Den Ökoanlagen haftet immer noch das Image des Handgestrickten an. Da investieren Grüne und Fundis – so die landläufige Meinung – ihre Sparbatzen in Anlagevehikel, die sich ihrerseits bei Unternehmen engagieren, die in irgendeiner Form etwas mit umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen zu tun haben. Und für diese das Gewissen beruhigende Geldanlage nimmt man natürlich gerne eine geringere Rendite in Kauf – hat doch das Huhn, das die goldenen Eier legt, Auslauf und lebt artgerecht in Bodenhaltung. Da ist das Ei eben teurer als jenes von der Henne aus der Legebatterie.
Dem muss nicht so sein. So genannte Ökofonds und entsprechende Beteiligungsgesellschaften erleben derzeit eine Renaissance, und das nicht zuletzt wegen ihrer guten Performance (siehe Tabelle «Ökofonds im Renditespiegel»). Um dem Umweltbewusstsein der Anleger ohne Renditeverzicht Rechnung zu tragen, mussten jedoch völlig neue Ansätze gewählt und in die Anlagepolitik umgesetzt werden, die mit der ideologischen Ausrichtung grüner Investments kaum noch etwas gemein haben. Ökoeffizienz und Nachhaltigkeit sind hier die Stichworte.
Der Begriff der «nachhaltigen Entwicklung» oder des «sustainable development» ist anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahre 1992 rund um den Globus bekannt geworden. Nachhaltigkeit gilt als ein Konzept, das allen Menschen erlaubt, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ohne die Lebenschancen der kommenden Generationen zu beeinträchtigen. Dabei sind ökonomische, soziale und ökologische Ziele a priori als gleichwertig zu verstehen. Wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verträglichkeit greifen nach diesem Verständnis ineinander und sind drei wesentliche Dimensionen eines einheitlichen Ganzen. – Zu dieser Erkenntnis hätte es eigentlich nicht des Erdgipfels von Rio bedurft. Publizierte doch bereits 1713 anlässlich der Leipziger Ostermesse der sächsische Oberberghauptmann von Carlowitz dieses heute weltweit diskutierte Umweltkonzept (siehe «Der Erfinder der Nachhaltigkeit»).
Ökoeffizienz wiederum ist die systematische Ausrichtung auf eine Produktionsweise, die Ressourcen schont und Umweltbelastungen so weit als möglich reduziert. Wichtige Kriterien zur Identifizierung von ökoeffizienten Unternehmen sind Energie- und Materialverbrauch, toxische, das heisst gefährliche Emissionen, Reziklierfähigkeit, Lebensdauer der Produkte sowie der Einsatz erneuerbarer Energien. Unternehmen, die den Prinzipien der Ökoeffizienz und Nachhaltigkeit nachleben, haben Untersuchungen zufolge international Wettbewerbsvorteile. Das wirkt sich positiv auf den Aktienkurs aus, wie sich belegen lässt.
Besonders augenscheinlich wird dies bei einem Vergleich des Dow Jones Sustainabilty Group World Index mit dem normalen Dow Jones Global Index: Mit Sustainability-Titeln hätten Investoren in den vergangenen Jahren deutlich höhere Gewinne realisiert. Dieser Nachhaltigkeitsindex wurde Anfang September letzten Jahres von Dow Jones Indexes und der Zürcher SAM Sustainable Group lanciert und bis Ende 1993 zurückgerechnet. Die in Zürich domizilierte SAM befasst sich seit mehreren Jahren mit der Integration von ökonomisch, ökölogisch und sozial nachhaltigen Unternehmensstrategien in Anlageentscheiden.
