Als die weltweit grössten Zementkonzerne, die französische Lafarge und die schweizerische Holcim, Anfang April ihre Fusionsabsichten bekanntgaben, rockten die Holcim-Aktien. Innert weniger Handelstage schossen sie um 17 Prozent in die Höhe. Die Börse verspricht sich einiges vom neuen Zementgiganten, der von Lafarge-Chef Bruno Lafont als CEO und von Holcim-Mann Wolfgang Reitzle als Präsident gesteuert werden soll. Doch nach der ersten Euphorie ist die Luft draussen, die Holcim-Papiere tendieren seitwärts. Die über die brasilianische Tochter verhängte Busse von 204 Millionen Franken – wegen Verstosses gegen das Kartellrecht – dämpfte die Stimmung zusätzlich.

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Ich kann die Zurückhaltung der Anleger nachvollziehen. Seit einigen Jahren kämpft Holcim gegen schwierige Rahmenbedingungen; zwar ist die Nachfrage nach Zement in den Schwellenländern robust, doch in den Industriestaaten schrumpft der Absatz, die Preise sinken, der Konkurrenzkampf gewinnt an Härte. Wie weit da das Zusammengehen mit Lafarge eine Entlastung und damit bessere Erträge bringt, lässt sich nur schwer abschätzen. Die Analystin Ute Haibach von J. Safra Sarasin meint, dass die Fusion «mittelfristig hohe Synergien generieren» wird. Aus diesem Grund hat sie das Rating für den Schweizer Zementriesen von «neutral» auf «buy» hochgestuft.

Mir gefallen die Holcim-Aktien ebenfalls. Mit einem für 2015 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14,3 sind die Titel günstig bewertet. Die Vermählung mit Lafarge ist auf das erste Semester nächsten Jahres angesagt. Erst von da an ist mit steigenden Kursen zu rechnen. Denn die Synergieeffekte schlagen ab etwa 2017 voll auf die Resultate durch. Damit ist eines klar: Holcim respektive bald LafargeHolcim benötigen Geduld.

Kanonen und Gas

«Kaufen, wenn die Kanonen donnern», lautet eine der ältesten Börsenregeln. In der Ukraine donnern zwar nicht die Kanonen, dafür die Gewehre – und die Talfahrt der russischen Aktien wurde durch den Konflikt im Nachbarland noch beschleunigt. Die Valoren von Gazprom, Russlands Vorzeigeunternehmen, haben schon vorher zum Sinkflug angesetzt; seit 2008 blieben sieben Zehntel des Börsenwerts auf der Strecke. Nicht dass es dem weltgrössten Gaskonzern schlecht läuft. Im Gegenteil: 2013 stieg der Umsatz um 10 und der Betriebsgewinn um 18 Prozent, die Ebit-Marge stellte sich auf stolze 30 Prozent. Das Resultat der divergierenden Entwicklung zwischen Ertrag und Aktienkurs ist eine krasse Unterbewertung: Das KGV für dieses Jahr stellt sich auf nicht einmal 3.

Gazprom weist seit Jahren einen hohen Discount auf. Kein Wunder, denn kaum ein russisches Papier birgt derart hohe politische Risiken wie Gazprom. Der Staat kontrolliert die Mehrheit. Für Präsident Wladimir Putin ist Gazprom eine «Waffe», die er in der Aussenpolitik nach Belieben einsetzt. Oder er belohnt Freunde mit Spitzenämtern im Konzern. Gazprom sind Aktien mit Optionscharakter. Kehrt das Vertrauen in russische Papiere zurück, gehen die Titel ab wie eine Rakete. So wie jüngst: Als Gazprom in China einen Langfrist-Lieferkontrakt im Wert von 400 Milliarden Dollar an Land ziehen konnte, schossen die Aktien subito um 20 Prozent in die Höhe. Nur kann jederzeit auch das Gegenteil passieren. Genau das macht die Aktien zu Zockerpapieren par excellence.

Zollfreie Schulden

«Der Dufry-Tipp war gut. Und nun? Was bringt die Übernahme?» Um etwas Licht in die im Telegrammstil gehaltene E-Mail eines Lesers zu bringen: Im Oktober 2012 empfahl ich Dufry zum Kauf. Seither haben die Aktien des Betreibers von Duty-free-Shops um rund 40 Prozent zugelegt. Zum «und nun?»: Ein solch schöner Kursgewinn in eineinhalb Jahren sollte ins Trockene gebracht, also realisiert werden. Und zum «was bringt die Übernahme?»: Dufry hat jüngst die ehemalige Swissair-Tochter Nuance für 1,55 Milliarden Franken gekauft. Ein grosser Schritt: Neu wird das Basler Unternehmen einen Marktanteil von rund 15 Prozent halten und mit gegen 23 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 5,6 Milliarden Franken erwirtschaften.

Die Integration von Nuance bringt viel Arbeit. Zumal die im Dezember erfolgte Akquisition der griechischen Hellenic Duty Free noch nicht verdaut ist und im ersten Quartal einen Ertragseinbruch bewirkt hat. Nuance ist weniger profitabel als Dufry, womit es, zumindest vorderhand, zu einer Gewinnverwässerung kommen wird. Ein Fragezeichen mache ich auch hinter die Finanzierung der Übernahme. CEO Julián Díaz will diesen zu einem Drittel über den Kapitalmarkt finanzieren, die Hauptlast tragen allerdings die Aktionäre via Kapitalerhöhung. Für meinen Geschmack bergen die hoch bewerteten Dufry-Aktien zu viele Risiken.

Sonnenaufgang

Einst zählten Meyer Burger zu den Börsendarlings, innert weniger Jahre hat sich der Kurs versiebenfacht. Dann brach vor drei Jahren die grosse Krise über die Solarbranche herein; in Europa wurde die Solarenergie staatlich gefördert, was neue Anbieter auf den Markt rief. Zugleich pumpte China die eigene Solarindustrie auf. Das Resultat waren gewaltige Überkapazitäten, die Preise fielen ins Bodenlose – ebenso die Kurse der Meyer-Burger-Aktien.

Der Firmenname hat bis heute einen magischen Klang. Regelmässig werde ich angefragt, ob man wieder einsteigen könne. Doch für eine Entwarnung ist es zu früh. Die Resultate für das letzte Jahr waren desaströs oder, wie es Präsident Peter Wagner ausdrückte, «grottenschlecht»: Der Umsatz brach um über zwei Drittel ein, der Verlust stieg um 50 Prozent, und mit jedem Franken an Einnahmen fielen 80 Rappen an Verlust an. Immerhin scheint es, dass der Thuner Technologiekonzern den Tiefpunkt überwunden hat. Firmenchef Peter Pauli jedenfalls macht auf (Zweck-)Optimismus: «Die Solarindustrie steht im Sonnenaufgang.» Tatsächlich scheinen die Überkapazitäten abgebaut zu sein. Bei Meyer Burger ziehen Auftragseingang und Umsatz an, vom nächsten Jahr an sollte ein (minimer) Gewinn anfallen. Nur wird es noch länger dauern, bis das Unternehmen wieder anständige Erträge einfährt. Von einem Neueinstieg rate ich ab – ausser Sie suchen eine heisse Langfrist-Spekulation.

*Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch