BILANZ: Herr Bichsel, in der Branche hat man nicht wenig gestaunt, als Sie vor einem Jahr den sicheren Chefsessel bei Swissca sausen liessen und nach Holland zur Robeco
zogen. Was bietet der neue Job denn so Reizvolles?
Stefan Bichsel: Der Aufbau von Swissca war hochinteressant. Heute ist das Unternehmen gesund, es prosperiert, die Strategie stimmt, die Teams funktionieren. Doch die Expansionsphase ist vorbei, und damit war für mich auch die Herausforderung weg. Deshalb habe ich mich gefragt, wo ich denn nun frischen Sauerstoff tanken könnte. Und als das Angebot aus Holland kam, habe ich eingeschlagen.
Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?
Robeco ist eine international tätige Vermögensverwaltungsfirma und verfügt über eine entsprechende Multikultur. Genau das hat mir in den letzten Jahren bei der Swissca etwas gefehlt. Zudem kann ich das Unternehmen mitgestalten, in einem grossen Umfeld etwas bewegen.
Das hört sich schwammig an. Bei Swissca konnten Sie etwas Neues aufbauen, bei Robeco dagegen ist alles schon arrangiert. Wo sehen Sie denn da die Herausforderung?
Wie bei manchen Unternehmen, die über eine lange Historie verfügen und finanziell gesund sind, ist auch bei Robeco das Feuer, der Druck für Höchstleistungen nicht mehr so ausgeprägt wie in alten Tagen. Die Firma steht wohlgemerkt auf einer sehr soliden Basis und zeichnet sich durch viele Stärken aus. Ich will nun versuchen, diese Pferdestärken mit weniger Reibungsverlusten auf die Strasse zu bringen. Konkret müssen wir in einzelnen Bereichen ein besseres Gleichgewicht finden, beispielsweise zwischen Produktion und Verkauf. Ein wichtiges Anliegen ist auch, Robeco europaweit in der Öffentlichkeit besser zu platzieren. Es reicht nicht, gut zu sein, solches muss man auch kommunizieren. Das ist mein eigentliches Thema, und das ist spannend, die Herausforderung überhaupt. Weil Kommunikation so wichtig ist, steige ich oft selbst in den Maschinenraum und kontrolliere, dass unsere Experten auch wirklich an den richtigen Schrauben drehen (lacht).
Mehr als Feintuning ist das ja kaum ...
Oh doch, es ist mehr. Es ist ein eigentlicher Kulturwandel. Wir müssen das Unternehmen besser strukturieren und straffen, einfach fitter machen. Robeco soll europaweit die starke Marktposition einnehmen, die sie auch verdient.
Jeder Holländer, so wird gescherzt, werde mit einem Robeco-Fonds geboren. Von einer derartigen europaweiten Marktpositionierung können Sie wohl höchstens träumen.
Im holländischen Fondsgeschäft hält Robeco einen Marktanteil von knapp einem Drittel. Diese Grösse werden wir ausserhalb des Heimmarktes nicht erreichen. Dennoch wird das Unternehmen in fünf Jahren einer der führenden Anbieter im Asset-Management in Europa sein. Dabei kann Robeco eine nicht zu unterschätzende Stärke ausspielen: Wir verfügen über kontinentaleuropäisches sowie angelsächsisches Know-how, haben aber eine europäische Art, damit umzugehen. Das unterscheidet uns von vielen Konkurrenten.
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Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie sich des neuen Jobs nicht allzu sicher sind. Schliesslich haben Sie den Haushalt in der Schweiz nicht aufgelöst.
Ich und meine Frau führen einen Haushalt mit Pferden und Hunden. Einen solchen Hausstand kann man nicht ohne weiteres verschieben und dann gleich nach Rotterdam. Zudem stecken wir in der Schweiz mitten im Hausbau, dieser wird von meiner Frau geleitet. Wir haben einen schönen Flecken zum Leben gefunden, und so etwas gibt man nicht so schnell wieder auf. Deshalb fliege ich ziemlich jedes Wochenende in die Schweiz und am Montag früh zurück. Vor neun Uhr bin ich dann wieder im Büro.
