Bei den jungen Kryptowährungen gehört Japan derzeit weltweit zu den Pionieren und ist wichtiger Testfall für die Aufsichtsbehörden weltweit. Seit dem Frühling 2017 hat das Parlament in Tokio die CyberWährungen Bitcoin und Ether als legale und konvertierbare Zahlungsmittel zugelassen. Im November 2017 legte das Accounting Standard Board wichtige Rechnungslegungsstandards vor. Und seit Juli entfällt die Umsatzsteuer beim Ankauf und Verkauf von Kryptogeld.
Es gibt zahlreiche Gründe, warum gerade Japan auf diesem Gebiet Finanzgeschichte schreibt. Auf der einen Seite zieht Nippon Lehren aus dem Zusammenbruch von MTGox, der einst grössten Handelsplattform für digitale Kryptowährungen mit Sitz in Tokio, bei welchem 650 000 Bitcoins verschwunden sind, was zu einem Schaden von 450 Millionen Dollar führte. Die Finanzaufsicht will eine Wiederholung zumindest auf japanischem Boden verhindern und nun einen gesetzlichen Rahmen schaffen.
Auf der anderen Seite verfolgt die Finanzbehörde mit der raschen Zulassung des digitalen Zahlungsmittels vor allem das Ziel, die schläfrige Geldbranche des Landes grundlegend zu modernisieren und mehr Dynamik in den Markt für Finanzinnovationen zu bringen. Tokio hofft dabei vor allem auch auf mehr Investitionen in kreative Fintech-Startups. Investitionen in die IT-Infrastruktur zur Herstellung und Aufbewahrungen der Cyber-Bezahlmittel könnten da kräftiges Wachstum bringen. Und zu guter Letzt verspricht sich die japanische Regierung von den Investitionen in die Infrastruktur der Cyberwährung technologische Folgewirkungen in anderen Bereichen ausserhalb der Finanzwelt.
Juristische Grauzonen verhindern Seit April 2017
Seit April 2017 erlebt die japanische Financial Service Agency (FSA) einen wahren Ansturm von Antragstellern auf eine Lizenz, um einen Handelsplatz für Digitalwährungen zu eröffnen. Rund ein Dutzend Betriebslizenzen sind inzwischen erteilt worden, und der Handel von 17 Kryptowährungen ist genehmigt worden. Der Prozess ist aber teuer, hürdenreich, und keineswegs alle Anwärter sind erfolgreich. Betreiber von Bitcoin-Börsen müssen ein Minimum an Eigenkapital vorweisen, sich beim Staat anmelden und sich an strenge Vorschriften halten, wie etwa an jene zur Bekämpfung der Geldwäsche. Die Betreiber müssen auch in der Lage sein, ihre Kunden zu identifizieren. Das widerspricht dem eigentlichen Grundgedanken des Cybergeldes, denn es kennt keine Namen, sondern nur Prüfsummen und kryptografische Schlüssel. Zwar verliert die Währung dadurch ein Stück Anonymität und Unabhängigkeit, doch Tokio will mit der Regulierung vor allem Rechtssicherheit schaffen und das Entstehen juristischer Grauzonen verhindern.
Nach Auffassung vieler Beteiligter lohnt sich der Aufwand trotz der scharfen Regulierung. Die Antragsteller spekulieren nämlich auf das wachsende Interesse der japanischen Privatanleger und damit vor allem auf die Gelder von «Frau Watanabe». Dabei handelt es sich um eine schon legendäre japanische Anlegergruppe, die sich zum Grossteil aus Hausfrauen und Rentnern zusammensetzt, die von ihren Heimcomputern aus auf den internationalen Devisenmärkten investieren und in jedem Quartal Differenzgeschäfte mit Währungen für rund zehn Billionen Dollar abwickeln. Käme auch nur ein kleiner Teil davon dem BitcoinMarkt zugute, würde das Geschäft mit Kryptogeld abheben. Finanzberater bieten bereits eine Reihe von Seminaren dazu an, wie das digitale Geld funktioniert und wie man darin anlegt. Indem Japan Bitcoins in einen gesetzlichen Rahmen einbindet, soll den Verbrauchern die Gewissheit gegeben werden, dass sich die Handelsplattformen nicht dem Anleger und Verbraucherschutz entziehen können.
