BILANZ: Als neuer Konzernchef müssen Sie sich gegen Ihren starken Präsidenten Marcel Ospel abgrenzen. Wie werden Sie das handhaben?
Peter Wuffli: Ich denke mehr in Kategorien von Zusammenarbeit und Partnerschaft als in jenen von Abgrenzung. Ich arbeite jetzt schon neun Jahre mit Marcel Ospel eng zusammen. In der Zeit hatten wir auch immer wieder intensive Diskussionen, waren uns nicht immer einig. Aber wir haben das dann jeweils ausdiskutiert. Ich sehe überhaupt kein Problem.
Wenn man sich in einem konkreten Einzelfall nicht einig wird, wer hat dann das letzte Wort: Sie oder Ospel?
Wir haben eine klare Kompetenzordnung, was genau die Aufgaben der Konzernleitung und was jene des Verwaltungsrates sind. Das ist bis ins Detail schriftlich festgelegt. Die Corporate Governance funktioniert bei der UBS sehr gut. Wir haben traditionell einen starken Verwaltungsratspräsidenten, der aktiv mitwirken soll, in Bezug auf Strategie, Kundenbeziehungen und auch Nachfolgeregelungen.
Ex-Präsident Alex Krauer hat seinen CEO Ospel aber deutlich an der längeren Leine gelassen.
Krauer war eher die Ausnahme, weil er der einzige branchenfremde Verwaltungsratspräsident war. Alle anderen, und zwar bei beiden Vorgängerbanken Bankgesellschaft und Bankverein, waren immer Banker und haben daher logischerweise eine starke Rolle gespielt. Auch dort, wo es nicht um rein strategische Fragen, sondern ums eigentliche Banking ging.
Wer hat Ihnen zur Wahl zum Konzernchef als Erster gratuliert?
Da habe ich nicht genau Buch geführt. Die Wichtigsten – für mich Wichtigsten – waren meine Kollegen.
Haben auch die starken Leiter der Unternehmensgruppen wie die amerikanischen CEOs Joe Grano und John Costas oder der Chef UBS Schweiz, Stephan Haeringer, Ihre Wahl begrüsst?
Ich geniesse vollste Unterstützung. Aber auch sie waren – wie wir alle – überrascht und auf eine Art auch enttäuscht, dass das nicht funktioniert hat mit Luqman Arnold.
Arnold galt ja als brillianter Banker. Bleibt er auf irgendeine Art an die UBS gebunden, etwa mit einem Beratervertrag?
Nein.
Was war der Grund für seine Absetzung?
Eine Summe von Meinungsverschiedenheiten hat den Ausschlag gegeben. Mehr werden wir dazu nicht sagen.
Mit Ospel soll sich Arnold zuletzt einen veritablen Machtkampf geliefert haben.
Wenn das stimmen würde, dann wäre das ja nicht ein Einzelfall geblieben. Dann hätte es Rücktritte gegeben, im Verwaltungsrat, in der Konzernleitung. Das ist alles nicht geschehen. Die Stabilität des Managements der UBS ist nicht das Thema.
Wie werden Sie zeigen, dass jetzt die Ära Wuffli begonnen hat?
Grundsätzlich sehe ich kein grosses Ausmass an Änderungen. Ich sehe meine Ernennung eher im Zeichen von Stabilität und Kontinuität. Ich bin ja schon fast eine Dekade dabei, habe an allen strategischen und strukturellen Entscheiden mitgewirkt. Was sich ändern wird, ist die Priorität in der Entwicklung unserer Bank. Statt wie bisher durch Übernahmen und Zusammenschlüsse wollen wir jetzt vor allem intern wachsen. Aber auch da bestand und besteht Einigkeit in unserem Führungsteam.
Warum diese neue Sichtweise?
Wir haben heute – eigentlich das erste Mal, seit ich dabei bin – den Eindruck, dass wir jetzt jene Plattform haben, die wir brauchen. Geografisch und geschäftsmässig bestehen keine bedeutenden Lücken mehr. Auf dieser Plattform werden wir organisch wachsen.
Marcel Ospel ist der Mann der Deals und Übernahmen. Was sehen Sie selbst als Ihre besonderen Stärken an?
Die strategische Entwicklung von Unternehmen und Geschäftsfeldern, die Bildung von Teams, auch mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Kulturen. Auch Krisenmanagement und Turnaround-Management sind Stärken von mir. Zudem kann ich analytisch komplexe Herausforderungen strukturieren und lösen.
