«Ein guter Hedge-Fund-Manager sollte schon mal so richtig Geld verloren haben», sagt Hans Hurschler von Man Investments im schwyzerischen Pfäffikon. Seit rund sieben Jahren sucht er für den Branchenleader weltweit nach talentierten Managern und investiert in sie.

Dabei sind Verluste für Hedge-Fund-Manager noch schlimmer als für traditionelle Fund-Manager. Im Unterschied zu diesen können Hedge-Fund-Manager für Verluste nicht fallende Märkte verantwortlich machen: Von ihnen wird erwartet, dass sie Gewinne erwirtschaften, egal ob die Märkte hinauf- oder hinuntergehen.

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«Verluste sind eine wichtige Erfahrung. Dabei zeigt sich, ob der Manager dem psychischen Druck standhalten kann», sagt Hurschler. Er ist ein lockerer Typ, die Haare sind zwar nach hinten gekämmt, aber nicht streng platt gegelt wie oft bei Private Bankern. So passt er perfekt in die globale Hedge-Fund-Szene, die sich meist ein bis zwei Spuren lockerer gibt als die Private Banker. Während Letztere den klassischen Konventionen verpflichtet sind, versuchen die Hedge-Fund-Manager neue Wege zu beschreiten, Konventionen zu sprengen.

Die Moderne Portfoliotheorie (MPT) in Frage stellen? Das gehört dazu in der Hedge-Fund-Szene. Ja, es wird sogar gern gesehen. Obwohl oder wahrscheinlich gerade weil die MPT heute an praktisch allen Universitäten weltweit gelehrt wird. Die MPT ist der Standard in der Investmenttheorie. Harry Markowitz erhielt für seine Basisarbeiten zur MPT zusammen mit Merton Miller und William Sharpe den Nobelpreis.

Auch Bruno Gmür, Gründer und Manager von Quantica, dem derzeit besten Schweizer Hedge Fund, sieht nur einen sehr begrenzten Nutzwert in der MPT (siehe Porträt auf dieser Seite). «Trotz des schönen Namens ist die MPT ein Konzept aus dem letzten Jahrtausend und wird massiv an Bedeutung verlieren. In unserem Investmentprozess jedenfalls hat sie schon heute keinen Platz mehr», sagt Gmür. Kurz gesagt, sind für ihn die Eingabevariablen der MPT (insbesondere erwartete Rendite und Korrelationen) zu unbeständig und zu schwierig zu prognostizieren. «Bereits kleine Änderungen bei diesen Eingabevariablen verursachen grosse Unterschiede bei den Resultaten, beispielsweise der idealen Aktienquote», sagt er. Meist liessen sich die Anlageausschüsse in Banken und Versicherungen damit nur ihre bereits vorhandenen Einstellungen quantitativ bestätigen. «Man kann an dem Modell etwas drehen und so praktisch jede Meinung bestätigen», sagt er.

Dass Gmür viel von Börsenanlagen versteht, belegt die Performance seines Fonds: eine jährliche Rendite von über 13 Prozent über die vergangenen fünf Jahre – netto für seine Kunden. Brutto sind es gar rund 18 Prozent pro Jahr, mehr als das Zehnfache der Performance des Schweizer Aktienindex SMI in der gleichen Periode. «Als Hedge-Fund-Manager muss man auch lernen, mit Gewinnen umzugehen und nicht abzuheben», sagt Gmür. Jeder Manager der zehn besten Schweizer Hedge Funds musste das über die vergangenen fünf Jahre lernen (siehe Tabelle im Anhang).

Fund-Szene Schweiz. Aus einem Universum von etwa 2800 Hedge Funds in der Datenbank von Bloomberg gibt es rund 80, deren Fondsmanagement in der Schweiz sitzt und die bereits ein Alter von mindestens fünf Jahren haben. Dafür, dass es so wenige sind, gibt es zwei wichtige Gründe: Erstens schliessen viele Hedge Funds bereits nach ein bis zwei Jahren wieder ihre Tore – meist weil die erwartete Rendite nicht erreicht wurde. Gemäss Hurschler trifft dieses Schicksal jede zweite Hedge-Fund-Gründung. Zweitens: Die Schweiz ist zwar ein gut organisierter und grosser Geldgeber für Hedge Funds – gemäss einer Studie der Credit Suisse kommt fast jeder siebte Franken, der in Hedge Funds fliesst, aus der Schweiz. Allerdings fliesst das meiste Geld ins Ausland, oft zu Hedge Funds in New York oder London. In die Schweiz gelangt nur etwa jeder hundertste Franken davon.

