Er wirkt wie der nette Opa von nebenan. Bedächtig sitzt Fred Hager im Besprechungszimmer der BILANZ, begleitet von seinem Neffen, der ihn chauffiert und überhaupt Mädchen für alles macht. Wohl nicht einmal ein aufmerksamer Beobachter würde hinter der Fassade des unauffälligen Herrn einen Mann vermuten, der eine amerikanische Tellerwäscherkarriere hinter sich hat. Innerhalb weniger Jahre schaffte Fred Hager den Sprung vom Schweizer Auswanderer zum amerikanischen Millionär. Sein Name zierte amerikanische Medientitel wie das «Wall Street Journal» und «Forbes». Quasi als Krönung seines Lebenswerks rangierte sein Börsenbrief im Jahr 2003 auf dem dritten Platz im Wettbewerb der besten amerikanischen Börsenbriefe. Im Jahr 2004 belegte Fred Hager sogar den ersten Platz: Er holte sich den Sieg mit einer Jahresperformance von nicht weniger als 155 Prozent.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Nun hat der Altmeister beschlossen, wieder in seine Heimat zurückzukehren. Seine neue Residenz bezieht Hager standesgemäss in Küsnacht ZH. Von dort aus will er den Schweizer Investoren den Zugang zu Reichtum und Börsen-Allwissenheit ebnen mittels seines neuerdings auch auf Deutsch erscheinenden Börsenbriefs unter www.fredhager.ch. Nicht gratis, versteht sich. Der Obolus für zwölf Monate beträgt 390 Franken.

Gut investiertes Geld, findet Hager. «Seit 1986 konnte ich eine jährliche Rendite von durchschnittlich 30,5 Prozent erzielen», so der 80-Jährige. Er spricht langsam und sehr leise. Es bereitet ihm sichtlich Mühe, deutsch zu sprechen – nach über 60 Jahren in den Vereinigten Staaten muss der Exilschweizer mit amerikanischem Pass tief in seinem Sprachenfundus kramen. «Anfang der Neunziger habe ich Microsoft und Intel zum Kauf empfohlen. Der Microsoft-Aktienkurs lag damals bei fünf Dollar. Das Unternehmen hatte jede Menge Rechtsstreitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs auszufechten. Überdies gingen IBM und Microsoft von diesem Zeitpunkt an getrennte Wege. Ich war überzeugt, dass Bill Gates mit seiner eingeschlagenen Strategie einst der reichste Mann der Welt werden würde.»

Hager kramt in seiner Tasche. Er zieht einen vergilbten Prospekt hervor und klopft mit dem Zeigefinger auf einige Namen. «Als ich mit dem Schreiben des Börsenbriefs begann, ging dieser nur an wenige Adressaten. Doch mein Erfolg sprach sich in institutionellen Kreisen schnell herum. Und so kam es, dass der bekannte internationale Finanzjongleur George Soros meinen Newsletter ebenso bezog wie der erfolgreiche amerikanische Hedge-Fund-Manager Julian Robertson oder Sir John Templeton, der Gründer der Fondsgesellschaft Templeton Group.»

Ein einst mittelloser Schweizer Einwanderer verriet also den Wall-Street-Grössen seine Anlagetipps. Noch dazu einer, der gar nicht vom Fach war. Fred Hager hatte ursprünglich eine Ausbildung zum Hotelfachmann durchlaufen. Seine Eltern besassen das Hotel Ochsen in Uznach, das er hätte weiterführen sollen. Stattdessen heuerte Hager mit knapp 20 Jahren als Steward auf einem Kreuzfahrtschiff an mit dem Ziel, so schnell wie möglich ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu gelangen. Dort angekommen, arbeitete er zuerst als Kellner, später als Vertreter von Staubsaugern sowie Tiefkühltruhen, um schliesslich selbst Tiefkühltruhen zu produzieren und unter die Leute zu bringen. Das Geschäft florierte in solchem Mass, dass er das Unternehmen in den sechziger Jahren an die Börse brachte. Fred Hagers Porträt zierte damals die Frontseite des Wirtschaftsteils der «Herald Tribune». Der Text dazu: «Ein amerikanischer Traum wird wahr. Armer Schweizer Immigrant schafft es innerhalb von nur fünf Jahren zum Millionär.»

So glatt lief es für Hager jedoch nicht immer. Mit seiner zweiten Geschäftsidee, einer Fastfoodkette à la McDonald’s, ging er baden. Hager expandierte viel zu schnell und schlitterte in Liquiditätsengpässe. Doch er erholte sich wieder und stieg ins Computergeschäft ein. Ausgestattet mit jeder Menge Branchenwissen, startete er 1986 einen Börsenbrief für Empfehlungen von Hightechtiteln. Eine seiner Maximen war und ist es, sich auf wenige Titel zu konzentrieren. So standen auch nie mehr als fünf Unternehmen auf seinen Empfehlungslisten. Zu Beginn der neunziger Jahre und somit beim Start ins Technologiejahrzehnt ging diese Strategie auch relativ risikolos auf. Später allerdings sollte es zusammen mit dem Technologie-Index Nasdaq auch mit Hager steil abwärts gehen. Es zeigte sich, wie riskant ein derart kleines, nur auf Technologie zugeschnittenes Portfolio sein konnte.