Strategische Entwicklung, Problemlösung, Analyse – das tönt stark nach McKinsey. Die Denkart der amerikanischen Unternehmensberater scheint Sie geprägt zu haben. Sie waren ja selber lange bei McKinsey.
Ich würde das auch nie missen wollen. Die langjährige Tätigkeit bei der Bank hat mich aber stärker geprägt.
Anderen Ex-McKinsey-Leuten an der Spitze einer Bank, etwa den CS-Chefs Lukas Mühlemann oder Thomas Wellauer, wirft man vor, zu viel Analytiker und zu wenig Banker zu sein.
Was heisst Banker? Da gibt es ein sehr breites Spektrum. Ein Investment-Banker etwa ist ein ziemlich anderes Wesen als ein Private Banker. Aber es ist klar: Ich habe natürlich nicht das Bankgeschäft von der Pike auf gelernt wie andere Leute. Von daher habe ich vielleicht nicht immer gleich das intuitive Gefühl für sehr bankgeschäftsspezifische Entscheide, Kreditentscheide etwa. Da vertraue ich natürlich sehr auf das Urteilsvermögen unserer besten Kreditleute.
Ein Analytiker ist oft auch weit weg vom Kunden.
Das glaube ich nun wirklich nicht, dass die Kundenorientierung fehlt. Es gibt kaum einen kundenorentierteren Beruf als jenen des Beraters. Im Gegenteil: Ich sehe da sehr viel Verwandtes. Auch unser Geschäft, das Banking, geht ja immer stärker in Richtung Advisory, in Richtung Beratung der Kunden. Aber nochmals: Ich bin jetzt schon insgesamt zehn Jahre bei einer Bank und nicht mehr bei McKinsey.
Wie sah Ihre persönliche Karriereplanung aus? Haben Sie auf das Ziel hingearbeitet, irgendwann Konzernchef zu werden?
Nein, so etwas ist ja auch nicht möglich. Ich habe darauf hingearbeitet, Chancen zu nützen, die sich bieten. Und ich habe darauf hingearbeitet, mir ein Profil von Fähigkeiten und Erfahrungen zuzulegen, die mich in die Lage versetzen würden, dass – wenn eine solche Anfrage käme – ich sagen könnte, ich traute mir das zu. Aber auf ein solches Ziel hinzuarbeiten, ist schwierig. Es gibt so viele Konstellationen und Unwägbarkeiten. Das wäre nur psychisch belastend.
Ihr Vater, Heinz Wuffli, war einst Topbanker bei der Schweizerischen Kreditanstalt. Er ist 1977 über die Chiasso-Affäre gestolpert und musste die Bank verlassen. Welchen Rat hat er Ihnen auf Grund dieser Erfahrung auf den Berufsweg mitgegeben?
Ich war damals etwa zwanzig Jahre alt. Was es mir vor allem gezeigt hat, ist, wie nahe Erfolg und Misserfolg beisammen liegen. Das war für mich schon eine Schlüsselerfahrung.
Man sieht, wie schnell etwas kippen kann?
Das ist einer der Gründe, warum ich nie auf so etwas hingestrebt habe, weil ich die Schattenseiten kenne, seit früh.
Sie sind als Konzernchef der Vorgesetzte von über 70 000 UBS-Mitarbeitern. Wie würden Sie Ihren persönlichen Führungsstil beschreiben?
Ich bin vielleicht etwas nüchtern, sehr pragmatisch, sehr lösungsorientiert, nicht so pathetisch.
Wie lauten Ihre Führungsgrundsätze?
Ich führe sehr stark durch Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit meiner Partner. Ich vertraue darauf, dass, wenn ich jemandem Zielsetzungen gebe, er diese umsetzt. Und dass ich nicht Mikromanagement machen muss. Zudem bin ich der Meinung, dass man als Leader vor allem auch unterstützen soll, im Sinne von helfen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Ich denke auch nicht sehr hierarchisch. Meine Welt ist nicht eingeteilt in Kategorien von oben und unten. Ich interessiere mich vielmehr dafür, was jemand beitragen kann, unabhängig davon, was er für einen Titel trägt.
Sind Sie ein Machtmensch?
Ich bin sehr beziehungsorientiert. Ich habe grosse Mühe mit machtpolitischen Konstellationen, die dysfunktional sind. Da bin ich nicht der Mann. Es muss um die Sache gehen, nicht um die Person.