Die Schweiz ist also einerseits ein grosser Finanzierer, andererseits jedoch bloss ein kleiner Empfänger von Hedge-Fund-Geldern. Denn die Schweizer Finanzindustrie hat sich bisher vor allem in den sogenannten Funds of Hedge Funds (FoHF) engagiert. Diese Vehikel investieren in Hedge Funds (die in der Branche zu Unterscheidungszwecken auch Single Hedge Funds genannt werden). Gemäss dem Branchenverband, der Swiss Funds Association (SFA), gibt es in der Schweiz rund 500 FoHF mit rund 5000 Angestellten.

Dass die Bedeutung der Single Hedge Funds in der Schweiz klein geblieben ist, liegt auch daran, dass die Schweizer Banken ihre Handelsabteilungen in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr nach London verlegten. «Das muss man vor dem Hintergrund sehen, dass der klassische Weg eines Hedge-Fund-Managers im Handel einer Grossbank anfängt», sagt Hurschler. Weil es heute in der Schweiz wenige Händler gibt, ist weniger Potenzial für die Hedge-Fund-Szene vorhanden. Für deren Belebung wäre zu hoffen, dass die Schweizer Banken einen Teil des Handels in die Schweiz zurückbringen würden.

Immerhin ist schon ein bisschen neues Leben in die Schweizer Hedge-Fund-Szene zurückgekehrt. Es gibt Neuzuzüge, Rückkehrer und solche, die gleich hier in der Schweiz starten. Bruno Gmür beispielsweise wohnt in Schaffhausen, und darum ist sein Hedge Fund dort. Gianmarco Mondani und Marco Accorroni haben lange in London gearbeitet (Platz vier und acht unter den zehn Besten). Sie wollten aber wieder näher bei ihrer Heimat sein, näher beim italienischen Lifestyle, und sind darum nach Lugano gezogen. Zu den Neuzuzügern zählen Brevan Howard sowie die Hedge-Fund-Firma BlueCrest, die mit 50 Mitarbeitern und verwalteten Vermögen von rund 15 Milliarden Franken aus London nach Genf umzieht.

Die Gründe für die Anziehungskraft der Schweiz als Standort von Hedge Funds sind vielfältig. Die Steuern spielen eine Rolle, auch das Image des Finanzplatzes – dieses ist trotz allen Unkenrufen gar nicht so schlecht. Wichtig ist aber auch, dass sich die Manager in der Schweiz wohlfühlen. Nicht alle mögen den Grossstadtdschungel Londons. Viele schätzen den Mix von Stadt und Land in der Schweiz, die gute Infrastruktur und die Verlässlichkeit der Geschäftspartner.

Nähe wird wichtiger. Trotzdem ist die Übermacht von London erdrückend: Zwei Drittel des europäischen Geschäfts werden gemäss Branchenschätzungen dort abgewickelt. Das wird die Schweiz wohl nicht aufholen können. Aber mehr auf Single Hedge Funds fokussiert zu sein, wäre heute besser für den Schweizer Finanzplatz. Denn die Position der FoHF hat sich in den vergangenen zwei Jahren enorm verschlechtert. Ein FoHF sollte die besten Hedge Funds auswählen und eine gute Diversifikation anbieten. Beides ging in den vergangenen Jahren schief: Einerseits gehörten verschiedene FoHF zu den grössten Investoren bei schlechten Hedge Funds – zum Beispiel beim betrügerischen Hedge-Fund-Konstrukt von Bernard Madoff, der inzwischen im Gefängnis sitzt. Und was die Diversifikation betrifft, haben die FoHF auch keinen guten Eindruck hinterlassen: Im Jahr 2008 hat der durchschnittliche FoHF über 22 Prozent an Wert verloren (gemessen am Barclay Fund of Funds Index). Im gleichen Jahr haben nur vier der insgesamt 26 vom Hedge-Fund-Datenabieter «EuroHedge» gemessenen Single-Hedge-Fund-Indizes noch schlechtere Renditen erzielt. Die vom FoHF in der Schweiz verwalteten Vermögen sind denn auch massiv eingebrochen, gemäss dem unabhängigen Kompetenzzentrum für Finanzanalyse KK Research haben sie sich zwischen Mitte des Jahres 2008 und heute etwa halbiert.

Viele Investoren scheinen die Haltung einzunehmen, dass die FoHF ihren Preis nicht wert sind. Diese verlangen durchschnittlich eine Gewinnbeteiligung von zehn Prozent und eine Gebühr von einem Prozent der verwalteten Vermögen pro Jahr, wie KK Research berechnet und kritisch anmerkt.

Anders als für die FoHF hatten die verschiedenen Betrugsfälle für die Single Hedge Funds in der Schweiz dagegen auch ihr Gutes: «Die Investoren bevorzugen heute eher Hedge Funds, die ihnen örtlich nahe sind», sagt Jean-Evrard Dominicé, einer der beiden Manager des Cassiopeia Fund, der Nummer zwei in der Schweiz. «Die können sie jederzeit schnell besuchen, man kennt sich in der Branche und weiss, was der andere macht oder eben nicht», ergänzt er.

