Das muss Franken-Obligationären die Tränen in die Augen treiben: Ob ABB oder Holderbank, CS Group oder UBS, mit dem richtigen Timing liessen sich mit solchen Klassikern der Schweizer Aktienbörse allein in diesem Jahr Kursgewinne von 20 Prozent und mehr einfahren. Wer hingegen in Franken-Obligationen investiert hatte, musste seit Jahresbeginn schon wieder Kurseinbussen hinnehmen. Denn bereits im vergangenen Jahr zeichneten sich solche Portefeuillepositionen durch eine Negativperformance aus, weil die Kapitalmarktrenditen im Gefolge höherer Inflationserwartungen markant gestiegen waren.

Ziehen nämlich die Zinsen an, so fallen die Notierungen von Festverzinslichen – und umgekehrt. Dazu ein konkretes Beispiel: Die 4,25-Prozent-Anleihe der Eidgenossenschaft, Laufzeit bis zum 2.12.2011, notiert 101,50 Prozent und rentiert etwa 4 Prozent. Steigt nun das Zinsniveau um 0,5 Prozentpunkte auf 4,75 Prozent, so sinkt der Kurs dieses Papiers auf 97,30 Prozent. Will der Anleger seinen 4,5-Prozent-Titel vor Fälligkeit verkaufen, muss er demnach einen Preisabschlag von 4,2 Prozent hinnehmen. Denn eine neue, vergleichbare Obligation erbrächte jetzt eine jährliche Zinszahlung von 4,75 Prozent. Zinsniveau und Preis einer Obligation bewegen sich also in unterschiedlichen Richtungen.

Auch für den weiteren Jahresverlauf ist auf Grund der robusten Konjunkturentwicklung ein weiterer Zinsanstieg nicht auszuschliessen – mit den entsprechend negativen Auswirkungen auf die Obligationenkurse. Obwohl die US-Notenbank die amerikanischen Leitzinsen auf ihrer jüngsten Sitzung unverändert bei 6,5 Prozent belassen hat, wäre eine Zinsentwarnung verfrüht. Alan Greenspan hat mit seinen sechs Zinserhöhungen in den vergangenen zwölf Monaten um insgesamt 1,75 Prozentpunkte bewiesen, dass er schnell reagiert, wenn sich Anzeichen einer konjunkturellen Überhitzung zeigen. So weist eine Vielzahl von Konjunkturindikatoren in den USA darauf hin, dass die Zinsbremse zu wirken beginnt. Aber die amerikanischen Stabilitätshüter betonen auch, es gebe bisher nur «vorläufige» Anzeichen einer Wachstumsverlangsamung und sie sähen weiterhin ein «Inflationsrisiko».

In Europa hätten die Risiken für die Preisstabilität in den vergangenen Monaten eindeutig zugenommen, mahnte kürzlich auch Wim Duisenberg, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Daher hat der EZB-Rat jüngst auch die Euro-Schlüsselzinsen mit 0,5 Prozentpunkten unerwartet stark angehoben. Wenig später zog auch die Schweizerische Nationalbank die Zinsschraube weiter an mit der Begründung, einem Teuerungsanstieg vorbeugen zu wollen.

Bemerkenswerterweise hat diese merkliche Erhöhung der kurzfristigen Geldmarktzinsen an den Kapitalmärkten kaum einen Niederschlag gefunden. Vielmehr sind die Renditen für zehn Jahre laufende Staatstitel beim Euro stabil geblieben und beim Dollar sogar leicht zurückgekommen. Abgesehen von der Schweiz, rentieren hier Bundesobligationen derzeit im Durchschnitt doch um 4 Prozent nach 3,5 Prozent zu Jahresbeginn. Was im internationalen Vergleich immer noch recht tief ist. So beträgt die Renditedifferenz zwischen Euro- und Schweizerfranken-Anleihen immer noch gut einen Prozentpunkt. Obwohl die Nationalbank die Zinsen in diesem Jahr stärker angehoben hat als die EZB – und auch kräftiger als die US-Notenbank.

Allerdings dürfte der Zinsgipfel insbesondere in Euro-Land noch nicht erreicht sein. Christoph Schweizer, Fixed-Income-Spezialist bei der Pictet Asset Management, macht auf zwei Probleme aufmerksam: Die New Economy postuliert ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum ohne grosse Inflationsgefahr. Mit den markanten Kurseinbrüchen an den Hightech-Börsen sind aber nun Bedenken aufgetaucht, inwieweit das New-Economy-Phänomen des nahezu unbegrenzten Wachstums Bestand haben wird. Womit auch die Einschätzung der künftigen Teuerungsraten wieder zur Diskussion steht.