Wie wichtig sind Ihnen Statussymbole? Die stehen Ihnen als Konzernchef ja jetzt zu. Haben Sie Ihren schwarzen Firmen-Mercedes schon bestellt?
Statussymbole sind für mich nicht wichtig. Man muss das Bewusstsein haben, dass sich das sehr rasch ändern kann. Ich habe auch immer noch mein relativ bescheidenes Häuschen.
Das kann sich ja später ändern, wie bei vielen anderen Topbankern, die sich nach kurzer Zeit an der Firmenspitze grosse Villen bauen liessen. Schliesslich sind Sie erst gerade der oberste Chef geworden.
Nein, das glaube ich nicht. Wir Schweizer sind Demokraten und Republikaner, keine Aristokraten. Zudem: Ich habe drei Kinder, die noch jung sind. Die sollen in einem normalen Sinn aufwachsen.
Schweizer gelten als übervorsichtige, die Angelsachsen als aggressive Banker. Haben Sie Reaktionen Ihrer amerikanischen Kollegen bemerkt? Dass die sagen: Jetzt kommt ein Schweizer als Konzernchef, jetzt wird sicher gebremst?
Wenn Sie sich unsere Geschichte anschauen, dann sind wir nie durch besondere Langsamkeit aufgefallen. Zeigen Sie mir ein Unternehmen, das so viele Firmenzusammenschlüsse gemacht hat in so kurzer Zeit, und das Ganze ohne grössere Flops.
In der Bank wird befürchtet, dass das Investment-Banking zurückgestutzt werden soll zu Gunsten des Private Banking. Wie wird sich die Gewichtung der einzelnen Firmenteile verändern?
Da gibt es keine Änderung. Das sind gleichgewichtige Bereiche. Es gibt auch keine Bevorzugung des einen gegenüber dem anderen.
Das Risikoprofil der einzelnen Bereiche ist ja recht unterschiedlich. Im Investment-Banking drohen Fussangeln.
Wobei man schon sehen muss, dass das Risiko bei uns in den letzten Jahren massiv zurückgefahren wurde. Wir sind heute eine der konservativsten Investment-Banken in Sachen Kreditrisiko. Wir sichern fast alles gründlich ab. Bei den grössten Pleiten der letzten Zeit waren wir nicht dabei. Wir haben das Risikoprofil sowohl im Kredit- wie auch im Handelsbereich in den letzten Jahren massiv zurückgenommen. So würde ich nicht unterschreiben, dass das Investment-Banking grundsätzlich ein höheres Risiko birgt. Es sind einfach unterschiedliche Risiken.
Vor etwa einem Jahr gingen UBS-Insider davon aus, die Investment-Bank werde bald abgestossen.
Wir haben diese Frage immer wieder überprüft. Es ist – von innen wie von aussen – immer wieder die Überlegung gemacht worden, ob wir das Investment-Banking verkaufen sollen. Wir sind aber immer zum Schluss gekommen, dass dies wirklich unser Kerngeschäft ist und auch bleiben muss. Und dass unser Konzern ganz massiv an Erfolgspotenzial, an Fähigkeiten und Charisma verlöre, wenn wir das machen würden.
Warum steigt die UBS beim kollabierten US-Energiehandelsgiganten Enron ein?
Enron ist vor allem eine Chance, unser Handelsgeschäft zu verstärken. Es war einfach eine günstige Gelegenheit. Es hat aber nichts mit einer Strategieänderung zu tun. Und es hat auch nichts zu tun mit einem höheren Risikoappetit.
Der Enron-Deal wird in den USA stark diskutiert. Der Name UBS könnte dadurch einiges an Bekanntheit gewinnen.
Das wäre eine erfreuliche Nebenwirkung. In den USA wird UBS immer noch zu häufig mit UPS, dem Paketpostdienst, verwechselt.
Daran ist die UBS auch etwas selber schuld. Ihr Investment-Banking-Teil hat den Namen in den letzten fünf Jahren nicht weniger als fünfmal geändert.
Wir sind in den letzten Jahren durch den Zusammenschluss von einem halben Dutzend Firmen stark gewachsen. Ich denke auch, dass der Bedarf besteht, unsere Identität noch klarer zu definieren. Nachdem wir jetzt die Plattform haben, die wir angestrebt haben, können wir unser Profil schärfen.