Cybergeld setzt sich im Einzelhandel durch
Bitcoins sind in Japan längst kein Nischenprodukt mehr. Das Interesse an dem digital verschlüsselten Geld wächst mittlerweile sogar sprunghaft. Das Cybergeld setzt sich vor allem im Einzelhandel durch und verliert damit das Image eines spekulativen Zahlungsmittels für Computerfreaks und Nerds. Einer der grossen japanischen Elektronik-Einzelhändler, Bic Camera, akzeptiert Bitcoins seit Neuestem in zwei Tokioter Filialen als Zahlungsmittel, der Gasversorger Nippon Gas anerkennt das Cybergeld und Peach Aviation ist die erste japanische Fluggesellschaft, die die Kryptowährung zur Bezahlung von Flugscheinen annehmen wird. Seit Ende 2017 können die ersten Tickets mit der Kryptowährung gekauft werden. Peach Airline plant auch die Installation von Bitcoin-Automaten in zahlreichen Flughafen-Terminals. Um deren Attraktivität zu erhöhen, will die Billigfluglinie künftig enger mit lokalen Behörden und Unternehmen zusammenarbeiten. «Wir verhandeln derzeit mit grossen Convenience Stores, die als Annahmestellen für die digitale Währung dienen könnten», betont Genki Oda, Präsident des Bitcoin Startups BitPoint, das für die Einführung der Kryptowährung bei Peach Aviation verantwortlich ist.
«Wir erwarten, dass Japaner und ausländische Touristen zu Beginn des Jahres 2018 in bis zu 400 000 Geschäften mit Bitcoin zahlen werden», erklärt Midori Kanemitsu, Finanzchef der grössten Bitcoin-Börse, Bitflyer. Eine ganze Reihe von Unternehmen, darunter auch Bitflyer, schalten im japanischen Fernsehen schon Bitcoin-Werbespots. Analysten sehen das als ein wichtiges Anzeichen dafür, dass das Zahlungsmittel nun auch auf dem Massenmarkt angekommen ist. Bitflyer erhielt Risikokapital von Mitsui Banking Corporation, von der Mizuho Financial Group sowie vom Lebensversicherer Dai-Ichi Life Insurance und von zahlreichen Konzernen und bereitet gerade das Debüt in den Vereinigten Staaten vor.
Neuartige Investmentfonds in Sicht
Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Der Online Dienstleister GMO hat eine eigene Bitcoin-Börse für Privatanleger eröffnet. Wie jede andere Währung lassen sich auf dieser Handelsplattform Bitcoins mit Ankaufs- und Verkaufskursen sowie mit Differenzkontrakten handeln.
Im Mai 2017 stellte ein Entwicklerteam von Japan «Beth» vor; das ist ein auf Deep Learning basierender Investmentfonds auf der Grundlage von Ethereum. Ethereum verwendet die Kryptowährung Ether als Zahlungsmittel für Rechenleistungen. Beth verbindet Methoden des Deep Learning mit wirtschaftlicher Expertise. Dabei soll ein neuartiger Investmentfonds geschaffen werden, der Methoden des Machine Learning zur Risikoverminderung bei Investment-Entscheidungen nutzen will. Ziel von Beth ist es, die neuen Technologien aus den Kreisen der grossen Wall-Street-Investoren zu holen und sie jedem Interessierten zur Verfügung zu stellen.
Online-Währungen wie Bitcoin benötigen eigentlich keine Banken. Denn im Gegensatz zu gewöhnlichem Geld wie dem Euro oder dem Yen gibt es keine Notenbank, die neues Geld schafft. Es handelt sich vielmehr um ein virtuelles Zahlungsmittel auf der Basis von Computernetzwerken. So kann ein einzelner Nutzer mit seinem PC neue digitale Münzen schaffen, in dem sein Computer komplizierte Rechenaufgaben löst.
Dennoch sehen insbesondere auch Japans Banken, die seit Jahren unter einer schwachen Kreditnachfrage leiden, durchaus Chancen, ihr Geschäft auszubauen und interessieren sich vor allem für die hinter den Kryptowährungen stehende Technologie Blockchain, nicht zuletzt, um ihre Backoffices zu automatisieren und zu beschleunigen. Die Finanzgruppen MUFG, Mizuho und SMFG machen daher mit ihrem eigenen digitalen Geld mit. 2018 plant MUFG die Enthüllung einer eigenen Währung, der MUFG Coin, um die Blockchain-Technologie innerhalb des Unternehmens zu nutzen. Japanische Nutzer werden in der Lage sein, ihre Bankkonten mit einer App zu verbinden. Dabei können MUFG-Kunden Geld von ihrem Girokonto mit einem Kurs von eins zu eins in MUFG-Coins umtauschen und an angeschlossene Geschäfte oder Freunde und Bekannte überweisen. Des Weiteren soll es für MUFG-Coin Geldautomaten geben.