Herr Rapp, der Pessimismus, der im Dezember an den Börsen noch weit verbreitet war, scheint wieder verflogen. Wir haben einen der besten Jahresauftakte in der Geschichte der Börse erlebt. Ist der Optimismus gerechtfertigt?
Nein, ich denke nicht. Die treibende Kraft hinter dem Rally war wieder die US-Notenbank Fed. Sie hat die Zinswende in den «Stand-by»-Modus versetzt. Das beruhigt die Nerven, ist aber nicht nachhaltig. Die fundamentalen Grundlagen und der Ausblick rechtfertigen diesen Optimismus keineswegs.
Sie rechnen mit schlechten Nachrichten?
Ja. Das fundamentale Bild dürfte sich stark eintrüben. Das Risiko einer konjunkturellen Abschwächung wird vom Markt unterschätzt. Die Rezessionsrisiken sind nicht gering. In Europa könnten wir schon 2019, in den USA 2020 in eine Rezession schlittern. Viele Frühindikatoren gehen in diese Richtung. Auch die Gewinnschätzungen für 2019 und 2020 sehen nicht rosig aus. Im zweiten Halbjahr könnte diese Realität einsickern und es an den Börsen wieder zu einer Korrektur kommen. Am Ende setzen sich doch immer die Fundamentaldaten durch.
Aber der Anlagenotstand ist nach wie vor gross. Abseits der Aktienmärkte gibt es kaum vernünftige Renditen.
Der Anlagenotstand drängt Investoren dazu, höhere Aktienrisiken in Kauf zu nehmen. Aber wie wir im Dezember gesehen haben, verfliegt diese Risikobereitschaft schnell. Man sollte ein klares Bild der grössten Risiken haben und dieses hoch an die Wand hängen.
Könnte China der Weltwirtschaft mit einem Infrastrukturprogramm zu neuer Dynamik verhelfen?
Chinas Regierung wird etwas unternehmen. Davon werden aber vor allem China und der lokale Aktienmarkt profitieren. Für den globalen Aufschwung reicht das nicht.
Wie sieht es mit den USA aus? Eine Rezession käme für Donald Trump im Kampf um die Wiederwahl höchst ungelegen.
Wenn Trump ein grosses Infrastrukturprogramm anschöbe, würde dies das konjunkturelle Bild drehen. Vor allem US-Aktien würden profitieren. Auch wenn die Notenbanken neue QE-Programme starteten, würde das den Börsen helfen.