Die Sonne beeinflusst Menschen stark. So stark, dass die Anzahl Sonnenstunden in Zürich in den vergangenen Jahren jeweils eng mit der Performance des Schweizer Aktienmarktes korrelierte. Je mehr Sonnenstunden, desto besser die folgende Performance des Schweizer Aktienindex SMI.
Wer das für groben Unfug hält, hat natürlich recht. Es handelt sich genauso um einen Scheinzusammenhang wie bei der Beziehung zwischen Störchen und Geburtenraten: Wo viele Störche zu Hause sind, ist die Geburtenrate meist höher. Aber die Störche bringen ja keine Kinder, es besteht also keine Kausalität.
Aktienquoten und Börsenperformance
Was hat das mit Bankern zu tun? Obwohl zwischen der Anzahl Sonnenstunden und der Höhe der Aktienkurse nur ein Scheinzusammenhang besteht, ist dieser doch viel stärker als der Zusammenhang zwischen den Aktienquoten in den Portfolios der Bankkunden und der folgenden Börsenperformance.
Als Kunde könnte man erwarten, dass die Banken dann hohe Aktienquoten empfehlen, wenn die Börsenkurse anschliessend steigen, und tiefe Quoten, wenn die Kurse nachher fallen. Leider verhält es sich genau andersherum: Die Banken legen den Kunden tendenziell dann viele Aktien ins Depot, wenn die Kurse anschliessend fallen, aber nur wenige, wenn die Kurse in der Folge steigen. In der Statistik wird das mit einer negativen Korrelation zwischen der Höhe der Aktienquoten und der Performance der folgenden Aktienkurse ausgedrückt.
Hohe Quoten vor Kurskorrekturen
«Bilanz» hat die Aktienquoten der Banken, die jedes Quartal in der «NZZ» publiziert werden, über einen Zeitraum von zwölf Jahren mit der Performance der Aktienkurse im darauf folgenden Quartal verglichen. Ergebnis: Die Korrelation der Anzahl Sonnenstunden mit der folgenden Performance des Aktienmarktes ist deutlich höher als der Zusammenhang zwischen den Aktienquoten der besten Bank mit der folgenden Rendite des Aktienmarktes. Bei den meisten Banken ist die Korrelation sogar negativ. Das heisst: Sind die Aktienquoten hoch, fallen die Kurse danach tendenziell – und umgekehrt.
Banken-Empfehlungen zur Aktienquote:
Die Grafik in Original-Grösse sehen Sie hier.
Etwas weniger schlimm sieht es für die Banken aus, wenn nicht die absolute Höhe der Aktienquoten, sondern nur die Veränderungen dieser Quoten mit der folgenden Rendite des Aktienmarktes verglichen werden. Hier gibt es immerhin vier Banken mit positiver Korrelation. Sie erhöhen also in der Tendenz die Aktienquote, bevor die Kurse steigen, und senken sie, bevor sie fallen. Die Korrelationen sind aber auch hier eher tief, sodass statistisch kein Zusammenhang zwischen der Veränderung der Aktienquoten durch die Banken und der folgenden Performance des Aktienmarktes besteht.
Werte zwischen +1 und –1
Die Korrelation kann Werte zwischen +1 und –1 einnehmen. Läge sie bei +1, verfügten die Banken über eine Kristallkugel und könnten damit die Performance der Aktienkurse im Folgequartal perfekt voraussagen. Sie würden dementsprechend Aktien zukaufen, wenn die Börse anschliessend stiege, und verkaufen, bevor die Kurse fielen.
Eine Korrelation von –1 würde hingegen bedeuten, dass die Banken immer genau das Falsche machten. Eine Korrelation von null würde bedeuten, dass gar kein Zusammenhang zwischen den beiden Grössen besteht.
Einsatz als Kontraindikator
Von einer grossen Effektstärke sprechen Statistiker erst ab Korrelationen, die grösser als 0,5 bzw. kleiner als –0,5 sind. «Als Finanzmarktpraktiker schaue ich mir Korrelationen ab einem Betrag von plus oder minus 0,4 genauer an», sagt Hans Peter Stücheli, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Parsumo Capital. Keine Bank erreichte solche Werte über die vergangenen zwölf Jahre.
Stücheli verwendet die aggregierten Aktienquoten aller Banken zusammen gar als Kontraindikator. Wenn die Aktienquoten der Banken hoch sind, empfiehlt der Indikator, Aktien zu verkaufen, und wenn sie tief sind, zu kaufen. Stücheli errechnete eine Korrelation von –0,47 zwischen den gemittelten Aktienquoten aller Banken und der folgenden Performance des Weltaktienindex über zwölf Monate.
