Stellte man auf die Prognosen der Anlageexperten vor Jahresfrist ab, so sah es zappenduster aus für das Börsenjahr 2012. Doch es kam anders. Nach einigen holprigen Monaten setzten die Aktienmärkte Anfang Juni zu einer fulminanten Hausse an. Über das ganze Jahr gemessen, stieg der Leitindex SMI um knapp 13 Prozent an, der breiter gefasste SPI reüssierte um gegen 16 Prozent.
Da ist es kein Wunder, dass bei der Bilanzierung meiner über das vergangene Jahr abgegebenen Aktientipps die Pluszeichen überwiegen. 41 Kaufempfehlungen machte ich, davon weisen 37 Kursgewinne auf. Nur orientiert sich eine echte Performancemessung am Vergleichsindex der jeweiligen Aktie. Doch auch da muss ich mich nicht schämen. Inklusive jener 29 Valoren, bei denen ich zum Verkauf riet respektive davor warnte, gab ich Tipps für total 70 Aktien. Davon haben nicht weniger als deren 50, also über 70 Prozent, die Benchmark geschlagen. Das ist das mit Abstand beste Ergebnis, seit ich meine Performance als Frank Goldfinger messe.
Die drei erfolgreichsten Kaufempfehlungen zwischen September 2011 und August 2012 – eine spätere Bilanzierung macht wenig Sinn – sind Bayer, Richemont und Asics; mit diesen drei Titeln waren im Durchschnitt 59 Prozent zu holen (siehe «Performance-Check»). Für Bayer bin ich weiterhin positiv, und auch die Titel der von Johann Rupert gemanagten Richemont bleiben attraktiv, obwohl sich das Riesenplus von 2012 kaum wiederholen wird.
HP im Kriechgang. Mit meinen Verkaufsempfehlungen respektive Warnungen habe ich die Benchmark fast ausnahmslos geschlagen. Der Rat zum sofortigen Ausstieg bei Mindset und MondoBiotech war keine Kunst; die Schieflage dieser Firmen ist kein Geheimnis. Zum wiederholten Mal warnte ich vor den Aktien von Hewlett-Packard. Die Titel crashten denn auch seit Oktober 2011 um weitere 45 Prozent. Meg Whitman hat es bislang nicht geschafft, den Technologiekonzern wieder auf Kurs zu bringen. Auch die Warnungen vor Sony (–44 Prozent), Research in Motion (–40 Prozent) und Von Roll (–30 Prozent) waren Volltreffer.
Ich will nicht verhehlen, dass einige meiner Tipps auch veritable Flops waren. So trugen die drei Kaufempfehlungen für McDonald’s, Airesis und Vetropack dem Anleger Kursverluste zwischen sieben und elf Prozent ein. Auch hatte ich vor der Spekulation um Newron Pharmaceuticals gewarnt – die Valoren schossen seither um 79 Prozent in die Höhe. Kein Ruhmesblatt war auch mein Lonza-Tipp. Im Juni 2012 schrieb ich: «Vorderhand sehe ich keine Gründe für einen Einstieg.» Innert sieben Monaten haussierten die Valoren um 50 Prozent. Die Bilanzierung von meinen 70 Empfehlungen finden Sie im Internet unter www.bilanz.ch/aktientipps.
Freundliche Börse. Und wie steht es mit den Börsenaussichten für dieses Jahr? Kaum ein Analyst, der nicht schöne Kursgewinne in Aussicht stellt. Die Börsen sind denn auch weltweit fulminant ins Jahr 2013 gestartet. Nur lässt es sich nicht verkennen: Die wichtigsten Rahmenbedingungen haben sich nur geringfügig verbessert. Europas Schuldenkrise beispielsweise hat sich etwas entspannt, gelöst ist sie aber nicht. Oder die berühmte Fiskalklippe, die im letzten Augenblick umschifft wurde und an den Börsen Euphorie auslöste – Ende Februar wird zur nächsten Runde geläutet.
Die Unsicherheiten also sind kaum geringer als vor Jahresfrist. Doch wer langfristig denkt und entsprechend investiert, den braucht dies nicht gross zu kümmern. Ich halte an meiner Anlagestrategie vom Vorjahr fest und konzentriere mich in den nächsten Monaten auf Schweizer Blue Chips mit hohen Dividendenrenditen wie Zurich Insurance Group, Swisscom, Helvetia oder Swiss Re. Die meisten Konzerne werden ihre Ausschüttungen stabil halten, einige sogar erhöhen.
Bestätigen sich die Anzeichen einer Konjunkturbelebung, ist eine teilweise Verlagerung in Titel von konjunktursensitiven Unternehmen angezeigt. Dazu gehören Holcim, ABB, Schindler, Georg Fischer, Vetropack und andere. Für meinen Geschmack unverändert zu risikoreich sind die Grossbankaktien. Credit Suisse und UBS sind noch lange nicht aus dem Schneider und dürften wohl auch in diesem Jahr weitere böse Überraschungen erfahren. Auch US-Aktien lasse ich, von einigen Erstklasswerten abgesehen, bis zur Jahresmitte links liegen; der Dollar wird anhaltend nach unten tendieren. Dafür bieten europäische Aktien Aufholpotenzial.
Reisefieber. In diesem Jahr werden wohl wieder einige Turnarounds von sich reden machen. Einer der heissesten Kandidaten auf bessere Zahlen ist Kuoni. Die in den USA und Europa stotternde Wirtschaft sowie rasante strukturelle Veränderungen in der Reisebranche – Stichwort Internet – haben an den Gewinnen des führenden Schweizer Touristikkonzerns genagt. Vor drei Monaten kündigte der oberste Reiseleiter, Peter Rothwell, einen Umbau an: Kuoni steigt aus verlustbringenden Reiseaktivitäten aus. Bislang wurde einiges abgestossen, weitere Devestitionen sind zu erwarten.
Nicht zuletzt wegen der Portfolio-bereinigungen mussten 2012 nochmals schlechte Zahlen verbucht werden. Dafür steht das Unternehmen in diesem Jahr weitaus stabiler da. Vor allem das Reisegeschäft in den Schlüsselmärkten Schweiz, Grossbritannien und Skandinavien sowie in Asien verläuft erfreulich. Zwar dürfte sich der Umsatz nur minim erhöhen, dafür sollten Betriebsertrag und Nettogewinn stark zulegen. Die deutlich rosigeren Aussichten haben sich an der Börse noch nicht niedergeschlagen. Über die letzten neun Monate verloren die Valoren gegen 20 Prozent an Wert, sie notieren gegen zwei Drittel unter dem Höchstkurs von 2007. Mit einem für 2013 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,1 bieten Kuoni eine gehörige Portion an Aufholpotenzial.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch.