Welch ein Börsenjahr! Zwar sah es Anfang 2009 noch nach einer Fortsetzung der letztjährigen Baisse aus, das Börsenbarometer SPI verlor bis im März weitere 20 Prozent. Doch dann setzte der Schweizer Aktienmarkt, im Konzert mit den Westbörsen, zu einer fulminanten Erholung an; bis Mitte Dezember schoss der SPI um gut 50 Prozent in die Höhe. Kaum eine Schweizer Aktie, die 2009 nicht mit Gewinn abschliesst. Das ist die beste aller (Anlage-)Welten für Börsenauguren, da lässt man seine Empfehlungen doch gerne nachprüfen. Auch ich will da mein Licht nicht unter den Scheffel stellen.
Im bald abgelaufenen Jahr habe ich gegen 20 Schweizer Aktien zum Kauf empfohlen, davon warten weit über 90 Prozent mit Kursgewinnen auf. In einem Haussejahr ist dies keine besondere Leistung. Eine echte Performancemessung orientiert sich dagegen an einem Vergleichsindex. Und da haben mehr als zwei Drittel meiner Aktientipps die Benchmarks SMI oder SPI geschlagen – zum Teil deutlich. Spitzen-Performancebolzer sind die von mir Anfang Februar empfohlenen Aktien Orascom; mit den Papieren der von Samih Sawiris kontrollierten Firma waren 233 Prozent zu verdienen, während der SPI in derselben Periode 29 Prozent zulegte. Orascom war als Langfristinvestment gedacht, doch angesichts solcher Kursgewinne innert weniger Monate habe ich Anfang Oktober zu Teilverkäufen geraten. Volltreffer waren auch die Aktientipps Holcim, Logitech oder Sonova, da resultierte ein Plus von 62 bis 151 Prozent. Punktgenau erwischt habe ich den Zeitpunkt für den Wiedereinstieg in die Luxusgüteraktien Swatch und Richemont.
Enttäuschend dagegen der Kursverlauf von Roche und Novartis; beide Aktien legten seit meiner Empfehlung vom Februar je 16 Prozent zu, während der Benchmark SMI in derselben Periode 23 Prozent gewann. Bleiben Sie bei beiden Blue Chips investiert, da liegt über die nächsten zwei bis drei Jahre einiges mehr drin.
Kursgewinne als Flop. Ich mag es nicht verhehlen: 2009 habe ich mit meinen Tipps auch Nieten geliefert. Der veritabelste Flop ist Lonza. Nach meinem Kaufsignal zogen die Titel an – um Ende Oktober innert weniger Tage um 30 Prozent abzustürzen. Der Life-Science-Konzern, lange Zeit Liebkind der Börsianer, musste seine Wachstumsversprechungen korrigieren und wurde abgestraft. Dennoch bleiben Lonza ein attraktives Langfristinvestment.
Kein Volltreffer waren Clariant; zwar haussierten die Titel seit April um 96 Prozent – nur habe ich damals geraten, diese Papiere links liegen zu lassen. Dasselbe bei Kühne + Nagel. Wegen der Krise im Transportgewerbe schrieb ich im Mai, man solle diese Aktien vernachlässigen. Seither reüssierten sie um 67 Prozent. Ebenfalls von Engagements abgeraten habe ich im Juni bei OC Oerlikon. Da war der Tipp jedoch goldrichtig, denn die Valoren haben seither 44 Prozent an Wert eingebüsst. Sie finden die ausführliche Bilanzierung meiner Tipps für Schweizer Aktien im Anhang unter 'Links und Downloads zum Artikel'.
Die Saat geht auf. Jüngst hat UBS die Titel von Syngenta in ihrer speziell bei institutionellen Investoren stark beachteten Key Call List aufgenommen. Auch für mich gehören die Aktien des Basler Produzenten von Saatgut und Pflanzenschutzchemikalien zum Besten, was die Schweizer Börse zu bieten hat. Obgleich es in diesem Jahr nicht allzu rund läuft, ging doch in den ersten neun Monaten der Umsatz um zehn Prozent zurück. Für das Gesamtjahr dürfte der Gewinn dennoch das Niveau von 2008 erreichen – und da registrierte man einen Rekordgewinn. Für 2009 erwartet CEO Mike Mack wieder Wachstum.
Sobald die Wirtschaft spürbar anzieht, wird auch das Agrogeschäft boomen wie gehabt. In aufstrebenden Ländern wie China oder Indien nimmt der Reichtum zu und damit der Fleischkonsum. So steigt die Nachfrage nach Soja und Mais zusätzlich. Syngenta profitiert mit dürreresistentem Saatgut auch von der zunehmenden Wasserknappheit. Dazu kommen die Umweltprobleme und Wetterkapriolen, die das Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln ankurbeln. Syngenta sind auf mittlere Sicht höchst attraktive Aktien. Eine Dividendenrendite von 2,1 Prozent versüsst das Warten.
Unruhige Zeiten. «Was meinen Sie zur Börse Athen? Sollte man nach dem schweren Absturz in Bankaktien einsteigen?», fragte mich kürzlich ein Bekannter. Einen Moment lang war ich perplex. Zwar habe ich mitbekommen, dass Griechenland finanziell am Abgrund steht und Fitch ihr Bonitätsrating von A– auf BBB+ geschnitten hat. Die Talfahrt der Aktien dagegen sorgte kaum für Schlagzeilen, obwohl der DJ Greece Stock Index innerhalb von zwei Monaten 30 Prozent verloren hat. Allerdings zählt der griechische Aktienmarkt zu jenen europäischen Börsen, die ein Mauerblümchendasein fristen und nur bei heftigen Kursgewinnen oder steilen Abstürzen von sich reden machen.
Kursstürze bedeuten nicht einfach neue Kaufgelegenheiten. Oft handelt es sich dabei um eine Neubewertung, und genau dies ist in Griechenland der Fall. Dem Staat geht es mies. Nach dem Regierungswechsel zeigte sich, dass die Neuverschuldung mit gegen 13 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) rund doppelt so hoch ausfallen wird wie einst vorausgesagt. Und 2010 wird die Staatsverschuldung über 120 Prozent des BIP erreichen. Die internationale Presse schreibt von «Narben der Finanzkrise». Narben? Das sind wohl eher schwärende Wunden – und die stelle ich nicht nur in Griechenland fest. Die Risiken nehmen auch in anderen Ländern zu, beispielsweise in Island, Ungarn, Rumänien, aber auch in Spanien und der Türkei. Die Zeiten bleiben unruhig.