Die alljährliche Geburtstagsfeier der Migros geht zurück auf den Genossenschaftsgründer Gottlieb (Dutti) Duttweiler höchstpersönlich: Der fürsorgliche, selber kinderlose Patriarch wünschte sich vor seinem Tod im Jahre 1962, dass seine Nachfolger mitsamt ihren Gemahlinnen sich fürderhin regelmässig in einer Nobelherberge laben sollten. Früher oft im «Bürgenstock» oberhalb vom Vierwaldstättersee, später mal im «Montreux-Palace» oder im «Victoria-Jungfrau» in Interlaken. Hintersinn der Tafelrunde: Duttweilers Enkel und Urenkel sollen harmonieren, sich einfach lieb haben.
Beim letzten Nachtmahl aber signalisierte schon die Tischordnung Disharmonie. Der Restaurantchef dürfte die Platzkärtchen ja kaum ohne Regieanweisung der Migros aufgestellt haben. Und so dinierte Pierre Arnold, der Präsident der Gottlieb-und-Adele-Duttweiler-Stiftung, am Tisch eins gemeinsam mit Jules Kyburz, seinem Nachfolger im Amt des Präsidenten beim Migros-Genossenschafts-Bund (MGB). Das scheint in Ordnung. Doch warum liessen sie, obwohl in ihrer Mitte Platz gewesen wäre, den Verwaltungsdelegierten Peter Everts weit entfernt am Eck platzieren? Wird der vermeintlich mächtigste Migros-Manager nach nur knapp drei Jahren an der operativen Spitze bereits wieder demontiert? Steht Everts gar als designierter Kyburz-Nachfolger zur Disposition?
Denkbar ist das. Peter Everts ist Opfer des Systems, in dem er gross geworden ist. Stures Festklammern am Fundamentalföderalismus, bisweilen gar wider besseres Wissen, lähmt den gesamten Organismus. Die Paralyse schlägt sich sichtbar in einem flauen Geschäftsgang und einem Mangel an Innovation nieder. Im Detailhandel wird Migros seit Jahren von Coop geschlagen. Nicht mal das Kundenbindungsprogramm Cumulus sorgte für Mehrumsätze. Für Tochtergesellschaften wie Ex Libris oder ABM fehlt eine kohärente Strategie. Am Vorstoss ins Ausland werkelt die Migros-Führung seit Jahren erfolglos. Dass die Grossoffensive im Ausland (Konsum Österreich) zum Eigentor mutierte, wird verdrängt. Mehr als 300 Millionen wurden in den Sand gesetzt. Doch was solls? Wir haben es ja. 43,2 Prozent Eigenkapitalquote sind doch für jeden Unternehmer ein gepolstertes Ruhekissen.
Dabei lassen sich die wirklichen Probleme der Migros an genau zwei Händen abzählen: Es sind die zehn Regionalfürsten der Migros-Genossenschaften zwischen Basel und Carouge GE, in S. Antonino TI und Ecublens VD. Nach aussen werden sie angesichts des schleppenden Geschäftsgangs scheinbar immer ungeduldiger. Im Inneren der Gruppierung lassen sich die standhaften zehn jedoch immer stärker selbst als eigentliches Problem lokalisieren. «In ihren Strukturen liegt die Migros fest», urteilt nüchtern der frühere Metro-Manager Jan W. Heydorn. «Mehrere parallel agierende Regionalkonzerne verhindern die Durchschlagskraft des Konzerns», nennt der Wahlschweizer aus Meggen den latenten «Schwachpunkt».
Dabei wäre gerade diese zentrale Power angesichts der immer rasanteren Konzentration im internationalen Einzelhandel unerlässlich. Der (ewige) Branchenzweite Coop hat das erkannt, löst sukzessive die Regionalgenossenschaften auf - und macht Marktanteile gegenüber dem Primus Migros gut. «Die Coop war angeschlagen, musste reagieren, um überhaupt zu überleben», beschreibt ein Handelsexperte den Unterschied: «Der Migros geht es einfach noch zu gut.» Das löst hörbar Verdrängungsmechanismen aus. Der Präsident der Verwaltungsdelegation, Kyburz, will denn auch von einer tiefgreifenden Krise nichts wissen: «Wir haben die besten Resultate.» Er verschweigt allerdings, dass Migros einen signifikanten Preisverfall bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen nur mager an die Konsumenten weitergegeben und dafür die Margen fett angereichert hat. Insgeheim erkennt Kyburz aber wohl doch die Gefahr, wenn er im jüngsten Geschäftsbericht mahnt: «Die föderalistische Organisation darf nicht zur ideologisierten Denkform erstarren.»