Wird die jetzige Namensgebung bleiben, wie sie mit UBS Schweiz, UBS Warburg, UBS PaineWebber besteht?
Die langfristige Sicht geht in Richtung integriertes Modell.
Also ein einziger Name für alles?
Das könnte durchaus sein. Aber wir reden jetzt von einer langfristigen Sicht. PaineWebber ist in den USA heute ein so genannter «household name», ein bestens eingeführter, geläufiger Name. Der Brand UBS ist das noch nicht im gleichwertigen Sinn. Aber der Trend ist klar: ein Profil, eine Investment-Services-Company.
Die Finanzanalysten werden Sie noch überzeugen müssen. Ihr Vorgänger Luqman Arnold hatte einen ausgezeichneten Ruf bei den Investoren.
Es ist klar, dass es eine der unmittelbaren Herausforderungen ist, diese Beziehungen zu erhalten. Aber ich mache mir da keine grossen Sorgen. Ich war bisher schon viel in Kontakt mit Analysten und habe das auch immer sehr geschätzt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich eine andere Schuhnummer brauche, wie auch schon geschrieben wurde. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meinen Füssen (lacht).
Haben Sie mit grossen Investoren auch schon Kontakt gehabt?
Ja, wir haben angefangen, und einige Treffen stehen noch an. Die Pflege der Investoren ist sehr wichtig, aber man muss auch realistisch sein: Am Schluss müssen die Strategien und Resultate überzeugen und nicht, ob das nun ein besonders netter Typ ist, der die Strategien vertritt.
Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Arbeit als Konzernchef gesetzt? Woran wollen Sie sich in fünf Jahren messen lassen?
Ziel ist es erstens, dass die UBS in fünf Jahren ein Unternehmen ist, das konsistent an Wert zulegen konnte. Das sehr teuer ist, gemessen am Aktienkurs. Ein Unternehmen, das zweitens konsistent die Einnahmen steigern konnte, und zwar ohne Veränderung des Risiko-Ertrags-Verhältnisses, also ohne das Risiko stark erhöht zu haben. Dass wir zudem zu den am meisten anerkannten Unternehmen gehören bezüglich Qualität unserer Kundenbeziehungen und Produkte und Dienstleistungen. Und viertens, dass wir als attraktiv gelten für Talente, die sich bei uns engagieren wollen.
Peter Wuffli: Ich denke mehr in Kategorien von Zusammenarbeit und Partnerschaft als in jenen von Abgrenzung. Ich arbeite jetzt schon neun Jahre mit Marcel Ospel eng zusammen. In der Zeit hatten wir auch immer wieder intensive Diskussionen, waren uns nicht immer einig. Aber wir haben das dann jeweils ausdiskutiert. Ich sehe überhaupt kein Problem.
Wenn man sich in einem konkreten Einzelfall nicht einig wird, wer hat dann das letzte Wort: Sie oder Ospel?
Wir haben eine klare Kompetenzordnung, was genau die Aufgaben der Konzernleitung und was jene des Verwaltungsrates sind. Das ist bis ins Detail schriftlich festgelegt. Die Corporate Governance funktioniert bei der UBS sehr gut. Wir haben traditionell einen starken Verwaltungsratspräsidenten, der aktiv mitwirken soll, in Bezug auf Strategie, Kundenbeziehungen und auch Nachfolgeregelungen.
Ex-Präsident Alex Krauer hat seinen CEO Ospel aber deutlich an der längeren Leine gelassen.
Krauer war eher die Ausnahme, weil er der einzige branchenfremde Verwaltungsratspräsident war. Alle anderen, und zwar bei beiden Vorgängerbanken Bankgesellschaft und Bankverein, waren immer Banker und haben daher logischerweise eine starke Rolle gespielt. Auch dort, wo es nicht um rein strategische Fragen, sondern ums eigentliche Banking ging.
Wer hat Ihnen zur Wahl zum Konzernchef als Erster gratuliert?
Da habe ich nicht genau Buch geführt. Die Wichtigsten – für mich Wichtigsten – waren meine Kollegen.
Haben auch die starken Leiter der Unternehmensgruppen wie die amerikanischen CEOs Joe Grano und John Costas oder der Chef UBS Schweiz, Stephan Haeringer, Ihre Wahl begrüsst?
Ich geniesse vollste Unterstützung. Aber auch sie waren – wie wir alle – überrascht und auf eine Art auch enttäuscht, dass das nicht funktioniert hat mit Luqman Arnold.