Bei der Julius Bär Asset Management hat man klare Vorstellungen darüber, welchen finanziellen Mehrwert man Vorsorgeeinrichtungen mit einem Engagement in nachhaltigen Werten bieten will. Mit Investitionen in Aktien von mittleren und kleineren Schweizer Wachstumsgesellschaften, die von einem Expertenteam nicht nur auf die finanziellen, sondern speziell auch auf die ökologischen und sozialen Perspektiven abgeklopft werden, soll der Small- und Mid-Cap Index (SMCI) langfristig pro Jahr im Schnitt um zwei bis fünf Prozent geschlagen werden. Das ist zwar ambitiös, aber nicht unrealistisch, wie neuere Untersuchungen zeigen. Das Basler Bankhaus Sarasin untersuchte in einer Studie für den Zeitraum zwischen Mai 1997 und Mai 1999, in welcher Abhängigkeit die Performance von Aktien eines Unternehmens mit dessen ökologischer und sozialer Qualität steht. Unter die Lupe kamen die Titel von 65 europäischen Firmen, die aus ökologischer und sozialer Sicht in ihren jeweiligen Branchen führend sind. Die Ergebnisse dieser Studie sind verblüffend: Bei Unternehmen aus Branchen wie Chemie, Pharma, Energie oder Bau, für deren Umweltverhalten das öffentliche Bewusstsein geschärft ist, liegen die Renditeerwartungen markant über den Marktrenditen. Und mit zunehmender Umweltperformance einer Gesellschaft steigt deren so genannte Überrendite.
Einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Sozialperformance eines Unternehmens und der Rendite konnten die Autoren der Sarasin-Studie allerdings nicht feststellen. Jedoch sind sie der Überzeugung, dass es auf Grund der starken Gemeinsamkeiten zwischen der sozialen und der ökologischen Dimension unternehmerischen Handelns nur eine Frage der Zeit ist, bis auch sozialverträgliches Wirtschaften auf den Kapitalmärkten mit einer höheren Rendite belohnt wird. Deshalb halten die Autoren Investitionen in sozial fortschrittliche Unternehmen für besonders interessant, obwohl etwa die grosszügige Entlöhnung von Mitarbeitern oder deren Beteiligung am Unternehmenserfolg zunächst einmal nur Geld kostet.
Mit der Implementierung von Ökoeffizienz und Nachhaltigkeit in den Anlageprozess hat an den Finanzmärkten ein Umdenken stattgefunden. Welcher Paradigmenwechsel da in relativ kurzer Zeit stattgefunden hat, zeigt sich exemplarisch an der Entwicklung des Anlagefonds Eco-Protec.
Die Credit Suisse war in der Schweiz mit dem 1990 lancierten Eco-Protec die erste Grossbank, die einen ökologischen Fonds anbot. Investiert wurde ausschliesslich in Unternehmen aus dem Bereich Umwelttechnologie. Denn diese Branche hatte in den Achtzigerjahren einen sagenhaften Boom erlebt. Das Thema Umweltverschmutzung und ihre Bekämpfung wurde damals ganz gross geschrieben. Man wollte diese Welt wieder sauber machen. Die Hersteller von Luftfiltern, Messtechnikgeräten oder Wasseraufbereitungsanlagen konnten die Nachfrage kaum bewältigen. Die Kurse von Entsorgungsunternehmen wie Waste Management schossen in die Höhe. Während sich der Aktienindex S&P 500 zwischen 1980 bis 1990 verfünffachte, legte der Umweltindex S&P Pollution Control im selben Zeitraum um das 13fache zu.
In diesem Umfeld kam im Oktober 1990 die Credit Suisse mit dem Eco-Protec an den Markt. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, wie sich bald herausstellen sollte. Die USA schlitterten in eine Rezession; der Dollarkurs brach ein, vor allem auch gegenüber dem Schweizerfranken. Und die amerikanische Valuta blieb lange Zeit äusserst labil. Der Eco-Protec aber war in seinen Anfängen stark in Aktien amerikanischer Umwelttechnologieunternehmen engagiert, weil die Fondsverantwortlichen bei den Kriterien für die Titelauswahl ausgesprochen strenge Massstäbe anlegten.
Je nach interner Klassifizierung mussten bei einem Unternehmen, in das der Eco-Protec investieren wollte, 75 oder 50 Prozent des Umsatzes beziehungsweise des Gewinns aus der Umwelttechnologie resultieren. Rund 75 Prozent der Fondsanlagen sollten mehr oder weniger reinrassige Umwelttechnologietitel aus diesen beiden Kategorien ausmachen. Da fiel selbst eine Elektrowatt, damals Betreiber der grössten Solaranlage in der Schweiz, durch den Raster, weil der Umweltanteil am Gesamtergebnis zu niedrig war. Und da in Europa die meisten Umweltfirmen in Konglomerate mit einem hohen Anteil konventioneller Technologie eingebunden waren, musste man mit den Fondsengagements auf reinrassige Umweltunternehmen mittlerer Grössenordnung in den USA ausweichen. Die Fesseln waren bald einmal zu eng.