Auch Ihr Arbeitgeber hat eine spezielle Beziehung zur Schweiz. Mit 62 angebotenen Fonds zählt Robeco, zumindest von der Angebotspalette her betrachtet, zu den grösseren Playern in der Schweiz.
Und ob. Dennoch sind wir im Schweizer Markt noch wenig bekannt, vor allem beim Endkunden. Das ist eine Folge unserer Politik, unsere Fonds nicht selbst, sondern über Partner zu vertreiben.
Welchen Stellenwert hat der Schweizer Fondsmarkt in der langfristigen Expansionsstrategie von Robeco?
Die Schweiz ist ein enorm wichtiger Markt, und das sage ich nicht, weil ich aus diesem Land komme. Es ist viel Geld vorhanden, und als Vermögensverwaltungsplatz ist die Schweiz einer der weltweit bedeutendsten Plätze überhaupt. Deshalb kommt der Schweiz in unserer Europastrategie auch hohe Priorität zu. Doch ich kenne die Situation zu gut, als dass ich mir Illusionen machen würde; dieser Markt ist hoch kompetitiv, niemand hat auf Robeco gewartet.
Robeco steht in der Schweiz vor einer neuen Situation: Die Mutter, die Rabobank, ist bei Sarasin eingestiegen. Nur ist die Basler Bank ebenfalls gut verankert im Fondsgeschäft. Ist Sarasin für Robeco ein Konkurrent oder ein Partner?
Heute ist das eine gute Geschäftsbeziehung, so ergänzen wir uns. Die Rabo-Robeco-Bank Schweiz wurde in die Bank Sarasin hineinfusioniert, weshalb sie gute Kunden von uns geworden sind. Anderseits können wir nun auch diesen Vertriebskanal nutzen. Den grössten Teil unseres Geschäfts betreiben wir jedoch weiterhin selbstständig.
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Sie haben immer noch beste Kontakte zur Nummer drei im Schweizer Fondsgeschäft, zur Swissca. Ist da eine enge Zusammenarbeit denkbar?
Wenn eine Zusammenarbeit für uns und unsere Kunden vorteilhaft ist, kann ich mir diese durchaus vorstellen. Das macht vor allem bei Produkten Sinn, die wir im Sortiment führen, Swissca jedoch nicht. Speziell bei alternativen Anlagen haben wir Fonds, das sind regelrechte Schönheiten. Dazu gesellt sich das Triple A unserer Muttergesellschaft, ein im Segment der strukturierten Produkte ausserordentlich wichtiger Umstand. So verfügen wir über die beste aller Welten, denn diese Mischung können nur wenige Konkurrenten anbieten.
Der Schweizer Markt steckt in einer Strukturkrise. Viele Fonds sind zu klein und damit unrentabel. Alle sprechen von Gesundschrumpfung, niemand wagt sich vor. Ihr Urteil aus der Ferne?
Seit ich im Schweizer Fondsgeschäft tätig bin, heisst es, zu viel vom Gleichen werde angeboten. Dann kam die grosse Welle, die alle Schiffe gleich hebt: Die Aktienmärkte haussierten, auch die kleinen Anbieter konnten mitschwimmen, die Bubble-Wirtschaft überdeckte die strukturellen Probleme. Nun ist die grosse Party vorbei, es wird wieder nach ökonomischen Gesichtspunkten gerechnet. Und schon stellt sich erneut die Frage nach der Anzahl gleich gelagerter Produkte, nach Grösse, nach Wirtschaftlichkeit. Nur schmerzen die Verluste noch zu wenig, weshalb die Fondshäuser die Entscheide bezüglich Fondsfusionen respektive Schliessungen vor sich herschieben. Das ist übrigens kein schweizerisches Phänomen, sondern in ganz Europa zu beobachten. Ganz anders dagegen die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten: Die Amerikaner haben zwar einen volumenmässig rund doppelt so grossen Fondsmarkt wie Europa, aber nicht einmal ein Viertel der Anzahl Fonds. Dieses Missverhältnis deckt den Handlungsbedarf klar auf.
Diesen Handlungsbedarf hat die Branche wohl erkannt. Doch ist es nicht so, dass alle befürchten, wenn sie bei auch noch so unsinnigen Produkttrends nicht mitmachen, ihnen dann die Kunden davonlaufen?