Kyburz’ schärfster Kritiker, sein früherer Kollege und langjähriger Migros-Finanzchef Beat Kaufmann, geisselt allerdings den Präsidenten als Schöpfer eines verhängnisvollen «Feudalsystems», als Mann, der «nur Leute seines Vertrauens, seine Duz-Brüder duldet», folglich visionäre Querdenker ausbremst. Unter (Duz-)Brüdern verzeiht man sich auch schwerste Fehlgriffe. Auf Gegenseitigkeit. Industriechef Anton Scherrer, als Vizepräsident der Verwaltungsdelegation die nominelle Nummer zwei, verbrät bei einem Fehlinvestment in Südfrankreich etliche Millionen. Verziehen - ebenso wie der stümperhafte Ausflug nach Österreich. Der Hauptverantwortliche dafür, Eugen Hunziker, Everts’ Vorgänger, schied zwar später 1997 aus - allerdings ging er ganz planmässig aufs Altenteil. Ein Sitz in der Verwaltungsdelegation bleibt Hunziker selbstredend.
Unterlassen statt unternehmen ist auch unter Everts angesagt. Das hatte schon vor gut fünf Jahren der inzwischen tödlich verunglückte deutsche Handelspapst Professor Bruno Tietz der Migros in seiner Studie «Einzelhandelsperspektiven für die Schweiz bis zum Jahre 2010» nachgesagt. «Das ehemals brillante unternehmerische Element» wandelte sich für Tietz «in ein eher verwalterisches». Ein angeblich genialer Schachzug in diesem Jahr untermauert die These von Tietz. Da verbündet sich die Migros vollmundig mit dem führenden deutschen Baumarktriesen Obi, wird rechtlich sogar Obis Franchisenehmerin, muss dafür also 2,5 Prozent vom Umsatz als Lizenzgebühren zahlen. Doch wer war der Schöpfer von Do-it-yourself-Märkten, den Vorgängern heutiger Baumärkte in Europa? Migros-Vater Duttweiler vor genau vierzig Jahren! Obi? Gab es da noch gar nicht.
Attacken gegen die geschäftsführende Verwaltungsdelegation des Migros-Genossenschafts-Bundes treffen allerdings das falsche Ziel. Weder Kyburz als Präsident des Migros-Genossenschafts-Bundes noch Everts als Chef der angeblich geschäftsführenden Verwaltungsdelegation noch dessen Titular-Vize Scherrer haben ein Weisungsrecht. Und erst recht nicht der Testamentsvollstrecker Pierre Arnold.
Wie die Machtstruktur bei Migros tatsächlich verteilt ist - und auch ausgeübt wird -, geriet durch die mediale Multipräsenz von Kyburz & Co. (Everts, Bonorand) offenbar in Vergessenheit. Die eigentliche Macht im Migros-Konglomerat nämlich liegt bei den völlig autonomen Regionalgenossenschaften - und dort wiederum allein bei deren geschäftsführenden Direktoren. Und diese «Regionalfürsten pochen auf ihre sehr eigenständige Politik», weiss Kaufmann aus eigener leidvoller Erfahrung.
Weil diese eher unbekannten, in Wahrheit jedoch wirklichen Herrscher des Handelsimperiums sich zwar für den Erfolg, nie jedoch für Missmanagement verantwortlich fühlen - und sich schon gar nicht in die Verantwortung nehmen lassen -, müssen halt prominentere Kollegen über die Klinge springen. Die Landesfürsten heuern und feuern die Mitglieder der geschäftsführenden Verwaltung nach Gutdünken. Die beiden gerade verabschiedeten Marketingchefs Bernard Loeb (Food) und Hermann Hasen (Non-Food), der abrupte Abgang von ABM-Sanierer Marcel Zumbühl und der Laufpass, den Migros-Werbeleiter Paul Riesen erhielt, werden garantiert nicht die letzten Top-Personalien bleiben. Die Macht der Regionalgenossenschaften scheint unkontrollierbar. «Die sind doch längst zu Erbmonar- chien verkommen», höhnt Kaufmann, der ein Vierteljahrhundert in exponierter Stellung für den Migros-Bund gearbeitet hat und den wachsenden Filz aus nächster Nähe machtlos beobachten musste.