Dazu kam, dass die Unternehmen den Umweltschutz zunehmend in den Produktionsprozess integrierten, Umweltprobleme also schon an der Quelle eliminierten. Produkte und Dienstleistungen von im Umweltschutz engagierten Firmen wurden weniger nachgefragt. Dem Eco-Protec war schliesslich wegen ungenügender Diversifikation, schwachen Dollars und magerer Performance kein Erfolg beschieden.
Deshalb fand im Sommer 1997 eine Neuausrichtung des Eco-Protec statt; gleichzeitig wurde der Fonds in CS EF (Lux) Eco Efficiency umbenannt. Seither investiert das Management weltweit in Aktien von Unternehmen, die als Best of Class bezüglich Ökoeffizienz gelten. Bei diesem Ansatz wird – und das ist nicht unumstritten – in alle Branchen, also auch in Chemie, Automobil oder Luftfahrt investiert. Allerdings nur in solche Firmen, die den Nachweis erbringen, dass sie innerhalb ihrer Branche wesentlich erfolgreicher hinsichtlich Umweltschutz wirtschaften als das Gros ihrer Mitbewerber.
Da liegen in den Portefeuilles von Ökofonds und von auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Beteiligungsgesellschaften dann Titel wie die des Energiegrossverbrauchers Holderbank, von Automobilherstellern wie Toyota und Volkswagen oder von Chemieunternehmen wie Henkel und Dow Chemical, die einst wegen der Produktion von Napalm in die Kritik geraten war. Selbst wenn die meisten Anbieter Investitionen in Rüstung und Kernenergie ausschliessen oder sich bei der Gentechnologie zurückhalten – Genfood nein, Medizin ja –, muss dies für ökologische Fundamentalisten ein Graus sein.
«Das ist natürlich eine philosophische Frage, doch die meisten privaten Anleger sind keine Fundamentalisten», meint dazu Professor Thomas Dyllick vom Institut für Wirtschaft und Ökologie an der Hochschule Sankt Gallen. Mit dieser neuen Generation von Anlageobjekten werde nicht mehr der Nischenanleger angesprochen, der sein Scherflein zu einer alternativen Bank oder Ökobank bringe. «Hier wird ein sehr viel grösserer, attraktiver Markt erschlossen.» Den Anleger gelte es nur zu überzeugen, dass es keine Alternative sei, überhaupt nicht in die Luftfahrt- oder Automobilbranche zu investieren, wenn man eine ökologische Gesinnung habe. «Man sollte als Investor vielmehr die ökologisch fortschrittlicheren Player einer Branche stärken», so Dyllick.
Allerdings sieht der HSG-Professor die Analyse von Unternehmen bezüglich ihrer Nachhaltigkeit erst in einem frühen Stadium: «Wir haben noch zu wenig Erfahrung, dass sich hier schon Massstäbe hätten herausbilden können, die man prüfen und weiterentwickeln kann» – dies im Gegensatz zur Finanzanalyse. Doch die Entwicklung schreite jetzt mit grösseren Schritten voran. So erlaube die Lancierung des Dow Jones Sustainability Group Index (DJSGI) den Akteuren an den Finanzmärkten, eigene Nachhaltigkeitsprodukte zu beurteilen und zu strukturieren. Die HypoVereinsbank hat auf diesem Index basierende Zertifikate auf den Markt gebracht. Der Fondsgesellschaft Robeco dient der Index als Benchmark für ihren auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Anlagefonds. Auch ein Angebot der Anlagestiftung der «Basler» für Pensionskassen basiert auf dieser neuen Messlatte.
