Für eine Wohnung benötigen Sie heute 3G: Geld, Geduld und Glück. Und am besten ganz viel von allem. Denn in den Städten fehlt es massiv an Wohnraum. In Zürich liegt der Leerstand mittlerweile bei 0,07 Prozent. 28 Wohnungen sind in der Stadt ausgeschrieben – bei einer Einwohnerzahl von 423’000. In Bern stehen 140 Wohnungen leer – für 134’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Am «komfortabelsten» ist es noch in Basel. Dort sind aktuell 200 Wohnungen am Markt, für 174’000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Es ist eine Gleichung, die nicht aufgehen kann. Aufgrund der Zuwanderung wächst die Bevölkerung jedes Jahr exponentiell. Der oder die Einzelne will mehr Wohnraum. Gleichzeitig wird weniger gebaut. In der Pipeline sind rund ein Viertel weniger Neubauwohnungen, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war.
«Wird das Ruder nicht bald herumgerissen, laufen wir mit offenen Augen in eine Wohnungsnot», schreibt die ZKB in ihrem jüngsten Immobilienbericht, in dem sie der Frage nachgeht, weshalb die Bautätigkeit derart rückläufig ist. Das Fazit der Ökonominnen und Ökonomen: «Schuld daran ist ein grosser Widerstand in der Bevölkerung gegen die Verdichtung.»
Dabei war man sich vor noch nicht allzu langer Zeit einig. 2013 unterschrieb das Schweizer Stimmvolk die Grundpfeiler des revidierten Raumplanungsgesetzes: Die Zersiedelung soll gestoppt werden. Neueinzonungen ebenso. Dafür soll verdichtet werden.
Verdichtung ja, nur nicht vor der eigenen Haustür
Das klingt theoretisch schön und gut. Nur: Wohnungswachstum darf nicht vor der eigenen Haustür passieren. Dann wird sie mit allen Mitteln bekämpft. Seit 2010 wurden in der Schweiz rund 10 Prozent der Bauprojekte trotz Baubewilligung aufgrund von Einsprachen bis heute nicht realisiert. Jährlich gehen dem Schweizer Mietwohnungsmarkt dadurch im Schnitt mindestens 4000 Wohnungen verloren – Tendenz steigend.
Oder anders formuliert: Bereits bewilligte, mit den Behörden über lange Monate abgestimmte Wohnbauprojekte konnten aufgrund erfolgreicher Rekurse in letzter Minute gekippt werden. Schuld daran sind Verbände, Nachbarn, Gerichte und die Umsetzung der rigiden Lärmschutzbestimmungen. Lärm bietet heute einen regelrechten Steilpass, um gegen Wohnbauprojekte in Verdichtungsräumen vorzugehen. Aber auch Verbände wie der Heimatschutz und der VCS verunmöglichen mit ihren Beschwerden oft das Bauen – ebenso wie teils fragwürdige Entscheide und Auflagen von Richterinnen und Behörden.
Nachbarinnen und Nachbarn hatten unlängst erfolgreich das Baugesuch eines Investors bekämpft, der nicht dargelegt hatte, dass mit der Erstellung einer Wohnüberbauung in der Nähe einer Freihalte- und Landwirtschaftszone keine Kleinstlebewesen bedroht sind. Notorisches Jammern der Bauakteure? Oder ein Spiessroutenlauf, der nicht gewonnen werden kann?
Es wird Zeit, all diese Fragen auf dem politischen Parkett zu diskutieren. Parteipolitische Gefechte sollten für einmal beiseitegelegt werden, und gemeinsame sollte man nach Lösungen suchen. Welche individuellen Bedürfnisse sollen geschützt werden? Welche dienen nur als Kampfmittel für Eigennutzen?
Aktuell werden deutlich weniger Neubauwohnungen erstellt als noch vor wenigen Jahren. Dies geht aus der am Dienstag von der ZKB veröffentlichten Studie «Immobilien aktuell» hervor. Grund dafür sei, dass der Bausektor wegen der damals teilweise hohen Leerstände weniger Baugesuche eingereicht habe, schreibt die ZKB.
In den Gemeinden mit einem Wohnungsleerstand von über 2,5 Prozent sei die Zahl der Baugesuche konkret um einen Viertel tiefer als 2019. Aber auch in Gemeinden mit knappem Mietwohnungsangebot seien weniger Wohnungen geplant worden.
Ein grosses Problem stellen laut ZKB zudem die baulichen Rahmenbedingungen dar. Es seien zwar alle für Verdichtung, allerdings nicht vor der eigenen Haustür. Daher sei der Neubau von Häusern zu einem regelrechten Hürdenlauf geworden.
Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung dauere es heute im Landesschnitt 140 Tage – das sind 56 Tage mehr als noch 2010 (plus 67 Prozent). Dabei gelte: je dichter besiedelt, desto länger die Verzögerung. Im urbanen Kanton Zürich sind es fast 200 Tage.
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2 Kommentare
Die Einsprachen erfolgen ja nicht von anonymen Gesellschaften sondern von Personen, denen das Gemeinwohl, sprich ein adäquates Angebot an Wohnungen auf dem Immobilienmarkt schlicht weg am Arsch vorbei geht. Es wäre an der Zeit, diese Personen in der Öffentlichkeit zur Rede zu stellen, was ihre wahren Beweggründe für dieses rechtsmissbräuchliche Gebaren ist.
Frau Schirm-Gasser weiss wohl nicht, was expontielles Wachstum ist, sonst hätte sie dies über das Bevölkerungswachstum in der Schweiz nicht geschrieben.