Arnold galt ja als brillianter Banker. Bleibt er auf irgendeine Art an die UBS gebunden, etwa mit einem Beratervertrag?
Nein.
Was war der Grund für seine Absetzung?
Eine Summe von Meinungsverschiedenheiten hat den Ausschlag gegeben. Mehr werden wir dazu nicht sagen.
Mit Ospel soll sich Arnold zuletzt einen veritablen Machtkampf geliefert haben.
Wenn das stimmen würde, dann wäre das ja nicht ein Einzelfall geblieben. Dann hätte es Rücktritte gegeben, im Verwaltungsrat, in der Konzernleitung. Das ist alles nicht geschehen. Die Stabilität des Managements der UBS ist nicht das Thema.
Wie werden Sie zeigen, dass jetzt die Ära Wuffli begonnen hat?
Grundsätzlich sehe ich kein grosses Ausmass an Änderungen. Ich sehe meine Ernennung eher im Zeichen von Stabilität und Kontinuität. Ich bin ja schon fast eine Dekade dabei, habe an allen strategischen und strukturellen Entscheiden mitgewirkt. Was sich ändern wird, ist die Priorität in der Entwicklung unserer Bank. Statt wie bisher durch Übernahmen und Zusammenschlüsse wollen wir jetzt vor allem intern wachsen. Aber auch da bestand und besteht Einigkeit in unserem Führungsteam.
Warum diese neue Sichtweise?
Wir haben heute – eigentlich das erste Mal, seit ich dabei bin – den Eindruck, dass wir jetzt jene Plattform haben, die wir brauchen. Geografisch und geschäftsmässig bestehen keine bedeutenden Lücken mehr. Auf dieser Plattform werden wir organisch wachsen.
Marcel Ospel ist der Mann der Deals und Übernahmen. Was sehen Sie selbst als Ihre besonderen Stärken an?
Die strategische Entwicklung von Unternehmen und Geschäftsfeldern, die Bildung von Teams, auch mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Kulturen. Auch Krisenmanagement und Turnaround-Management sind Stärken von mir. Zudem kann ich analytisch komplexe Herausforderungen strukturieren und lösen.
Strategische Entwicklung, Problemlösung, Analyse – das tönt stark nach McKinsey. Die Denkart der amerikanischen Unternehmensberater scheint Sie geprägt zu haben. Sie waren ja selber lange bei McKinsey.
Ich würde das auch nie missen wollen. Die langjährige Tätigkeit bei der Bank hat mich aber stärker geprägt.
Anderen Ex-McKinsey-Leuten an der Spitze einer Bank, etwa den CS-Chefs Lukas Mühlemann oder Thomas Wellauer, wirft man vor, zu viel Analytiker und zu wenig Banker zu sein.
Was heisst Banker? Da gibt es ein sehr breites Spektrum. Ein Investment-Banker etwa ist ein ziemlich anderes Wesen als ein Private Banker. Aber es ist klar: Ich habe natürlich nicht das Bankgeschäft von der Pike auf gelernt wie andere Leute. Von daher habe ich vielleicht nicht immer gleich das intuitive Gefühl für sehr bankgeschäftsspezifische Entscheide, Kreditentscheide etwa. Da vertraue ich natürlich sehr auf das Urteilsvermögen unserer besten Kreditleute.
Ein Analytiker ist oft auch weit weg vom Kunden.
Das glaube ich nun wirklich nicht, dass die Kundenorientierung fehlt. Es gibt kaum einen kundenorentierteren Beruf als jenen des Beraters. Im Gegenteil: Ich sehe da sehr viel Verwandtes. Auch unser Geschäft, das Banking, geht ja immer stärker in Richtung Advisory, in Richtung Beratung der Kunden. Aber nochmals: Ich bin jetzt schon insgesamt zehn Jahre bei einer Bank und nicht mehr bei McKinsey.
Wie sah Ihre persönliche Karriereplanung aus? Haben Sie auf das Ziel hingearbeitet, irgendwann Konzernchef zu werden?
Nein, so etwas ist ja auch nicht möglich. Ich habe darauf hingearbeitet, Chancen zu nützen, die sich bieten. Und ich habe darauf hingearbeitet, mir ein Profil von Fähigkeiten und Erfahrungen zuzulegen, die mich in die Lage versetzen würden, dass – wenn eine solche Anfrage käme – ich sagen könnte, ich traute mir das zu. Aber auf ein solches Ziel hinzuarbeiten, ist schwierig. Es gibt so viele Konstellationen und Unwägbarkeiten. Das wäre nur psychisch belastend.
