Noch nie sind derart viele Börsenprognosen auf mein Pult geflattert wie in den letzten Wochen. Dutzende von Aktienexperten, darunter wenige Könner, dafür viele Möchtegerne, folgen einem Drang und wollen der Welt kundtun, was diese vom Börsenjahr 2004 zu erwarten hätte. Und noch nie waren sich die Auguren derart uneins darüber, wohin die Märkte denn nun tatsächlich tendieren werden. Müsterchen gefällig? Ralph Acampora von Prudential Securities, profilierter Vertreter unter den Markttechnikern, ist seit geraumer Zeit heiss auf Aktien und prognostiziert eine Fortsetzung der Börsenhausse bis ins Jahr 2005. Dagegen ist John Templeton für Aktien noch nie so negativ gestimmt gewesen wie heute; Sir John, legendärer Investor und Gründer der mächtigen Franklin Templeton Investments, warnt speziell vor US-Aktien.

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Wohin also tendieren die Börsen? Ich werde mich davor hüten, auch noch eine Weissagung zu machen. Zumal das mit den Voraussagen so seine Bewandtnis hat; diese lassen sich nämlich ganz trefflich nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen formen. In null Komma nichts zaubere ich Ihnen fünf Gründe aus dem Zylinder, die für ein fabelhaftes Börsenjahr sprechen: Die Konjunktur gewinnt an Fahrt, die Firmengewinne steigen, die Aktien sind im historischen Vergleich unterbewertet, die Notenbanken sorgen für eine grosszügige Liquidität, die Anleger halten viel Cash. Kaum mehr Zeit benötige ich für fünf Argumente, die eine Baisse signalisieren: Die Wirtschaft fällt in die Rezession zurück, der Dollar stürzt endgültig ab, die Zinsen ziehen deutlich an, Terror und neue Konflikte flammen auf, die Inflation meldet sich zurück. Beide Szenarien sind durchaus denkbar. Ist es da noch verwunderlich, wenn die Investoren verunsichert sind?

Diese Verunsicherung hat sich im Börsenverlauf der ersten Januarwochen niedergeschlagen. Zwar vermochte der SPI um vier Prozent zuzulegen. Allerdings waren mehrere Handelstage von starken Kursfluktuationen geprägt, die den Index um über ein Prozent nach oben oder unten ausschlagen liessen. Zum Vergleich: Sinkt der SPI um ein Prozent, lösen sich zehn Milliarden Franken in Luft auf. An solch heftigen Tagesschwankungen lässt sich das zunehmend kurzfristige Denken der Inves-toren ablesen.

Dabei liesse sich die Aufregung vermeiden. Befolgen Sie den Rat des Börsen-Altmeisters André Kostolany: «Bestücken Sie Ihr Portefeuille mit soliden Blue Chips, schlucken Sie eine Packung Schlaftabletten, stellen Sie den Wecker auf zehn, noch besser auf fünfzehn Jahre.» Denn je längerfristig der Anlagehorizont ausgerichtet ist, desto weniger wirken sich sogar starke Kurseinbrüche negativ auf die Performance aus.

Das lässt sich statistisch mühelos belegen. Die Genfer Bank Pictet hat jüngst eine Studie veröffentlicht, in der sie die Performance von Aktien und Obligationen seit 1926 untersucht. Von 2001 bis 2003 hat ein Aktiendepot einen jährlichen Verlust von elf Prozent eingetragen. Über fünf Jahre schrumpft das Minus auf 2,5 Prozent. Seit 1994 dagegen erbrachten Aktien einen jährlichen Gewinn von satten 7,8 Prozent, und dies ungeachtet des schweren Börseneinbruchs, der zwischen 2000 bis 2003 die Anleger zur Verzweiflung trieb. Über 78 Jahre betrachtet, haben Aktien übrigens jährlich 7,9 und Obligationen 4,6 Prozent an Gewinn abgeworfen. Die Konklusion: Nicht mehr schnellen Börsengewinnen hinterherhecheln, sondern einfach den Wecker stellen.