Konkret funktioniert Stüchelis Modell derzeit so: Liegen die gemittelten Aktienquoten im Anlagepanorama über 45 Prozent, deutet das gemäss dem aktuellen Parsumo-Modell auf fallende Aktienkurse hin. Wenn die Quoten unter 42 Prozent fallen, wird mit überdurchschnittlich steigenden Aktienkursen gerechnet. Dazwischen sagt das Modell leicht positive Renditen voraus. Die letzte veröffentlichte gemittelte Aktienquote der Banken liegt bei 45,3 Prozent, sagt also eine leicht negative Performance des Aktienmarktes in den nächsten zwölf Monaten voraus.
Die Kunst des «buy low, sell high»
Dass die Banken tendenziell hohe Aktienquoten empfehlen, wenn die Börsenkurse fallen, und tiefe Quoten, wenn die Kurse steigen, geschieht kaum aus Boshaftigkeit. Teilweise dürfte es sich um einen Herdentrieb-Effekt handeln. Oft sind die Quoten in den Depots dann am höchsten, wenn die Börse kurz vor dem Absturz steht.
In der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass sogenanntes Market Timing – also Aktien zu kaufen, bevor sie steigen, und verkaufen, bevor sie fallen – äusserst schwierig ist. Es gibt eine Evidenz dafür, dass es besser ist, einfach eine bestimmte, zum individuellen Risikoprofil passende Aktienquote zu halten und zu rebalancieren. Letzteres bedeutet, dass in fixen periodischen Intervallen (beispielsweise halbjährlich) Aktien zugekauft werden, wenn die Kurse und damit auch die Aktienquote im Depot gefallen sind. Verkauft wird, wenn die Kurse gestiegen sind – dies, um wieder die ursprüngliche Aktienquote zu erreichen. Mit einer Rebalance können Anleger ein automatisches «buy low, sell high» erzielen.
Aktienkurse vorherzusehen ist Glückssache
Vor allem Glückssache ist es dagegen, die künftigen Aktienkurse vorherzusehen. Weit verbreitete und in Massenmedien immer wieder zitierte Indikatoren sind meist nur schwach und oft auch noch entgegen der Intuition mit der künftigen Performance am Aktienmarkt korreliert. So führt etwa eine höhere Arbeitslosigkeit in den USA nicht zu fallenden, sondern zu steigenden Aktienkursen. Allerdings beträgt die Korrelation hier nur 0,26. Die Begründung dafür ist, dass die Börsenkurse bei steigender Arbeitslosigkeit bisweilen schon den nächsten Aufschwung vorwegnehmen.
Auch die Konsumentenstimmung in der Schweiz ist kontraintuitiv mit der Performance des Schweizer Aktienindex SPI verbunden: Je besser die Stimmung, desto schlechter entwickelt sich die Aktienperformance tendenziell in den folgenden zwölf Monaten. Die Korrelation liegt hier immerhin bei –0,42. In diesem Fall nehmen die Börsenkurse oft schon den nächsten Stimmungsabschwung vorweg.
Je höher die Weinpreise, desto wahrscheinlicher ein Verlust
Noch höher ist die Korrelation zwischen Weinpreisen und der Performance des Schweizer Aktienindex SPI. Der Liv-ex Fine Wine 100 Index misst die Preise von 100 gesuchten, teuren Weinen. Darunter die Bordeaux-Weine Château Haut-Brion aus dem Jahr 2012 für derzeit rund 350 Franken die Flasche oder Château Lafite-Rothschild von 2009 für rund 1000 Franken.
Wenn die Preise dieser Weine stark steigen, sollten Anleger tendenziell Aktien verkaufen. Die Korrelation beträgt hier –0,58. Die Kausalität liegt wahrscheinlich darin, dass viele teure Weine dann sehr stark gesucht sind, wenn an der Börse Partystimmung herrscht – aber eben oft auch das Ende einer Hausse erreicht ist.
Was die Sonne für 2016 verspricht
Aktuell steigen die Weinpreise zwar leicht, aber nicht in einem Mass, dass mit fallenden Aktienkursen gerechnet werden müsste. Gemäss den Sonnenstunden in Zürich darf sogar mit einem hervorragenden Aktienjahr 2016 gerechnet werden. Das vergangene Jahr brachte 1946 Sonnenstunden. Seit 1990 gab es nur 2003 noch mehr Sonne, als sie an 2045 Stunden schien. Im Folgejahr gewann der Schweizer Aktienindex SPI immerhin 6,9 Prozent.
Das schlechteste Sonnenjahr in diesem Jahrtausend war mit 1479 Stunden 2010, worauf die Börse im Folgejahr 8,5 Prozent verlor. Das laufende Sonnenjahr verspricht für 2017 bisher ein ziemlich schlechtes Börsenjahr.