Ihr Vater, Heinz Wuffli, war einst Topbanker bei der Schweizerischen Kreditanstalt. Er ist 1977 über die Chiasso-Affäre gestolpert und musste die Bank verlassen. Welchen Rat hat er Ihnen auf Grund dieser Erfahrung auf den Berufsweg mitgegeben?
Ich war damals etwa zwanzig Jahre alt. Was es mir vor allem gezeigt hat, ist, wie nahe Erfolg und Misserfolg beisammen liegen. Das war für mich schon eine Schlüsselerfahrung.
Man sieht, wie schnell etwas kippen kann?
Das ist einer der Gründe, warum ich nie auf so etwas hingestrebt habe, weil ich die Schattenseiten kenne, seit früh.
Sie sind als Konzernchef der Vorgesetzte von über 70 000 UBS-Mitarbeitern. Wie würden Sie Ihren persönlichen Führungsstil beschreiben?
Ich bin vielleicht etwas nüchtern, sehr pragmatisch, sehr lösungsorientiert, nicht so pathetisch.
Wie lauten Ihre Führungsgrundsätze?
Ich führe sehr stark durch Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit meiner Partner. Ich vertraue darauf, dass, wenn ich jemandem Zielsetzungen gebe, er diese umsetzt. Und dass ich nicht Mikromanagement machen muss. Zudem bin ich der Meinung, dass man als Leader vor allem auch unterstützen soll, im Sinne von helfen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Ich denke auch nicht sehr hierarchisch. Meine Welt ist nicht eingeteilt in Kategorien von oben und unten. Ich interessiere mich vielmehr dafür, was jemand beitragen kann, unabhängig davon, was er für einen Titel trägt.
Sind Sie ein Machtmensch?
Ich bin sehr beziehungsorientiert. Ich habe grosse Mühe mit machtpolitischen Konstellationen, die dysfunktional sind. Da bin ich nicht der Mann. Es muss um die Sache gehen, nicht um die Person.
Wie wichtig sind Ihnen Statussymbole? Die stehen Ihnen als Konzernchef ja jetzt zu. Haben Sie Ihren schwarzen Firmen-Mercedes schon bestellt?
Statussymbole sind für mich nicht wichtig. Man muss das Bewusstsein haben, dass sich das sehr rasch ändern kann. Ich habe auch immer noch mein relativ bescheidenes Häuschen.
Das kann sich ja später ändern, wie bei vielen anderen Topbankern, die sich nach kurzer Zeit an der Firmenspitze grosse Villen bauen liessen. Schliesslich sind Sie erst gerade der oberste Chef geworden.
Nein, das glaube ich nicht. Wir Schweizer sind Demokraten und Republikaner, keine Aristokraten. Zudem: Ich habe drei Kinder, die noch jung sind. Die sollen in einem normalen Sinn aufwachsen.
Schweizer gelten als übervorsichtige, die Angelsachsen als aggressive Banker. Haben Sie Reaktionen Ihrer amerikanischen Kollegen bemerkt? Dass die sagen: Jetzt kommt ein Schweizer als Konzernchef, jetzt wird sicher gebremst?
Wenn Sie sich unsere Geschichte anschauen, dann sind wir nie durch besondere Langsamkeit aufgefallen. Zeigen Sie mir ein Unternehmen, das so viele Firmenzusammenschlüsse gemacht hat in so kurzer Zeit, und das Ganze ohne grössere Flops.
In der Bank wird befürchtet, dass das Investment-Banking zurückgestutzt werden soll zu Gunsten des Private Banking. Wie wird sich die Gewichtung der einzelnen Firmenteile verändern?
Da gibt es keine Änderung. Das sind gleichgewichtige Bereiche. Es gibt auch keine Bevorzugung des einen gegenüber dem anderen.
Das Risikoprofil der einzelnen Bereiche ist ja recht unterschiedlich. Im Investment-Banking drohen Fussangeln.
