Die schöne Szene mit dem unerkannten Multimillionär, der als Gast im arroganten Luxushotel schnöde behandelt wird, gehört zum Themenrepertoire älterer Hollywoodfilme. Natürlich reagiert er, wie wir es insgeheim gewünscht haben: Er kauft den Laden und feuert die widerlichen Direktoren. Etwa nach diesem Filmmuster hat der 36-jährige Christian Landolt zusammen mit seinen Eltern, Marc-Edouard und Alix Landolt, das heruntergekommene Landhaushotel Whatley Manor gekauft und zu einem Ort gemacht, an dem wieder Licht und Leben, Glamour und moderner britischer Chic eingezogen sind.
Die Familie Landolt ist natürlich nicht irgendeine Familie, sondern sozusagen die Primadonna der Schweizer Hotelbesitzer – als Nachkommen des Gründers von Sandoz (die 1996 mit Ciba-Geigy zu Novartis fusionierte) besitzt die Familienstiftung die Hotels Beau-Rivage Palace und Angleterre & Résidence in Lausanne sowie das «Riffelalp Resort» in Zermatt und das «Palafitte» in Neuenburg. Ohne Finanzierung durch die Sandoz-Stiftung, aber «gemäss der Familienphilosophie» hat Whatley Manor im Juli 2003 seine Pforten geöffnet: nicht nach zwei Jahren Umbauzeit, wie gedacht, sondern nach drei, nicht für 30 Millionen Franken, wie geplant, sondern für schliesslich über 60 Millionen. Das Ziel war von Anfang an klar: Schöner, exklusiver und raffinierter als andere englische Schloss- und Landhaushotels, insbesondere jene der neuen Welle von durchgestylten Luxus-Hideaways, sollte «Whatley Manor» sein – eine noble Spielwiese nicht nur für Besitzer Christian Landolt, der vom professionellen Military-Reiter und Turnierrichter über Nacht zum Hotelier wurde, sondern vor allem auch für die Elite aus Wirtschaft und Showgeschäft, die mehr Geld als Zeit hat und den heiteren Geist der Verschwendung in seiner elegantesten Form zelebrieren will.
«Whatley Manor» liegt anderthalb Stunden westlich von London in absoluter Ruhe inmitten der sanften, grünen Beruhigungslandschaft einer grösseren Parkanlage. Es ist einer jener Anblicke, die auch im Vielreiser einen wohligen Schauer hervorrufen.
Die Begeisterung hält an, wenn man das stolze Herrenhaus betritt. Der Empfang ist herzlich. Christian Landolt ist bei 15 Zimmern und 8 Suiten jedermanns Gastgeber – zumindest nachmittags, denn am Morgen kümmert sich der sportliche Chef des Hauses vorwiegend um seine Pferde und um seine Olympiakandidatur fürs kommende Jahr. Vor allem aber lebt Landolt seiner 120-köpfigen Crew liebenswerte Servicebereitschaft vor, um die maximal 46 Gäste mit entspannter Zuvorkommenheit und diskreter Eleganz zu umsorgen.
Landolt wird sich einen Moment gedulden müssen, um zu sehen, ob sein anspruchsvolles Hotel jemals einen Profit abwerfen wird – sicher ist, dass den Gast trotz Zimmerpreisen von rund 600 Franken an aufwärts ein hoher Gegenwert erwartet und sämtliche Sinne verwöhnt werden. «Whatley Manor» ist ein magischer Ort.
Das Spa ist eines der attraktivsten
im Königreich, dazu gibt es zwei Restaurants mit kulinarischem Erfindungsreichtum und ein Kino mit 40 Plätzen. Die Zimmer und Suiten sind von verschiedenen Innenarchitekten eingerichtet. Besonders fröhlich stimmend ist die Nummer 10, ein grosses und helles Eckzimmer zum Park.
Die Flucht von aufwändig dekorierten Räumen im Parterre, alle zum Park hin weit geöffnet, wirkt wie eine Filmdekoration für The Rich and Famous. Der «Grosse Gatsby» mit seiner Entourage würde gut hierher passen. Das Gelände garantiert grösstmögliche Privatsphäre. Verlässt man die Gartenanlage und begibt sich auf die Seitenpfade, wo der Park dann auch nicht mehr so makellos gebügelt erscheint, trifft man hier auf ein rauschendes Bächlein, dort auf ein einsames Wäldchen – das ist der verwunschene Traumpark aus verflossenen Kindermärchen.
Urbane Enklave
Während «Whatley Manor» wie eine Einladung wirkt, in gelassener Verwöhnatmosphäre den Augenblick auszukosten, ist das vor fünf Jahren eröffnete Babington House beim Städtchen Bath ein Landgut für Leute, die das Leben auf dem Land eigentlich gar nicht mögen. Das Anwesen ist der ländliche Cousin des elitären Member-Klubs Soho House in London, der sich durch todschicke Mitglieder aus der Film-, Kunst- und Modewelt sowie besonders lange Wartelisten auszeichnet. Mit untrüglichem Geschäftssinn machte der Londoner Lebemann Nick Jones aus dem einst desolaten georgianischen Gebäude das trendigste und wohl erfolgreichste Landhaushotel Englands. Jones spricht in Schlagworten: von einem «sexy playground for adults», einem «fantasy home in the country», von «London vibes» und dem entsprechenden Publikum zwischen 25 und 50 Jahren.