Beispiele gefällig? Fred Hagers Portfolio ist zwölfmal volatiler und damit risikoreicher als der Vergleichsindex Wilshire 5000. 1998 empfahl er in diversen Interviews den US-Titel Rambus zum Kauf. Der Kurs dieses auf Mikrochips spezialisierten Unternehmens verfünffachte sich in der Folge auf über hundet Dollar, um danach jedoch mit dem Zusammenbruch der New Economy und auf Grund jahrelanger Gerichtsstreitigkeiten wieder auf zehn Dollar abzusacken. Die Titel der von Fred Hager heiss empfohlenen Firma JDS Uniphase, die Glasfaserprodukte für die Mobiltechnologie herstellt, implodierten sogar regelrecht: Die Titel stürzten um 99 Prozent auf noch 1.50 Dollar ab. Hager, der verbissen sein Buy-and-hold-Prinzip verfolgt, setzte beide Titel bis heute nicht auf «verkaufen». Noch immer ist er davon überzeugt, dass beispielsweise Rambus dieses Jahr bei einem Kurs von 60 Dollar und in ein paar Jahren sogar bei 200 Dollar liegen wird.

Wie viel Fred Hagers Portfolio durch den Nasdaq-Niedergang verloren hat, ist für ihn «Ansichtssache». Er selbst argumentiert, dass er zwischen 2000 und 2004 eine durchschnittliche Performance von beachtlichen 47 Prozent habe erzielen können. Die unabhängigen Auditoren von Hulbert Financial Digest, einem Börsenbriefanalysedienst, hingegen gelangen in ihrer Analyse zu ernüchternden Zahlen: Von Anfang 2000 bis Ende 2004 erzielte der Hager-Börsenbrief eine Minusperformance von 40 Prozent.

Wie kann eine solche Differenz zwischen einem Prüfling und dem zu Prüfenden zu Stande kommen? Ganz einfach: Hager hat ein paar Kleinigkeiten unter den Tisch fallen lassen. So etwa, dass er zwei von vier von ihm gemanagten Portfolios dichtmachen musste wegen Totalverlusts. Das eine überdauerte nur eineinhalb Jahre, das andere erlebte nicht mal seinen ersten Geburtstag. Diese Geschehnisse finden auf Fred Hagers Website gerade mal in einer Fussnote Erwähnung. «Ich habe Rapporte darüber geschrieben, als die Fonds eingestellt wurden», rechtfertigt sich Fred Hager heute. «Man muss dies ja nicht so plakativ darstellen, denn es ist nicht die beste Werbung.» Genauso wenig, wie diese Misserfolge auf seiner Homepage ihren Niederschlag finden, spiegeln sich diese Schlappen in seinen Performancezahlen – ganz im Gegensatz zu den Analysten von Hulbert Financial Digest, welche die Negativergebnisse sehr wohl in die Gesamtperformance einfliessen lassen.

Nicht nur bei den zwei wie durch Magie verschwundenen Portfolios treten Ungereimtheiten auf, sondern auch auf Anfrage bei Hulbert Financial Digest. So schmückt sich Hager beispielsweise mit den Testaten eines Mark Hulbert – der dies gar nicht lustig findet. Und Hulbert ist kein Nobody in den Vereinigten Staaten. Der mediale Allrounder und Investment-Guru tritt regelmässig am Fernsehen auf, schreibt Kolumnen für die «New York Times», das «Wall Street Journal» oder auch für «Barron’s». Daneben gilt Hulbert auch als oberste Instanz in Sachen Auswertung von Börsenbriefen in den USA, von denen er jedes Jahr 180 analysiert.

Hulbert testierte Hager zwar, dass er im vergangenen Jahr alle anderen Börsenbriefe übertrumpfte. Gleichzeitig wehrt sich der Auditor aber massiv dagegen, Hager über die letzten knapp zwanzig Jahre eine Performance von jährlich durchschnittlich 40 Prozent zu bestätigen, wie dieser für sich reklamiert. «Hager wirbt damit, dass er seit 1986 seine Berichte an uns einschickt. Wir haben diese jedoch nie gelesen. Erst im Jahr 2000, als der Börsenbrief genügend Leser vorweisen konnte, begannen wir seine Empfehlungen auszuwerten», sagt Mark Hulbert.

Fred Hager kann über die letzten zwei Jahre fraglos eine aussergewöhnliche Performance vorweisen. Doch dürfen Investoren darüber nicht vergessen, dass Hagers Empfehlungen von Hightechtiteln hochriskant und nichts für schwache Nerven sind. Totalverluste müssen stets einkalkuliert werden.