Die Berichtssaison für das erste Quartal 2023 hat ihren Hochpunkt durchschritten, und die meisten börsenkotierten Unternehmen haben relativ positive Zahlen berichtet. Offensichtlich halfen die Verbraucher den Unternehmen, die Realisierung der düsteren Gewinnprognosen zu vermeiden, mit denen die Aktienbären wegen zunehmender Sorgen über eine Konjunkturabkühlung gerechnet hatten. Die bisherigen Quartalsergebnisse zeigen relativ klar, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen grösstenteils ungebrochen ist, selbst wenn Unternehmen Preise erhöhen. Ein Paradebeispiel dafür ist der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble: Das Unternehmen übertraf die Gewinn- und Umsatzerwartungen und erhöhte sogar seine Umsatzprognose. Entsprechend schoss der Aktienkurs nach oben. Auch der Sektor zyklische Konsumgüter, der im Jahr 2022 noch unter Inflationsdruck litt und Gewinnspannen unter Druck sah, ist noch im Aufwind. Die Gewinnrezession scheint hier den Analystenschätzungen und Aktienkursentwicklungen zufolge noch weit entfernt zu sein.
Ein Paradebeispiel für diese Situation ist Porsche. Analysten hatten zwar scheinbar noch mehr von den sehr soliden Quartalszahlen erwartet, aber der Sportwagenbauer steigerte im ersten Quartal sowohl den Umsatz als auch den Gewinn deutlich. Auch Chipotle als grösster börsenkotierter Texmex-Fast-Food-Anbieter überzeugte die Anleger mit aussergewöhnlich guten Zahlen, denn steigende Margen sind das Thema in der Fast-Food-Branche: Auf der einen Seite heben die Unternehmen die Verkaufspreise an, auf der anderen Seite sinken die Preise der Inputkosten.
Über den Autor
Oliver Scharping ist Portfoliomanager beim Assetmanager Bantleon. Gemäss eigenen Angaben hat er beim Tessiner Investor Tito Tettamanti gelernt und einst mit Warren Buffett gespeist.
Derweil erläuterte Mastercard-CEO Michael Miebach in einer Telefonkonferenz, dass das starke Umsatz- und Gewinnwachstum des ersten Quartals die robusten Verbraucherausgaben und die Erholung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs spiegle. Konkurrent Visa äusserte sich ähnlich, während American Express über seine Plattform Rekordbuchungen für Restaurantreservierungen meldete. Und die US-Fluggesellschaft United Airlines betonte, dass eine Zunahme der Interkontinentalflüge die Gewinne beflügeln werde. Von einer Krise ist zumindest hier dank der ausgabefreudigen Konsumenten noch keine Spur zu sehen.
Im Technologiesektor starten vor allem die grossen Unternehmen durch
Von den elf Sektorgruppen des S&P 500 haben nur zwei in diesem Jahr besser abgeschnitten als der Sektor zyklische Konsumgüter, nämlich diejenigen, die von Big-Tech-Aktien angetrieben wurden. An der Spitze standen Microsoft und Meta. Ein krasser Kontrast zu den vermeintlichen Hiobsmeldungen des ersten Quartals, dass Meta, Apple, Google & Co. Mitarbeiter entliessen, die sie im Jahr 2022 zu viel eingestellt hatten. Auch Apple veröffentlichte Gewinn- und Umsatzergebnisse über den Analystenerwartungen, vor allem dank hoher iPhone-Verkaufszahlen. Bei den kleineren Tech-Unternehmen sieht man hingegen erste Zeichen der Zurückhaltung der Verbraucher, und die Aktienkurse von Pinterest, Snap & Co. sanken als Reaktion auf mageres Umsatzwachstum.
