Innert kürzester Zeit wandelte er sich vom Ersatzspieler zu Amerikas Basketball-Darling: Jeremy Lin, 23 Jahre alt, 1,91 Meter gross, Wirtschaftsstudium in Harvard, Sohn taiwanesischer Einwanderer. Mehrmals wurde er von Team zu Team herumgereicht, bis er vor zwei Monaten zu den wenig erfolgreich aufspielenden New York Knicks kam. Am 4. Februar wurde er bloss deshalb eingesetzt, weil zwei Top-Spieler ausfielen. Seither hat der vergleichsweise klein gewachsene Lin alle Rekorde an geworfenen Körben anderer Basketball-Stars eingestellt, die Knicks siegen plötzlich in Serie. Ganz Amerika ist aus dem Häuschen. Aber auch im nicht minder basketballverrückten China ist der Lin-Hype ausgebrochen; Magazine mit seinem Konterfei sind subito ausverkauft, Knicks-Leibchen mit seiner Nummer 17 im Nu vergriffen – sogar die gefälschten.
Lins Treffsicherheit hat noch einen anderen Effekt: Seit er Körbe im Dutzend wirft, ist der Aktienkurs der Madison Square Garden Inc. (MSG) auf Rekordhöhen geschossen. MSG betreibt die gleichnamige Mehrzweckhalle in New York, einen eigenen Fernsehsender und besitzt mehrere Sportteams – unter anderen die Knicks. Je mehr Punkte Jeremy Lin holt, desto höher notiert der Aktienkurs. Nachdem sich die Börsianer zuerst verwundert die Augen gerieben haben, greifen sie nun nach jedem Spiel beherzt zu.
Doch das Sportmärchen könnte ein jähes Ende finden – zumindest am Aktienmarkt. Die Valoren jedenfalls sind inzwischen mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 37 heillos überbewertet. Da muss Jeremy Lin noch viele Körbe werfen, bis auch der Gewinn auf eine dem Aktienkurs angemessene Höhe steigt.
Good Food. «Ich habe dank Ihrem Tipp Gewinne eingefahren. Soll ich nach den jüngsten Kursavancen Nestlé verkaufen?» Unter dem Titel «Solid wie ein Fels» empfahl ich im Oktober 2010 die Valoren des weltgrössten Nahrungsmittelproduzenten zum Kauf. Seither waren mit diesen Papieren rund acht Prozent zu verdienen. Keine atemberaubende Performance, hätte nicht in derselben Periode der Blue-Chip-Indikator SMI rund zwei Prozent verloren. Die starken Nestlé-Zahlen fürs Jahr 2011 jedenfalls bestätigen die Kursentwicklung; dem organischen Wachstum von 7,5 Prozent stand eine deutliche Ertragsverbesserung gegenüber.
Auch für die Zukunft ist kein berauschendes, dafür ein beständiges Wachstum zu erwarten. So zeigte sich CEO Paul Bulcke bei der Präsentation der Zahlen zuversichtlich: «Wir sind für 2012 gut positioniert, um das Nestlé-Modell zu erfüllen: organisches Wachstum von fünf bis sechs Prozent sowie Margenverbesserung und nachhaltiger Gewinn pro Aktie bei konstanten Wechselkursen.» Auf die Nestlé-Aktien ist gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten Verlass; sie sind das Paradepferd unter den defensiven Valoren. Dazu gesellt sich eine anständige Dividendenrendite von gegen vier Prozent.
Wachstumsbolzen. Mit Blick auf die Konjunkturabschwächung liefert auch manch deutsches Unternehmen verblüffend gute Resultate. SAP beispielsweise hat für 2011 Rekordresultate vorgelegt: Der Umsatz stieg um 14 Prozent auf 14,2 Milliarden, und der Gewinn explodierte regelrecht auf annähernd das Doppelte: 3,4 Milliarden Euro. Weitaus interessanter als das – fraglos grandiose – vergangene Geschäftsjahr sind die Aussichten des deutschen Softwarekonzerns. Dabei sind die Wachstumsziele des Managements überaus anspruchsvoll. Die führende Softwareschmiede Europas prognostiziert bis ins Jahr 2015 einen Umsatz von mindestens 20 Milliarden Euro und eine operative Marge von gut 35 Prozent.
Das verspricht weitere Kursgewinne, obwohl die Aktien seit August 2011 bereits mehr als 40 Prozent zugelegt haben. Vorsichtig stimmt mich dagegen die gehörige Portion Überheblichkeit, die das Management an den Tag legt. Etwa als Co-CEO Bill McDermott an der Bilanzpressekonferenz sagte: «Wir wachsen schnell dank Innovationen. Dagegen versuchen unsere Wettbewerber, die Vergangenheit zu konsolidieren.» Damit zielte der Co-Chef auf den heissesten Rivalen, Oracle.
Was nichts daran ändert, dass die SAP-Valoren heiss sind. Mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 sind die Aktien zwar kein Schnäppchen. Doch wer auf lange Sicht ein attraktives Investment sucht, ist mit diesen Papieren gut beraten.
Glasklare Gewinne. Ebenfalls ein Fels in der Börsenbrandung sind die Aktien von Vetropack. Zwar wurden die Titel des Bülacher Unternehmens, das in über ganz Europa verteilten Glashütten jährlich etwa vier Milliarden Flaschen und andere Glasbehälter herstellt, im Krisenjahr 2008 aufs Ärgste nach unten geprügelt. Seither aber erholen sich die Valoren sukzessive. Wer als Langfristanleger über die letzten zehn Jahre auf die gläsernen Titel gesetzt hat, kann sich an einem Kursgewinn von mehr als 700 Prozent erfreuen.
Nach einem schwierigen 2010 mit schwächeren Erträgen ist es im vergangenen Geschäftsjahr deutlich besser gelaufen. Zwar fehlen bislang konkrete Zahlen. Doch die einst verhaltenen Ertragserwartungen wurden jüngst kräftig aufgebessert; nun rechnet das Management mit einer deutlichen Gewinnsteigerung. Die Effekte wegen der Währungsschwankungen wirken sich weitaus weniger negativ aus als einst angenommen.
Die Valoren haben seit dem Sommer rund 30 Prozent zugelegt. Dennoch bieten sie mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,4 weiteres Potenzial. Mir gefallen Vetropack noch aus einem anderen Grund. Das innovative Unternehmen hat zusammen mit Bucher Industries neue Glasflaschen entwickelt, die genauso leicht und bruchsicher sind wie PET-Flaschen. Nur verfügen die Glasgebinde über eine weitaus bessere Energiebilanz als PET. Gegenwärtig wird an einer Maschine getüftelt, damit sich die Flaschen in hoher Stückzahl und damit kostengünstig produzieren lassen. Gelingt die industrielle Fertigung, dürfte das den weltweiten Verpackungsmarkt revolutionieren. CEO Claude Cornaz will die Erwartungen nicht schüren und spricht von einer Pilotphase. Dennoch macht das Projekt die Vetropack-Valoren zusätzlich attraktiv.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
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