Einen weiteren Unsicherheitsfaktor bildet der Erdölpreis. Weltweit befindet sich die Wirtschaft trotz allen Bremsmanövern der Notenbanken in einer starken Wachstumsphase. Unter den global bedeutenden Märkten hinkt nur noch Japan hinterher. Obwohl die Opec ihre Angebotsdrosselung gelockert hat, bleiben die Weltölmärkte angesichts sehr niedriger Lagervorräte und vor dem Hintergrund eines stark steigenden Ölverbrauchs knapp. Es mag zwar noch einige Zeit dauern, bis sich die vollen Auswirkungen des hohen Ölpreises in der Teuerung niederschlagen. Steigen aber erst einmal die Inflationserwartungen der Investoren, so ziehen auch die Kapitalmarktzinsen an, was zu Druck auf die Obligationenmärkte führt.

«Alle Jahre, in denen der Erdölpreis nach oben schoss, waren überdurchschnittlich schlechte Obligationenjahre», konstatiert denn auch Gion Reto Capaul, Finanzmarktspezialist bei der Zürcher Kantonalbank. Aber er hat auch gleich einen Trost: «In einem Abstand von ein bis drei Jahren folgten den mageren Jahren aber jeweils extrem fette.»

Wer seine Franken statt in Schweizer Obligationen in Fremdwährungstitel anlegte und sich dabei auf Dollar, Yen oder auch das britische Pfund fokussierte, konnte gleichwohl noch ordentliche Renditen einfahren. Da schenkten vor allem Währungsgewinne ein. Besonders markant kommt dies bei den Anlagefonds für Yen-Obligationen zum Ausdruck. Während in den vergangenen zwölf Monaten, in der japanischen Landeswährung gerechnet, eine Negativperformance resultierte, schaute für den aus dem Franken kommenden Investor eine schöne Rendite von rund 25 Prozent heraus. In diesem Zeitraum wertete sich nämlich der Yen gegenüber dem Franken um über ein Viertel auf. Im Gegensatz dazu war mit Euro-Obligationen nur eine relativ magere Rendite zu erzielen, weil sich der Franken gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung gut behaupten konnte. – Insbesondere wer sich ausserhalb des europäischen Währungsraums engagiert, sollte darauf achten, dass Risiken von Währungsschwankungen markant höher sind als die von Zinsänderungen.

Für die Abschätzung des Währungsrisikos gilt eine einfache Faustregel: Die Zinsdifferenz zwischen der Schweiz und dem entsprechenden Land, multipliziert mit der Laufzeit der Obligation, ergibt den Prozentsatz, um den sich die Fremdwährung gegenüber dem Franken während dieser Laufzeit abwerten dürfte. Auch dazu ein konkretes Beispiel: zehnjährige Dollar-Staatspapiere rentieren derzeit mit rund 6 Prozent. In der Schweiz werfen entsprechende Titel etwa 4 Prozent ab. Die Differenz, also 2 Prozentpunkte, multipliziert mit der Laufzeit von zehn Jahren, ergibt einen Abwertungsspielraum des Dollars von 20 Prozent. Erst wenn der Dollarkurs um diese 20 Prozent fallen sollte, rentiert sich das Auslandsengagement gegenüber Frankenanlagen nicht mehr.

Mit Währungsgewinnen wie in der jüngeren Vergangen-heit sollten Investoren vorab allerdings nicht mehr rechnen. Das Pfund ist von seinem Höhepunkt Ende April schon markant zurückgekommen. Zeigt Europa in den nächsten Monaten starke Konjunkturdaten, dürfte auch der Dollar unter Druck kommen und der Euro entsprechend fester tendieren. Tendenziell unter Aufwertungsdruck bleibt hingegen der Yen, da sich in Japan ein Ende der Null-Zins-Politik abzeichnet.

Wer in Obligationen investieren will, steht angesichts der Zins- und Währungssituation derzeit also vor einem Dilemma. Daher gilt vorerst Zurückhaltung mit Neuengagements in Festverzinsliche. Für ein Jahr festgelegte Franken-Geldmarktanlagen bringen derzeit immerhin knapp vier Prozent, und das ohne Kursrisiko. «Ich würde das Geld erst einmal ein paar Monate parkieren», meint auch Christoph Schweizer.
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