Die Zahl der Neugründungen in der Schweiz ist jedenfalls beachtlich. Es gibt viele Neugründungen: Während die Bloomberg-Datenbank nur 80 fünf Jahre alte Schweizer Hedge Funds auflistet, ist die Zahl der drei Jahre alten bereits rund doppelt so gross.

Auch im vergangenen Jahr sind wieder einige neue Hedge Funds gegründet worden. Unter anderen der Fonds Riverplus von Lambda Capital unter der Führung von Simon Biner. Eine interessante Neugründung: Sein sechsköpfiges Team machte zuerst die Zürcher Kantonalbank (ZKB) zur Nummer eins im Schweizer Optionshandel. Im Jahr 2005 hat Biners kleines Team 183 Millionen zum Handelserfolg von 331 Millionen Franken der ZKB beigetragen. Später wurde das gesamte Team von der Deutschen Bank abgeworben und machte den neuen Arbeitgeber wiederum zur Nummer eins im Optionshandel.

Allerdings rumpelte es auch schon wegen der Optionsgeschäfte des Teams. Hauptsächlich weil sie immer wieder im Umfeld der beiden österreichischen Investoren Ronny Pecik und Georg Stumpf Geschäfte machten. Biners Team war beispielsweise dabei, als im Sommer 2005 die österreichische Beteiligungsgesellschaft Victory die Kontrolle über Oerlikon übernahm – die damls noch Unaxis hiess. «Wir wenden die gleichen Strategien an wie schon für die ZKB und die Deutsche Bank», sagt Biner, «sind aber heute weniger im Emissionshandel im Kundenauftrag tätig.» Biner versucht nicht nur damit Geld zu verdienen, auf steigende oder fallende Märkte zu setzen, sondern vor allem mit Wetten auf die Änderung von Kursschwankungen, sogenannten Volatilitäten. Seit dem Start Ende Oktober des vergangen Jahres hat sein Hedge Fund rund ein Prozent zugelegt. «Wir sind vorsichtig gestartet und erhöhen nun die Risiken kontinuierlich, um die Zielrendite von 20 Prozent pro Jahr zu erreichen», sagt Biner. Sehr ambitiös. Mit seinem jungen Team, alle unter 40 Jahre alt, managt er bereits 60 Millionen Franken.

Etwas älter und schon länger mit einem Hedge Fund im Markt sind die Manager der Firma Alegra Capital. Mit einem ihrer Fonds, dem PvB Asset-Backed Securities Fund, haben sie im Jahr 2009 eine Performance von 127 Prozent erreicht und gehören damit zu den Besten der Welt. Sie sind in einem Spezialgebiet tätig, investieren in Finanzpapiere, denen besicherte Kredite aus Firmenübernahmen zugrunde liegen. Das lief im vergangenen Jahr zwar sehr gut, im Jahr davor dagegen sehr schlecht.

Damals standen die Fondsmanager von Alegra Capital vor einem Problem, das viele Hedge-Fund-Manager immer wieder haben. 2004 bis Anfang 2007 waren sehr gute Jahre für den Fonds, mit Performances meist im zweistelligen Prozentbereich. Dann verschlechterten sich für die Fund-Manager die Marktaussichten. Aber wegen der guten Performance der Vorjahre floss ihnen von den Investoren sehr viel Geld zu. «Wir fanden immer weniger gute Anlagemöglichkeiten für immer mehr Kapital», sagt Daniel Riediker, Partner und CEO von Alegra Capital. Er hätte gerne zugewartet mit dem Kaufen von neuen Finanzpapieren, aber die Investoren wollten Rendite sehen, nicht die Zurückhaltung der Fund-Manager.

Unter diesem Druck und mit dem Enthusiasmus der Vorjahre investierte man weiter in die Finanzpapiere, wenn auch zurückhaltender. Das Resultat war verheerend: minus 8,1 Prozent im Jahr 2007 und minus 70,4 Prozent im Jahr 2008. Nicht einmal die sensationelle Performance im vergangenen Jahr konnte das wieder geradebiegen. «Die Erfahrung der Verluste in den Jahren 2007 und 2008 hat uns nicht nur gelehrt, den Druck der Investoren und den eigenen Enthusiasmus in Zukunft besser im Griff zu haben, sondern auch die Anlagestrategie konsequenter auf mögliche grosse Marktwertschwankungen auszurichten», sagt Riediker. Erst wer einmal richtig Geld verloren hat, ist ein geläuterter Hedge-Fund-Manager.