Erste dunkle Wolken am Aktienhorizont
Diese überwiegend positiven Nachrichten aus der aktuellen Berichtssaison sind aber erstens ein Blick in den Rückspiegel, und zweitens zeichnen einige Unternehmensergebnisse ein differenziertes Bild. Amazon beispielsweise meldete zwar einen Quartalsgewinn, der die Analystenschätzungen übertraf, teilte aber zugleich mit, dass Kunden nach Möglichkeiten suchten, Geld zu sparen. Umsatz und Gewinn von McDonald’s übertrafen ebenfalls die Schätzungen, aber CEO Chris Kempczinski zufolge kaufen die Kunden nun weniger Artikel pro Restaurantbesuch. Und der US-Automobilkonzern General Motors meldete zwar einen Umsatzanstieg in den USA und hob die Prognose für das Gesamtjahr an, warnte jedoch, dass die Preissetzungsmacht bei einigen Modellen nachlasse. Auch die Hotelketten Hilton und Marriott gaben trotz starker Ist-Zahlen eher vorsichtige Ausblicke für die kommenden Quartale. Am Aktienhorizont zeigen sich erste dunkle Wolken.
Unter dem Strich scheint es zwar für eine mögliche Gewinnrezession mindestens ein Quartal zu früh zu sein. Offenbar haben die Leitzinsanhebungen der Notenbanken noch nicht vollständig auf die Realwirtschaft durchgeschlagen. Sollten die makroökonomischen Frühindikatoren von Bantleon aber auch diesmal recht behalten, dürfte es bereits im nächsten Quartal auch an den Aktienmärkten mehr Anzeichen dafür geben, dass der private Konsum unter Druck kommt. Spätestens dann werden auch die breiten Aktienindizes deutlich nachgeben.
MAGMA als defensive Alternative
Wer sein Portfolio vor den anstehenden Turbulenzen schützen will, kann in defensive Unternehmen investieren, deren Geschäftsmodell eine Rezession und eine Verschärfung der Finanzierungskonditionen besser übersteht. Klassiker sind beispielsweise Grundnahrungsmittelhersteller à la Nestlé und Telekommunikationsunternehmen wie Swisscom. Interessanter sind aber die Technologieriesen aus dem Epizentrum der aktuellen Bankenkrise in Nordkalifornien, die mit milliardenschweren Bargeldbeständen und starken Cashflows als Puffer für eine kommende Rezession oder Finanzierungsengpässe glänzen und inzwischen ebenfalls als defensiv gelten: Das Akronym MAGMA (Microsoft, Apple, Google, Meta, Amazon) steht für eine Reihe bekannter Unternehmen, die bisher im schwierigen Umfeld ihre bilanzielle Stärke ausspielen konnten und zudem besonders vom aktuellen KI-Boom profitieren. Bis auf weiteres kann diese relative Stärke anhalten, auch wenn die Luft aus Bewertungsgesichtspunkten durchaus zunehmend dünner wird und der weitere Spielraum nicht grenzenlos ist.
Luxusgüter laufen weiter gut
Eine gute Alternative waren bisher und sind auch weiterhin kotierte Unternehmen mit idiosynkratischen Einflussfaktoren wie Anbieter von Luxusgütern, allen voran Hermès und Brunello Cucinelli. Hermès verzeichnete beispielsweise während der Pandemie das stärkste Wachstum unter den Ultra-High-End-Marken und profitiert nach wie vor von einer bisher kaum genutzten enormen Preissetzungsmacht. In Kombination mit langen Wartelisten ermöglicht dies dem Unternehmen, seine Marge auf Rekordniveaus zu etablieren und sogar noch zu steigern – auch wenn die Wirtschaft sich noch weiter abkühlen sollte oder die US-Schuldendeckendebatte aus dem Ruder läuft. Das Motto bleibt auch hier definitiv «auf Sicht fahren».
1 Kommentar
Hiobsmeldungen Entlassungen bei Apple? Woher haben Sie diese Information? Bisher hat man das Gegenteil davon gelesen, nämlich dass Apple im Gegensatz zu anderen keine grosse Entlassungen gemacht hat. - Ich hoffe, der Rest des Artikels ist besser recherchiert...