Die Bewegung «Occupy Wall Street» hat sich längst über Amerika ausgebreitet. Unter «Occupy Paradeplatz» richten sich auch hierzulande die Proteste gegen die Gier einer kleinen Finanzelite, ja generell gegen Banken. Ich verstehe den Zorn vieler Bürger. Nichts ist vergessen: Es waren die Banken, die unter Mithilfe der Ratingagenturen minderwertige Kredite in hochqualitative Anlageprodukte verwandelten. Der Beschiss flog auf, die Welt wurde in Brand gesteckt und leidet bis heute unter den Folgen. Der Schock war aber nicht heilsam, inzwischen wird wieder gezeuselt. Zunehmend warnen namhafte Finanzexperten vor dem nächsten Absturz.

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Derweil werden Bankaktien wieder salonfähig. Mancher Investor hat die Schuldenkrise bereits abgehakt. Das ist etwas voreilig; ich befürchte, dass die Finanz- und Eurokrise noch nicht vorbei ist, ja auf neue Höhepunkte zusteuert. Dazu kommen für die Geldhäuser weitere Probleme, etwa die Folgen der höheren Kapitalvorgaben. Schweizer Institute sind, abgesehen von UBS und Credit Suisse, relativ gut durch die Krise gekommen. Doch der Bankensumpf dehnt sich aus. Aufgerüttelt hat mich, dass ebenso die Zürcher Kantonalbank (ZKB) wie auch die Basler Kantonalbank (BKB) ins Visier der amerikanischen Steuerfahnder geraten sind. Wenn Gier sogar bei Staatsbanken die Vernunft aus dem Felde schlägt, ist dies bedenklich. BKB-Chef Hans Rudolf Matter und der oberste ZKB-Bankier, Martin Scholl, müssen sich kritische Fragen der Aktionäre und Steuerzahler gefallen lassen. Wann endlich gewinnen unsere Bankiers wieder festen Boden unter den Füssen?

Bankaktien? Nein danke! Ausser Sie sind eine Spielernatur; dann liegen Sie mit CS und UBS goldrichtig.

Spekulation gefällig? Der in Zug domizilierte Bergbaukonzern Xstrata ist stark diversifiziert. Gefördert werden Kohle, Zink, Nickel, Platin sowie industrielle Metalle. Und Kupfer; denn trotz Diversifikation stammen rund die Hälfte der Einnahmen aus dem Kupfergeschäft. Nun stehen die Rohstoffe seit längerem unter Druck. Vor allem die Preise für das rote Metall tendieren schwächer: Seit Februar sind sie um gegen 30 Prozent gefallen. Die Talfahrt des für Xstrata wichtigsten Rohstoffs hat den Aktien noch stärker zugesetzt; in derselben Periode schmolz der Wert der Valoren um 40 Prozent. Dies eröffnet risikoorientierten Anlegern Chancen. Denn langfristig bleibt der Nachfragetrend nach Rohstoffen intakt. Die Bank Sarasin bescheinigt Xstrata «eines der besten Wachstumsprofile innerhalb der Industrie». Die Titel sind klar unterbewertet: Für dieses Jahr stellt sich das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 5,5 und für 2012 auf 4,7.

Am Gängelband. «Trotz intensivster Suche finde ich praktisch keine Empfehlungen für die Aktien von Gazprom. Sind diese so langweilig?», fragt mich Leser H.L. Langweilig sind Gazprom mit Sicherheit nicht. Die auch in Frankfurt kotierten Zertifikate schwankten über die letzten zehn Jahre zwischen 2 und 21 Euro. In diesem Jahr sind die Aktien bis im April steil angestiegen, seither haben sie ein Drittel an Wert eingebüsst. Dabei liefert der russische Erdgaskonzern ausgezeichnete Zahlen. So stieg im ersten Halbjahr der Umsatz um 38 und der Gewinn um 44 Prozent. Die seit einiger Zeit divergierende Entwicklung von Aktienkurs und Gewinn hat eine Unterbewertung zur Folge: Das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis stellt sich für dieses Jahr auf 3,1.

Gazprom sind aber nur auf den ersten Blick billig, weisen die Papiere doch grosse Risiken auf. Unwägbar ist der staatliche Einfluss. Der Kreml hält 50 Prozent plus eine Aktie. Zwar ist Alexej Miller Chef von einem der mächtigsten Konzerne Russlands, doch er hat zu kuschen, wenn die Regierung ihre «Wünsche» äussert. Oft muss der Gigant aus politischen Gründen milliardenschwere Investitionen tätigen, die unter dem Blickpunkt einer Ertragsoptimierung nie gemacht würden. Für meinen Geschmack haben bei Gazprom zu viele Apparatschiks das Sagen. Solange sich daran nichts ändert, bleiben Gazprom Zockertitel.

Wette auf den Aufschwung. «Holcim’s main shareholders in tug of war», so titelte die «Financial Times». Ob die jüngsten Ereignisse beim global führenden Zementkonzern als Tauziehen zu bezeichnen sind, bleibe dahingestellt. Fakt ist: Eurocement hat ihren Anteil an Holcim von 6,5 auf 10,1 Prozent erhöht. Nun ist Eurocement, vom öffentlichkeitsscheuen Oligarchen Filaret Galchev kontrolliert, ein direkter Konkurrent von Holcim. Da ist ein starker Ausbau der Beteiligung auffällig. Die Gerüchteküche erst recht angeheizt hat, dass Hauptaktionär Thomas Schmidheiny darauf seinen Anteil von 18,2 auf 20,1 Prozent aufstockte. Derweil geben sich die Hauptakteure besonnen: Thomas Schmidheiny wie auch Eurocement-Chef Thierry Sauvaire betonen, sie wollten lediglich von den tiefen Börsenkursen profitieren.

Nun hat Holcim tatsächlich arg an Wert eingebüsst. Seit April rauschten die Aktien um 43 Prozent in die Tiefe, die Zukäufe der bedeutendsten Aktionäre liessen die Papiere wieder kräftig steigen. Dennoch notieren sie weit unter den alten Höchstwerten. Holcim zählen zu den am ausgeprägtesten zyklischen Aktien unter den Schweizer Blue Chips. Erholt sich die Konjunktur, gehören die Valoren des Zementkonzerns zu den Hauptprofiteuren. Das laufende Jahr allerdings dürfte eine Gewinneinbusse bringen, doch sind die Aussichten positiv. Der Franzose Bernard Fontana, der im kommenden Februar vom langjährigen CEO Markus Akermann den Chefsessel übernimmt, findet ein starkes Unternehmen vor. Der Konzern hat sich über die letzten Jahre fit gestrampelt. Für 2012 und 2013 prognostiziert Helvea einen Gewinnzuwachs von 38 beziehungsweise 21 Prozent. Das entspricht einem attraktiven Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,3 beziehungsweise 10,1. Kommt es dann doch noch zum Tauziehen zwischen Schmidheiny und Galchev, wird das den Kurs erst recht beflügeln.

 

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
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