In der Tat wirken einige der regionalen Genossenschaften wie Familienfirmen. Rolf Friedens Vater Alfred war Chef der Migros Zürich, der Innerschweizer Ernst Weber ist der Adoptivsohn des früheren Luzerner Migros-Chefs Rudolf Weber; Ulrich K. Hochstrasser folgte seinem Vater Charles bei der Migros im Tessin, nachdem der Senior zum MGB-Präsidenten aufgestiegen war. Angeblich steht mit Riccardo Hochstrasser die dritte Führungsgeneration aus dem Hause Hochstrasser in den Startlöchern. Kyburz-Sohn Peter amtet als Vizedirektor bei der Regionalgenossenschaft Aare. Eugen Hunziker, bis zum vorletzten Jahr Everts’ Vorgänger als operativer Chef beim orangen M, hatte bei seinem kometenhaften Aufstieg vom Globus-Lehrling in den Migros-Olymp kaum Nachteile als Schwiegersohn von Franz Schmid, dem allmächtigen Migros-Boss in Zürich.
Nicht immer kann die regionale Nachfolge in der Familie geregelt werden. Als menschlich, jedoch keineswegs im Sinne einer optimalen Geschäftsführung, bewerten besorgte Beobachter der Migros die Tatsache, dass die Chefs der Genossenschaften die nächste Generation von Direktoren stets selbst aussuchen. «Wer will schon, dass seine eigene Lebensleistung vom Nachfolger übertroffen wird?», beschreibt ein Insider die Folgen des reduzierten Auswahlverfahrens.
Der heutige Zürich-Chef Peter Birrer war zuvor Verkaufsleiter ohne viel Fortune in Luzern. Aare-Chef Herbert Bolliger versteht zwar viel von elektronischer Datenverarbeitung; in seiner aktuellen Aufgabe, das 2,8-Milliarden-Franken-Ladennetz auf Vordermann zu bringen, gilt der Technokrat allerdings als überfordert. Gruppenintern lieferte die Migros Aare im Mittelland mit einem Umsatzminus von 0,3 Prozent im vergangenen Jahr das zweitschlechteste Ergebnis ab. Ob die Leitung eines Manor-Warenhauses, die der heutige Migros-Basel-Chef Werner Krättli in seiner Vita ausweist, wirklich ausreicht als Qualifikation für höhere Aufgaben, bezweifeln Handelskenner. 1998 jedenfalls landete Basel mit einem Minus von 0,4 Prozent als Schlusslicht in der internen Migros-Rangliste.
Die Mehrzahl der Genossenschaften, nämlich sechs von zehn, lag auch im vergangenen Jahr noch unter den Umsätzen von 1995. Den Herrschern der Regionen täte, bevor sie die Schuld dafür der Zürcher Zentrale in die Schuhe schieben, ein Blick über die Landesgrenze nach Deutschland gut. Da gab es noch in den Fünfzigerjahren Dutzende selbstherrlicher Konsumgenossenschaften. Reihenweise verschwanden sie seither vom Markt, weil die Genossen den Wandel im Handel in ihrer Selbstgefälligkeit einfach ignorierten, die Treue ihrer Mitglieder überschätzten. Ende der Achtzigerjahre stand die Coop in Frankfurt am Main vor dem Ruin. Dutzende von Geldhäusern, auch Schweizer Banken, büssten rund zwei Milliarden Mark ein. Zuletzt meldete die Konsumgenossenschaft Dortmund-Kassel vor gut einem Jahr Konkurs an. In Dortmund hatten die Discount-Pioniere Karl und Theo Albrecht im Jahre 1962 - Duttweilers Todesjahr - ihren ersten Aldi-Laden eröffnet. Ebenfalls 1962 liess in Amerika ein Kaufmann namens Sam Walton erstmals das Firmenlogo Wal-Mart an ein fensterloses Verkaufshaus schrauben. Die Migros war da dank Duttis Visionen längst eine Milliardenmacht.
