
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