Ein Hotelgefühl kommt gar nicht erst auf, die Gäste fühlen sich hier nicht wie Nummern, sondern als Teil einer hippen Szene. Jones nahm sich die Freiheit, alles wegzulassen, was er an Hotels und an britischen Traditionen hasste. Wer etwa um drei Uhr nachmittags barfuss auf der Restaurantterrasse frühstücken will, kann dies ohne weiteres tun. Rechnungen für einzelne Konsumationen brauchen während des gesamten Aufenthalts keine unterschrieben zu werden. In beiden Restaurants kann man rund um die Uhr essen, worauf man gerade Lust hat. Trotz der lockeren Atmosphäre ist der Service tadellos – was bei Zimmerpreisen ab 550 Franken die Nacht natürlich auch zu erwarten ist.
Die Handschrift der Designerin Ilse Crawford zeigt eine gesunde Respektlosigkeit vor altmodischem Chintz und Familienantiquitäten. Der extravagante Mix aus Ultramodern und Altenglisch, mit starken Farben und Kontrasten, gewachsten Eichenholzböden und reich verzierten Marmorkaminen, schafft Abwechslung und macht Spass. Manche der über drei Meter hohen Zimmer sind grösser als eine normale Dreizimmerwohnung, mit Bädern, die Salons gleichen. Ein Erlebnis ist «The Cowshed», das Spa von Babington House, zu dem eine Saftbar, ein Tanz- und Yoga-Studio, ein Fitnesscenter sowie ein beheizter Aussen- und ein Innenpool gehören.
Es gibt viele Hotels, die ihr Logo überall zeigen, doch so unerbittlich als Markenartikel wird wohl nur «Babington House» präsentiert. Präziser gesagt: als ein Markenartikel aus Swinging London. «Babington House» ist ein exemplarisches Beispiel, wie ein innovatives, qualitätsbewusstes Hotel eine gesunde Rentabilität erwirtschaften kann: Von zwei Millionen Franken Gewinn bei elf Millionen Jahresumsatz und einer Belegung von 93 Prozent übers ganze Jahr (28 Zimmer) können Schweizer Hoteliers nur träumen. Zwar verliert «Babington House» durch den konzeptionellen Ansatz etwas an authentischem Charme, aber das Gesamterlebnis bleibt unvergesslich.
Neuerfindung englischen Urlaubs
Auch andere Häuser haben das englische Landhaus neu definiert. Weniger Rüschen, mehr Stil. Ein Wegbereiter war Ende der Neunzigerjahre das Hotel Tresanton in St Mawes, dem schönsten Dorf Cornwalls. Das urbane Design kontrastiert auf perfekte Weise mit der gemütlichen Cottage-Architektur an der Südspitze Englands. Jedes der 26 Zimmer ist anders – allen gemeinsam sind eine schlichte Eleganz und Meerblick.
Ebenfalls in Cornwall, am Mini-Hafen von Portloe, hat vor einem Jahr das Lugger Hotel mit 21 charmanten Zimmern eröffnet und es umgehend in die Hot Lists der internationalen Reisemagazine geschafft.
Weiter nördlich betört die wildromantische Natur der Cotswolds alle Sinne – und hat gerade Hochkonjunktur. Zwei brandneue, in ihrer Art perfekt durchgestaltete Landhäuser bieten kosmopolitischen Trendmenschen Unterschlupf: Cowley Manor ist ein imposantes viktorianisches Gebäude mit avantgardistischem Interieur und spektakulärem Spa in einem weitläufigen Park. Barnsley House, ein pittoreskes, von einem berühmten Garten umgebenes Anwesen, überrascht in den neun edlen Gästezimmern mit modernsten Hightech-Fazilitäten.
Im Wechsel liegt manchmal besonderer Reiz. Das Chewton Glen, ganz anders als die erwähnten Häuser, aber gerade deshalb einen Abstecher wert, liegt in einem Park an der Südküste nahe Southampton und ist das stilvollste und bestgeführte englische Hotel ausserhalb Londons. Die Atmosphäre im verträumten Herrensitz aus dem 18. Jahrhundert setzt eher auf klassische Eleganz als auf modernen Minimalismus, aber das weltweit hundertfach ausgezeichnete Traumhotel von Martin und Brigitte Skan (sie ist Deutschschweizerin) ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern entwickelt sich kontinuierlich weiter: Soeben wurde das ohnehin schon grosszügige Spa massiv vergrössert, und das Gourmetlokal präsentiert sich in neuem Glanz.
Es gibt nicht nur einen Grund, wieder einmal nach Südengland zu reisen.
|
|