Dem ist so. Vielen fehlt halt vorläufig noch der Mut, da kräftig auszumisten. Kommt dazu, dass viele Produkte zu komplex aufgebaut sind. Dabei will der Anleger einfache, saubere Lösungen. In Tat und Wahrheit ist das Fondsangebot dermassen explodiert, dass höchstens noch der Anlageberater einigermassen den Überblick behält. Eine mittelgrosse Fondsgesellschaft braucht nicht 200, sondern höchstens 100 Produkte, sonst können diese nicht effizient betreut werden.
Ist das der Trend der nächsten Jahre, dass die Fondsanbieter ihr Angebot straffen?
Das ist unabdingbar, davon bin ich überzeugt. Und wer das nicht macht, der gerät über kurz oder lang in Ertragsprobleme.
Fonds en masse zu schliessen oder zusammenzulegen, ist ja nicht gerade billig.
Das Problem sind nicht primär die Kosten, sondern die Regelungen rund um die Anlagefondsgesetze. Dieses ist auf die ständige Schaffung neuer Fonds ausgelegt, jedoch nicht darauf, alte Produkte loszuwerden, sprich: zusammenzulegen oder zu schliessen. Im Prinzip sollte es ja einfach sein, Fonds zusammenzulegen, auch über Landesgrenzen hinweg. In der Praxis dagegen wissen die Aufsichtsbehörden nicht so recht, wie sie mit diesem Problem umzugehen haben. Denn das Gesetz ist in diesem Bereich unklar, ja sagt oft gar nichts aus. Die Bedürfnisse der Kunden haben sich verändert; die Industrie muss nun ihre Fondspalette nicht verbreitern, sondern ausdünnen. Wie üblich hinkt jedoch die Gesetzgebung den Bedürfnissen hintennach.
Die Ausländer, so klagen heimische Fondsmanager seit Jahren, wilderten in der Schweiz. Dank tieferen Kosten könnten sie billiger anbieten und verdürben damit den Markt. Jetzt stehen Sie auf der anderen Seite der Landesgrenze. Wie denken Sie nun darüber?
Da wird um etwas diskutiert, was in dieser Form eigentlich gar nicht existiert. Denn Schweizer Fondshäuser arbeiten im internationalen Vergleich recht kostengünstig und können diesbezüglich mit den Ausländern durchaus mithalten. Doch die Schweizer haben das Talent, sich ihre Märkte selbst kaputt zu machen, sei das im Fondsgeschäft, im Brokerage oder wo auch immer. Seit Jahrzehnten läuft es für die Geldhäuser ausgesprochen rund im Finanzgeschäft. Da ist der Zwang zur knallharten Kalkulation gering, die Versuchung der Quersubventionierung gross. Seien wir doch ehrlich: Die ausländische Konkurrenz hat dem Schweizer Fondsmarkt gut getan. Gerade weil unsere Finanzhäuser sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen, sind sie derart wettbewerbsstark geworden. Schauen Sie andere Ländern an, da bauen sich die Firmen im Windschatten ihrer Regierungen ihre Märkte auf. In Deutschland oder Frankreich wird die ausländische Konkurrenz über gesetzliche Hürden abgewehrt. Dann vergleichen sich die Banken untereinander, anstatt sich an einem internationalen Standard messen zu müssen. In der Schweiz dagegen ist diese Abschottung nicht denkbar, man hat sich mit internationaler Konkurrenz auseinander zu setzen. Und genau das macht stark.
Dieser Inselmentalität vieler europäischer Länder droht sowieso das Aus, wenn der Fonds-Europamarkt kommt. Doch wann kommt er?
Es ist allen Beteiligten klar, dass der so genannte Single Market eines Tages entstehen wird. Nur wird dieser Tag von allen hinausgezögert unter dem Motto, wenn wir uns nicht allzu sehr beeilen, können wir unseren Markt noch einige Jahre abschotten und zusätzlich verdienen. Mit Ausnahme der Schweiz, Holland und Luxemburg verfolgen alle Länder eine defensive Strategie; bei jeder Gelegenheit werden neue Hürden errichtet. Das sind jedoch nur noch Rückzugsgeplänkel.