Andreas Knörzer, bei der Bank Sarasin Manager der beiden Anlagefonds OekoSar Portfolio und ValueSar Equity, überlegt sich ebenfalls, ob er für das eine oder andere Produkt, das sein Haus Investoren anbieten könnte, eine DJSGI-Lizenz erwerben soll. Obwohl er wie auch einige seiner Kollegen etwas skeptisch ist, weil der Index für Nicht-Lizenznehmer eine Art Blackbox ist. Der Index umfasst über 200 Titel aus mehr als 20 Ländern. Abgesehen von einigen Spitzenreitern, wird aber nicht öffentlich gemacht, welche Werte der Index umfasst. «Zum Schutz der Lizenznehmer, damit diese erst einmal ihre Produkte am Markt platzieren können», sagt Reto Ringger, Chef der Sustainable Asset Management. Sonst würden sich private und institutionelle Investoren direkt in den Indextiteln engagieren.
Eine Publikation der im Index enthaltenen Aktien ist allerdings für das erste Quartal dieses Jahres vorgesehen. Wenn da der Schuss mal nur nicht nach hinten losgeht. Denn sollten Anleger, die auf dem Index basierende Produkte erworben haben, oder gar Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und der World Wildlife Fund (WWF), dann Titel finden, die mit Ökologie nur am Rand oder überhaupt nichts zu tun haben, werden die Initianten des Index und die Lizenznehmer Erklärungsbedarf haben.
Daher auch die Skepsis von Knörzer, der für sich in Anspruch nehmen kann, mit dem OekoSar, der in Aktien und Obligationen investiert, in der Schweiz als Erster das Konzept der Nachhaltigkeit und Ökoeffzienz konsequent umgesetzt zu haben. An dessen Ausarbeitung für die Umsetzung im Fonds war die Basler Ellipson massgeblich beteiligt (siehe «Hohe Messlatte für Ökoanlagen»). Zunehmend an Bedeutung gewinnt bei den beiden Umweltfonds der Bank Sarasin die soziale Komponente im Verhalten eines Unternehmens, die laut Knörzer heute bei der Gesamtanalyse schon hälftig gewichtet wird.
Auf einen solchen Stakeholder-Value-Ansatz legen nämlich Investoren zunehmend Wert. Das hat man beim globalen Mischfonds Prime Value zeitig erkannt. Fondsmanagerin Elisabeth Höller, Geschäftsführerin der Dr. Höller Vermögensverwaltung und Anlageberatung in Zürich, erläutert das: «Wir berücksichtigen, welche Wertschätzung ein Unternehmen beziehungsweise eine Institution, in die investiert wird, allen relevanten Anspruchsgruppen entgegenbringt.» Dazu gehören Aktionäre und Obligationäre, Kunden wie Lieferanten, Mitarbeiter und Öffentlichkeit sowie nicht zuletzt die Umwelt. Grundsätzlich steht dem Fondsmanagement das gesamte Anlageuniversum zur Verfügung. Doch müs-sen die einzelnen Wertpapierpositionen durch einen ethisch-ökologischen Filter, wozu auch ausführliche Managementbefragungen gehören, die von den Unternehmen nicht immer goutiert werden.
Wie auch die Fragen von Ethos-Stiftungspräsident Dominique Biedermann, wenn dieser auf Generalversammlungen Schweizer Gesellschaften auftritt. Ethos verwaltet für derzeit 73 Pensionskassen etwas über 700 Millionen Franken. Jedes Unternehmen, in das die Anlagestiftung investiert, wird nicht nur einer Finanz-, Umwelt- und Sozialanalyse unterzogen. Auch nimmt man mit Hilfe von internationalen Beratern die Tagesordnungspunkte für die Generalversammlungen genau unter die Lupe. Kritische Fragen zur Anfang Dezember 1997 angekündigten Fusion von Bankverein und Bankgesellschaft gaben Anstoss zum «Statusbericht Integration 1998», den die neue UBS im April 1999 vorlegte.
Anlässlich der Generalversammlungen von Adecco und Bobst im vergangenen Jahr widersetzte sich Ethos Vorschlägen des Verwaltungsrates, durch die die Interessen von Minderheitsaktionären beschnitten werden sollten. Die Vorschläge der Verwaltung kamen zwar in beiden Fällen durch. «Wir waren natürlich in der Minderheit», räumt Biedermann ein. Aber künftig werden sich Unternehmen vermehrt Fragen solch institutioneller Investoren stellen müssen. Denn schliesslich gehören die Pensionskassen nicht ihren Geschäftsführern, sondern den Versicherten. Und diese werden auf Umweltprobleme zunehmend sensibler reagieren.