Wobei man schon sehen muss, dass das Risiko bei uns in den letzten Jahren massiv zurückgefahren wurde. Wir sind heute eine der konservativsten Investment-Banken in Sachen Kreditrisiko. Wir sichern fast alles gründlich ab. Bei den grössten Pleiten der letzten Zeit waren wir nicht dabei. Wir haben das Risikoprofil sowohl im Kredit- wie auch im Handelsbereich in den letzten Jahren massiv zurückgenommen. So würde ich nicht unterschreiben, dass das Investment-Banking grundsätzlich ein höheres Risiko birgt. Es sind einfach unterschiedliche Risiken.
Vor etwa einem Jahr gingen UBS-Insider davon aus, die Investment-Bank werde bald abgestossen.
Wir haben diese Frage immer wieder überprüft. Es ist – von innen wie von aussen – immer wieder die Überlegung gemacht worden, ob wir das Investment-Banking verkaufen sollen. Wir sind aber immer zum Schluss gekommen, dass dies wirklich unser Kerngeschäft ist und auch bleiben muss. Und dass unser Konzern ganz massiv an Erfolgspotenzial, an Fähigkeiten und Charisma verlöre, wenn wir das machen würden.
Warum steigt die UBS beim kollabierten US-Energiehandelsgiganten Enron ein?
Enron ist vor allem eine Chance, unser Handelsgeschäft zu verstärken. Es war einfach eine günstige Gelegenheit. Es hat aber nichts mit einer Strategieänderung zu tun. Und es hat auch nichts zu tun mit einem höheren Risikoappetit.
Der Enron-Deal wird in den USA stark diskutiert. Der Name UBS könnte dadurch einiges an Bekanntheit gewinnen.
Das wäre eine erfreuliche Nebenwirkung. In den USA wird UBS immer noch zu häufig mit UPS, dem Paketpostdienst, verwechselt.
Daran ist die UBS auch etwas selber schuld. Ihr Investment-Banking-Teil hat den Namen in den letzten fünf Jahren nicht weniger als fünfmal geändert.
Wir sind in den letzten Jahren durch den Zusammenschluss von einem halben Dutzend Firmen stark gewachsen. Ich denke auch, dass der Bedarf besteht, unsere Identität noch klarer zu definieren. Nachdem wir jetzt die Plattform haben, die wir angestrebt haben, können wir unser Profil schärfen.
Wird die jetzige Namensgebung bleiben, wie sie mit UBS Schweiz, UBS Warburg, UBS PaineWebber besteht?
Die langfristige Sicht geht in Richtung integriertes Modell.
Also ein einziger Name für alles?
Das könnte durchaus sein. Aber wir reden jetzt von einer langfristigen Sicht. PaineWebber ist in den USA heute ein so genannter «household name», ein bestens eingeführter, geläufiger Name. Der Brand UBS ist das noch nicht im gleichwertigen Sinn. Aber der Trend ist klar: ein Profil, eine Investment-Services-Company.
Die Finanzanalysten werden Sie noch überzeugen müssen. Ihr Vorgänger Luqman Arnold hatte einen ausgezeichneten Ruf bei den Investoren.
Es ist klar, dass es eine der unmittelbaren Herausforderungen ist, diese Beziehungen zu erhalten. Aber ich mache mir da keine grossen Sorgen. Ich war bisher schon viel in Kontakt mit Analysten und habe das auch immer sehr geschätzt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich eine andere Schuhnummer brauche, wie auch schon geschrieben wurde. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meinen Füssen (lacht).
Haben Sie mit grossen Investoren auch schon Kontakt gehabt?
Ja, wir haben angefangen, und einige Treffen stehen noch an. Die Pflege der Investoren ist sehr wichtig, aber man muss auch realistisch sein: Am Schluss müssen die Strategien und Resultate überzeugen und nicht, ob das nun ein besonders netter Typ ist, der die Strategien vertritt.
Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Arbeit als Konzernchef gesetzt? Woran wollen Sie sich in fünf Jahren messen lassen?
Ziel ist es erstens, dass die UBS in fünf Jahren ein Unternehmen ist, das konsistent an Wert zulegen konnte. Das sehr teuer ist, gemessen am Aktienkurs. Ein Unternehmen, das zweitens konsistent die Einnahmen steigern konnte, und zwar ohne Veränderung des Risiko-Ertrags-Verhältnisses, also ohne das Risiko stark erhöht zu haben. Dass wir zudem zu den am meisten anerkannten Unternehmen gehören bezüglich Qualität unserer Kundenbeziehungen und Produkte und Dienstleistungen. Und viertens, dass wir als attraktiv gelten für Talente, die sich bei uns engagieren wollen.
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