Wal-Mart wird in diesem Jahr weltweit mehr als 150 Milliarden Dollar umsetzen. Prognose für die nächsten fünf Jahre: eine nochmalige Verdopplung auf 300 Milliarden Dollar. Mindestens 60 Milliarden Dollar davon sollen dann Wal-Mart-Filialen in Europa beisteuern. Firmenaufkäufer reisen seit Monaten durch Europa. Dass die Amerikaner an einer Denner-Übernahme interessiert sein könnten, scheint bei näherer Betrachtung unwahrscheinlich. Aber die 21 Waro-Zentren und Supermärkte aus dem Denner-Netz und die zehn Jumbo-Grossmärkte aus dem Handelsimperium der Maus Frères? Allen Dementis zum Trotz haben bestimmt auch Denner-Patriarch Karl Schweri und Maus Frères als scharf kalkulierende Kaufleute eine Schmerzgrenze, bei der sie ihre Nebengeschäfte mit goldenen Gewinnen hergeben würden, um mit dem ausserordentlichen Ertrag das Stammgeschäft zu stärken. Pierre Gourgeon, der Präsident der zweitgrössten französischen Filialkette Intermarché, trifft den Kern der wilden Spekulationen: «Oft sind diese Gerüchte unbegründet, aber regelmässig werden sie wahr.»
Mit einer halben Milliarde Franken für 20 Waro-Zentren und Hypermarchés könnte Karl Schweri seine Denner endlich zum wirklichen Dicounter à la Aldi renovieren. Die Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht führen deutlich weniger als die von Schweri angepeilten 1000 Artikel in ihrem Sortiment und addieren dennoch umgerechnet rund 40 Milliarden Franken Jahresumsatz. Dass die Discounter hier zu Lande augenscheinlich manche Chance im Wettbewerb gegen das Duopol Migros und Coop vertan haben, wird deutlich durch eine weitere Zahl: Rund 30 Prozent des deutschen Lebensmittelumsatzes landen bereits in den Kassen von Discountern. Darunter finden sich längst auch reichlich Franken und Rappen. So zieht Aldi auch ohne eigene Präsenz in der Eidgenossenschaft Schweizern jedes Jahr etliche Millionen Franken aus dem Sack. Grenznahe Aldi-Läden sind dank den «Legionen von Schweizer Kunden» (Kaufmann) die absoluten Umsatzspitzenreiter im ohnehin rekordverdächtigen Bestsell-Imperium der Albrechts.
Gefahr droht aktuell zusätzlich auch aus dem Westen. Carrefour-Chef Daniel Bernard, als langjähriger Topmanager bei der Metro in Baar ein Kenner des schweizerischen Handels, plant ein Comeback des französischen Riesen nach dessen schmachvollem Abgang vor einem Jahrzehnt. Seither haben die Händler aus Paris selbst reichlich Know-how im Ausland gesammelt - und gerade vor wenigen Wochen durch die verabredete Fusion mit Promodès reichlich Kompetenz (und Nachfragemacht) hinzugewonnen. Dieser neue Euro-Riese entthront den bisherigen Branchenprimus Metro, wird in diesem Jahr umgerechnet mehr als 85 Milliarden Franken in seinen Ladenkassen zählen.
Grösse allein entscheidet zwar nicht. Doch gerade im Detailhandel spielt die so genannte Nachfragemacht eine entscheidende Rolle. Die alte Händlerweisheit gilt mehr denn je: Im Einkauf liegt der Segen. Wenn Wal-Mart beispielsweise allein beim Waschpulverriesen Procter & Gamble Produkte in einem Volumen von neun Milliarden Dollar ordert, gewährt der Lieferant seinem liebsten Kunden natürlich happige Rabatte. Die neun Milliarden Dollar, die Wal-Mart allein an diesen einen Lieferanten überweist, übertreffen den gesamten Coop-Gruppenumsatz (12,3 Milliarden Franken) und auch den der Migros-Genossenschaften (12,99 Milliarden).
