Die Kurskapriolen im amerikanischen Aktienmarkt gehen weiter. Nachdem Kleinanleger mit geballtem Engagement in den Vortagen die Titel von Nebenwerten wie Gamestop und AMC Entertainment in dem Himmel gejagt hatten, sah es zuerst nach einer Umkehr aus: Im frühen US-Handel war es plötzlich nicht mehr möglich, über die populäre Kleinstanleger-Plattform Robinhood mit diesen «Meme-Aktien» (so das Buzzword) zu handeln. Die Kurse brachen ein.
In der Folge aber schaffte es die Crowd erneut, sich zu sammeln – teils über andere Tradingplattformen. Via Social Media bestärkten sich die Kleinanleger, jetzt nicht aufzugeben und die eigenen Bestände nicht abzustossen, sondern den «Kampf» weiterzuführen.
Gamestop lag nach mehrern Handelsunterbrechungen am Ende des US-Geschäfts um 44 Prozent im Minus. Allerdings legten die Titel im nachbörslichen Handel umgehend wieder zu – und erreichten das Vortages-Ausgangsniveau. Die Titel anderer «Meme-Aktien» wie AMC Entertainment und Bed Bath & Beyond konnten sich indes nicht mehr so sehr erholen.
Hedgefonds, die sich dort verspekuliert hätten, müssten sich nun von anderen Investments trennen, um diese Verluste auszugleichen, sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade.
Zuvor schon hatten viele im «Gamestop-Frenzy» einen Kampf von David gegen Goliath gesehen – Kleinaktionäre gegen das Finanzestablishment. Diese Deutung wurde nun durch das Delisting der «heissen» Aktien durch Trading-Plattformen bestärkt. Dies obwohl sich dieVerantwortlichen beeilten, ihre Erklärung vorzubringen. Sie lautet: Der Handel mit jenen Aktien waren so volatil geworden, dass das Settlement nicht mehr gemanagt und nicht mehr sichergestellt werden konnte.
Facebook schliesst Gruppe
Doch dann kam ein anderer Schlag hinzu: Facebook schloss in der Nacht die beliebte Aktienhandels-Gruppe Robinhood Stock Trades. Der Gründer des Wall-Street-Diskussionsforums, Allen Tran, bestätigte am Freitag, eine entsprechende Benachrichtigung von Facebook erhalten zu haben.
Demnach werde die 157'000 Mitglieder umfassende Gruppe «wegen Verletzung des Regelwerks» gesperrt. Facebook bestätigte ebenfalls die Massnahme – ohne weitere Erklärung.
«Zustand des Aktienmarktes»
Damit beschäftigt das Phänomen definitiv beschäftigt auch Politik und Gerichte. Gestern wurden bereits erste Sammelklagen von Kleinaktionären gegen Robinhood eingereicht. Der zukünftige Vorsitzende des Bankenausschusses im Senat, Sherrod Brown, kündigte Anhörungen «zum Zustand des Aktienmarktes» an.
«Die Leute an der Wall Street interessieren sich nur für die Regeln, wenn ihnen etwas weh tut», schrieb Brown. «Es wird Zeit, dass die SEC und der Kongress dafür sorgen, dass die Wirtschaft für alle funktioniert», erklärte er unter Hinweis auf die US-Börsenaufsicht.
Die Empörung über die Entscheidung von Robinhood zog sich über Parteigrenzen hinweg. Der Schritt sei inakzeptabel, schrieb die linke Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter. Sie wies darauf hin, dass Hedgefonds weiter frei handeln durften. Als Mitglied des Ausschusses für Finanzdienstleistungen im Repräsentantenhaus würde sie Anhörungen begrüssen. Ihr stimmte der erzkonservative republikanische Senator Ted Cruz zu.
Der Demokrat Ro Khanna forderte offen eine stärkere Regulierung der Märkte. Es müsse Schluss sein damit, «dass Hedge-Fonds-Milliardäre den Aktienmarkt wie ihren persönlichen Spielplatz behandeln und dann mit ihrem Ball nach Hause abziehen, sobald sie verlieren».
Auch in Europa färbte das Jo-Jo in den USA die Märkte ein – Börsianer erklärten die Abschwächung im Freitagshandel unter anderem mit den daraus entstehenden Risiken für das gesamte Finanzsystem. «Eine Schieflage bei Hedgefonds kann zu drastischen Verwerfungen führen», sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.
Vor diesem Hintergrund verlagerten einige Anleger Geld in «sichere Häfen» wie den Dollar oder ins Gold.
(sda/reuters ¦ rap/gku)