Es ist erst einige Monate her, da wurden die globalen Finanzmärkte von heftigsten Panikschüben geschüttelt. Einst mächtige Banken konnten nur dank Staatshilfe vor dem Infarkt gerettet werden, andere Institute wie Lehman Brothers rasselten in die Pleite und rissen Milliardenlöcher in die Taschen der Investoren. Damals war allen Akteuren die Dringlichkeit tief gehender Reformen bewusst.
Tempi passati. Die Finanzbranche hat das Gröbste ausgestanden, nun wehren sich gerade die Banken gegen striktere Kontrollen, verbitten sich die Einmischung der öffentlichen Hand in ihre Bonuspolitik. Die Geldmanager nehmen ihren Mund wieder voll, als ob sie nie an den Weltfinanzmärkten Feuer gelegt hätten. Die billionenschwere Zeche mussten ja auch nicht sie bezahlen, sondern die Aktionäre und Steuerzahler, aber auch die Zehntausenden von Bankangestellten, welche auf die Strasse gestellt wurden, damit die Erträge kurzfristig etwas aufpoliert werden können. Generationen von Bürgern bekommen die Folgen der Finanzmarktkrise über höhere Steuern zu spüren.
Als ob nie etwas geschehen wäre, werden wieder frische Giftpapiere, exotische Finanzprodukte und undurchsichtige Derivate in die Finanzmärkte gedrückt. Die Bankiers haben ein erschreckend kurzes Gedächtnis. Ja ich fürchte, man hat aus der jüngsten Vergangenheit tatsächlich nichts gelernt. Die nächste Bankenkrise jedenfalls kommt bestimmt. Zwar kaum mehr aus derselben Ecke; Auslöser des nächsten Finanzmarktbebens sind wahrscheinlich die zunehmend ausser Kontrolle geratenden Derivategeschäfte.
Risikofreudigen Anlegern bieten Bankaktien einiges an Reizen. Doch wer das Hasardspiel scheut und sein Portfolio auf lange Sicht ausrichtet, sollte diese Valoren links liegen lassen.
Warten auf News. Seit der als Sanierer bekannte Hans Ziegler vor wenigen Wochen bei OC Oerlikon das Steuer übernommen hat, ist der Aktienkurs des leckgeschlagenen Unternehmens um rund ein Drittel gestiegen. Nun herrscht Funkstille. Mir ist zwar klar, dass es seine Zeit braucht, bis eine derart diffizile Restrukturierung angeschoben und kommuniziert werden kann. Anderseits öffnet Zieglers Verschwiegenheit den Gerüchten Tür und Tor; rund um die hochspekulativen OC-Aktien kochen denn auch einige Analysten, Investoren, ja sogar Finanzjournalisten ihr eigenes Süppchen. Hände weg von diesen Valoren, bis sich die Situation geklärt hat.
Klagen gegen AWD. Als Swiss Life vor eineinhalb Jahren die Finger nach AWD ausstreckte, wurden die Aktionäre des deutschen Finanzdienstleisters mit der Zusicherung beruhigt, dass auch nach der Übernahme die AWD-Aktien an der Börse verbleiben würden. Zu dem Zeitpunkt rechnete der Schweizer Lebensversicherer noch damit, dass er nach dem Auslaufen des Übernahmeangebots im Besitz von gegen zwei Dritteln der Aktien sein würde. Der Börsencrash allerdings bewog fast alle AWD-Anteilseigner, das Angebot zu akzeptieren.
So fand sich Swiss Life unversehens im Besitz von 96,7 Prozent der Aktien wieder. Da war es Essig mit dem Versprechen: An einer im Februar 2009 einberufenen ausserordentlichen Hauptversammlung durften die AWD-Aktionäre über einen Squeeze-out befinden, also über einen zwangsweisen Auskauf der restlichen Aktionäre mit anschliessender Dekotierung. Weil ausser der Swiss Life kaum ein AWD-Aktionär an der Versammlung war, wurde dem Anliegen der Schweizer mit 99,8 Prozent zugestimmt – nur kommunistische Staatspräsidenten erhalten solche Quoten. Seither bewegen sich die AWD-Titel im Bereich der Barabfindung von 30 Euro, während Swiss Life tauchten.
Sieben Monate sind seither verstrichen, AWD werden immer noch an der Börse gehandelt. Meine Anfragen wollte zuerst niemand beantworten. Nach einigem Hin und Her hiess es, mehrere Aktionäre hätten in Hannover Klage wegen des Squeeze-out eingereicht, und diese Klagen hätten aufschiebende Wirkung. Nun prüft ein Gericht, ob die Anschuldigungen berechtigt sind. Das kann viele, viele Monate dauern, sodass die Valoren wohl noch lange nicht von den Börsen verschwinden – ausser AWD respektive Swiss Life kauft den Klägern ihr Klagerecht für teures Geld ab.
Derweil werden die Aktien auffallend rege gehandelt, das tägliche Volumen reicht von einigen hundert bis zu weit über 10 000 Stück, die Kurse bewegen sich über dem Rückkaufspreis. Der Grund dafür ist in einer Besonderheit des deutschen Rechts zu suchen: Nach dem Squeeze-out klärt das Gericht mit einem sogenannten Spruchstellenverfahren ab, ob die Höhe der Abfindung angemessen war. Da hoffen Spekulanten auf einen Zusatzgewinn. Halten Sie sich von solchen Abenteuern fern.
Geschwindigkeitsrausch. Die Börsianer dürsten nach positiven Nachrichten aus der Industrie. Und stürzen sich, wenn endlich einmal in der wirtschaftlichen Düsternis ein Lichlein brennt, auf die Aktien des entsprechenden Unternehmens. So geschehen bei der Schaffner Gruppe. Als das Solothurner Unternehmen den Eingang eines Auftrags aus China bekanntgab, haussierten die Aktien am folgenden Tag um 14 Prozent.
Nicht dass es eine Riesenbestellung wäre. Bis Mitte 2010 liefert die Firma Transformatoren und Drosseln für Hochgeschwindigkeitszüge der chinesischen Staatsbahn, und zwar für einen hohen einstelligen Millionenbetrag. Am letztjährigen Umsatz gemessen, entspricht dies lediglich fünf Prozent. Allerdings handelt es sich dabei um eine erste Tranche, Nachfolgeaufträge sind zu erwarten. Zudem hat Schaffner in China eine erstklassige Visitenkarte hinterlassen. Gemäss CEO Alexander Hagemann stärkt der Auftrag «massgeblich die Position von Schaffner im heute grössten Markt für Hochgeschwindigkeitszüge». Anfang Jahr hat Chinas Regierung den Bau von 100 Hochgeschwindigkeitszügen in Auftrag gegeben. Diese Hightech-Züge sind 400 Meter lang, bieten Platz für mehr als 1000 Fahrgäste – und erreichen 350 Kilometer pro Stunde.
Das Unternehmen, das Produkte und Lösungen für den Betrieb elektronischer Systeme anbietet, schreibt im laufenden Geschäftsjahr rote Zahlen. Mittelfristig dagegen sind die Aussichten gut, und die Aktien bieten auf zwei bis drei Jahre hinaus ein erfreuliches Kurspotenzial. Die Analysten von Helvea setzen das Kursziel auf 215 Franken an, ein Viertel über dem aktuellen Preis.