Jules Kyburz zeigte unlängst in einem Interview Fussball-Fachkenntnis: «Wir müssen wieder mehr Tore schiessen.» Aber wo? Während die Migros als Detailhändler eventuell noch von einer Qualifikation für die europäische Champions League träumen darf, rangiert sie als Industriebetrieb allenfalls in der Amateurliga. Das wird am Waschpulverbeispiel Wal-Mart/Procter & Gamble überdeutlich: neun Milliarden Dollar Umsatz da, knapp 235 Millionen Franken hier bei einer Addition der Umsätze von Mifa und Mibelle. Zugegeben: Duttweiler musste selbst produzieren, weil ihn viele Industrielle boykottierten. Migros-eigene Brotfabriken und Schlachthäuser mögen auch heute noch zeitgemäss sein, weil neben der Frische nur so auch höchste Qualität garantiert werden kann. Aber eine eigene Wasch- und Reinigungsmittelfabrik Mifa in Frenkendorf BL mit 123 Millionen Franken Umsatz, in denen gar noch Speisemargarine-Erlöse enthalten sind? Oder die eigene Kosmetikfirma Mibelle in Buchs mit 111 Millionen Franken Verkaufserlösen? Um allein technologisch einigermassen auf dem neusten Stand zu sein, erfordern diese Fabriken regelmässig derart aufwändige Nachrüstungen, dass eine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung garantiert negativ ausfällt.
Dass eine Eigenmarke nicht aus eigener Produktion stammen muss, demonstriert Aldi nachdrücklich. Die Albrecht-Brüder haben stets namenlose Mittelständler gefördert. Deren Fabriken produzieren fast ausschliesslich für Aldi. Der Marmeladen- und Fruchsaftfabrikant Ewald Stute etwa schaffte mit Aldi selbst den Aufstieg zum Umsatzmilliardär. Die Aldi-Brands verfügen heute über ein solch hervorragendes Image, dass die Discounter in diesem Jahr die letzten Markenartikel aus ihren Regalen werfen konnten, ohne - ausser Kaffeeröstereien - eigene Produktionsbetriebe zu besitzen. Ob die Migros mittelfristig wirklich noch alle Industriebetriebe in eigener Regie führen muss? Diskussionen über solche Fragen finden in der Öffentlichkeit nicht statt. Kritik, selbst konstruktive Anstösse, prallen ab. Grundsätzliche Debatten, so Migros-Aussteiger Kaufmann, blockten die Verwaltungen ab, in den Regionen ebenso wie auf MGB-Ebene. «Es ist nicht üblich, Anträge zu stellen», lernte beispielhaft der promovierte Basler Jurist Bernhard Madörin, nachdem er vor zehn Jahren in den Genossenschaftsrat der Migros Basel eingezogen war.
Mit seiner «initiative pro migros AG» erschreckte Madörin später die Herrscher der Genossenschaft offenbar so nachhaltig, «dass sie einen Anwalt erster Güte engagierten, um mich zu bekämpfen und mich einzuschüchtern». Dabei ist glaubwürdig, wenn der Basler verspricht: «Ich möchte der Migros nützen, nicht schaden.» Seine durchaus nachvollziehbare Rechnung, wonach ein Anteil an der Genossenschaft null Franken wert ist, umgewandelt in eine Volksaktie allerdings für einige tausend Franken gehandelt werden könnte, würde Madörin gerne in einer Urabstimmung den mehr als 1,7 Millionen Migros-Genossenschaftern nahe bringen. Keine Chance. «Die Migros-Verwaltung wird bis zum Bundesgericht gehen», kennt Madörin die Abwehrstrategie.
Gern zitiert Madörin aber Hans A. Pestalozzi, den letzten persönlichen Mitarbeiter des Migros-Gründers: «Wenn damals, 1942, die Idee einer Volksaktiengesellschaft bekannt gewesen wäre, hätte Gott- lieb Duttweiler eine Aktiengesellschaft gewählt und keine Genossenschaft.»
In einer Aktiengesellschaft würde eine nötige Reorganisation wahrscheinlich längst laufen. Denn da hätten nach Einschätzung des Kritikers Beat Kaufmann einige Topkader «längst gehen müssen». Wer aber schaufelt sich schon freiwillig das eigene Grab?