Wie lässt sich die Leistung eines Managers messen? Für Anleger ist die Antwort klar: am Aktienkurs. Dann würde Ernesto Bertarelli recht gut abschneiden. Als er 1996 bei Serono den (geerbten) Job als CEO übernahm, notierte die Aktie bei 200 Franken. Zehn Jahre später sind die Titel gut das Vierfache wert. Hat also Bertarelli reüssiert? Nicht ganz; denn zwischenzeitlich waren die Papiere bis auf 2160 Franken hochgeschossen. Daran gemessen, sind die Aktien seither um 60 Prozent abgeschmiert! Damit haben sich nicht weniger als 20 Milliarden Franken in Luft aufgelöst. Alleine die Familie Bertarelli hat als Mehrheitsaktionärin einen Vermögensschwund von beinahe zwölf Milliarden zu beklagen.
Bei Serono ist manches schief gelaufen. Einst ein Stern am Biotech-Himmel, liefert das Management heute ein Trauerspiel. Der vorläufig letzte Akt: Die Familie hat genug vom Unternehmertum und will die Gesellschaft verkaufen. Doch die Interessenten bleiben aus. Nun möchte Serono den Spiess umdrehen und selbst auf Akquisitionstournee gehen. Den Einkauf bezahlen sollen die Aktionäre, indem sie ihr O.K. geben zur Schaffung von bedingtem Kapital im Umfang von bis zu sechs Milliarden Franken. So was hab ich noch nie gesehen: Die verschmähte Braut mutiert zum heiratswütigen Bräutigam. Nur haben die Börsianer das Vertrauen in die Serono-Leitung verloren. Der Konzern braucht, darüber ist man sich an der Bahnhofstrasse einig, nicht nur dringendst eine neue Strategie, sondern auch eine neue Führungscrew.
Wie heisst es doch: Schuster, bleib bei deinem Leisten. Und Sie, Ernesto Bertarelli, bleiben Sie beim Segeln. Das verstehen Sie aus dem Effeff; wir als Binnennation sind stolz auf die
Erfolge des «Alinghi»-Teams. Gehen Sie so rasch als möglich von Bord der Serono. Überlassen Sie das Steuer einem erfahrenen Wirtschaftskapitän. Denn ein solcher ist dringend nötig, um die leckgeschlagene Serono frisch aufzutakeln und wieder in ruhigere Gewässer zu steuern. Die Aktionäre und Ihre Familie werden es Ihnen danken.
Lieber Herr Goldfinger, nach Ihrer Empfehlung in der September-BILANZ habe ich Xstrata-Aktien zum Kurs von 32.30 Franken erworben. Wie von Ihnen vorausgesagt, haben die Titel inzwischen kräftig zugelegt. Meine Frage: Wo sehen Sie das Kursziel in etwa 18 Monaten?» Dies will V.T. aus Zürich wissen.
Xstrata sind unter den grössten Wonneproppen am Aktienmarkt. Und dies schon seit langem; die Titel haben sich über die letzten drei Jahre im Wert mehr als versechsfacht! Nur wenige Aktien können bei dieser Super-Performance mithalten. Aus dem Xstrata-Hauptsitz in Zug sind aber auch fast nur Good News zu vernehmen. So vor wenigen Wochen, als das Jahresergebnis 2005 vorgelegt wurde: ein Viertel mehr Umsatz, zwei Drittel mehr Ebit, und die Aktionäre erhalten eine um 42 Prozent höhere Dividende. Auch die Aussichten bleiben erfreulich, die Aktien sind mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf nicht überteuert.
Dennoch ist mir nicht wohl, wenn ich auf mittlere Sicht ein Kursziel nennen soll. Wenn die Börsenstimmung eines Tages kippt, dann geraten vor allem die Highflyer unter Druck – dazu gehören Xstrata. Doch vorderhand trübt kaum ein Wölklein den Börsenhimmel. Lieber V.T., lassen Sie deshalb die Kursgewinne bei Xstrata weiter laufen. Wer meiner ersten Kaufempfehlung gefolgt ist – diese habe ich vor knapp einem Jahr abgegeben –, konnte bislang seinen Einsatz verdoppeln. In dem Fall würde ich die Hälfte des Gewinns realisieren.
Die Luzerner Kantonalbank macht mit einer ungewöhnlichen Idee von sich reden. Seit kurzem wird jeweils am letzten Dienstag des Monats eine so genannte «CEO-Sprechstunde» abgehalten. Dabei stellt sich Kantonalbank-Chef Bernard Kobler während zweier Stunden für persönliche Gespräche mit Kunden oder Aktionären des Instituts zur Verfügung. Ein toller Einfall, der jedoch noch etwas gewöhnungsbedürftig zu sein scheint. Jedenfalls war die erste Gesprächsrunde nicht gerade überbucht; drei Personen nutzten die Gelegenheit, um Kobler in seinem Büro unter vier Augen Fragen zu stellen. Was wollten sie wissen? Sie haben sich über Finanzierungsmöglichkeiten sowie Konditionen des kantonalen Geldhauses erkundigt.
Mir gefällt der Tatendrang, den die Luzerner schon früher unter Beweis gestellt haben. Dieser schlägt sich auch im Geschäftsgang nieder; im vergangenen Jahr wurde ein Rekordgewinn eingefahren. Mir gefallen auch die Aktien. Zwar sind die Titel keine Kursraketen, dafür solide Valoren – und sie bieten eine Super-Dividendenrendite von 3,1 Prozent.
Wenn Börsen an die Börse gehen, ist ihnen die Aufmerksamkeit der Finanzwelt gewiss. Dem war auch so, als vor wenigen Wochen der Aktienhandel in den Titeln der New York Stock Exchange (Nyse) aufgenommen wurde. Mit dem Börsengang hat sich CEO John Thain Zugang zu frischem Kapital verschafft. Obwohl sich die Nyse jüngst für satte sieben Milliarden Dollar den elektronischen Markt Archipelago einverleibte, möchte die weltgrösste Börse noch grösser werden – Thain schielt nach Europa. Männiglich erwartete ein Angebot der New Yorker an die Aktionäre der London Stock Exchange (LSE). Doch die US-Technologiebörse Nasdaq war schneller, schnappte sich ein grosses Aktienpaket und hält nun 15 Prozent. Ob sich Thain damit geschlagen gibt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat die Nyse vor wenigen Tagen in einem SEC-Filing geschrieben, dass man mit diversen Börsen Allianz- oder Akquisitionsgespräche führe (siehe auch das Gespräch mit Werner Seifert, dem ehemaligen Chef der Deutschen Börse, auf Seite 112).
213 Jahre lang war die Nyse ein exklusiver Club. Auch die anderen Börsen verstanden sich lange nicht als gewinngetriebene Firma, sondern als privat organisierte Finanzdienstleister. Bis die Deutsche Börse 2001 mit ihrem Going-public den Startschuss gab für weitere Börsengänge von Börsen; kotiert sind inzwischen die LSE, die Vierländerbörse Euronext, die schwedisch-finnische OMX, die Nasdaq, die Chicago Mercantile Exchange und andere. Die Börsenaktien entwickelten sich rasch zu Börsenlieblingen. Alleine in diesem Jahr haben sich LSE im Wert verdoppelt, Euronext gewannen 50, Deutsche Börse sowie Nasdaq je 20 Prozent. Die Nyse-Titel rückten innert fünf Wochen um 18 Prozent vor. Inzwischen sind die meisten Papiere dieser Branche saftig bewertet. Haben sich Börsenhype und Übernahmefantasie verflüchtigt, werden diese Valoren an Wert einbüssen.
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